Migräne – Weitere Therapie

Bestandteil einer umfassenden Migränetherapie sind erkrankungsspezifische Edukation, die Akzeptanz der Erkrankung und ggf. notwendige Lebensstiländerungen (s. u. "Allgemeine Maßnahmen").
Unter Edukation versteht man die Informierung des Patienten über sein Krankheitsbild und dessen Behandlung.

Allgemeine Maßnahmen

  • Regelmäßiger Tagesablauf
  • Erste Maßnahmen zur Linderung:
    • Ruhe
    • Eisbeutel oder ein kalter Waschlappen auf Stirn und Schläfen
    • Pfefferminzöl (einen Tropfen auf die Fingerspitzen und damit die Schläfen massieren)
    • Schlaf
    • Dunkelheit bei Patienten, die lichtempfindlich regieren
  • Nikotinrestriktion (Verzicht auf Tabakkonsum)
  • Begrenzter Alkoholkonsum (Männer: max. 25 g Alkohol pro Tag; Frauen: max. 12 g Alkohol pro Tag), ggf. auch Alkoholrestriktion (Verzicht auf Alkohol)
    • Meiden von Rotwein (besonders der Bestandteil Tyramin)
  • Begrenzter Koffeinkonsum (max. 240 mg Koffein pro Tag; das entspricht 2 bis 3 Tassen Kaffee bzw. 4 bis 6 Tassen grünen/schwarzen Tee)
  • Normalgewicht anstreben! 
    Bestimmung des BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index) bzw. der Körperzusammensetzung mittels der elektrischen Impedanzanalyse und ggf. Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm:
    • BMI ≥ 25 → Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm
    • BMI-Rechner – ermitteln Sie unter Berücksichtigung von Geschlecht und Alter Ihren gesunden Gewichtsbereich! (Anzeige)
  • Überprüfung der Dauermedikation wg. möglicher Auswirkung auf die vorhandene Krankheit
  • Auslöser (Triggerfaktoren) identifizieren und vermeiden.
  • Vermeiden von Änderungen der Schlafgewohnheiten (bzw. Wechsel des Schlaf-Wachrhythmus) sowie Schlafmangel
    Beachte: Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus und eine ausreichende Schlafdauer kann die Migränehäufigkeit reduzieren.
  • Vermeidung psychosozialer Belastungen:
    • Angst
    • Stress
    • Entlastung nach Stresssituationen
    • plötzliche Entspannung (Sonntagsmigräne)
  • Vermeidung von Umweltbelastungen:
    • Flackerlicht
    • Lärm
    • Aufenthalt in großer Höhe
    • Wettereinflüsse, vor allem Kälte; ebenfalls Föhn
    • Rauch

Konventionelle nicht-operative Therapieverfahren

  • Transkutane Trigeminusneurostimulation – es gibt Hinweise der Wirksamkeit in der Prophylaxe der episodische Migräne [4-6] 

Ernährungsmedizin

  • Ernährungsberatung auf der Grundlage einer Ernährungsanalyse
  • Ernährungsempfehlungen gemäß einem Mischköstler unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankung. Das bedeutet u. a.:
    • täglich insgesamt 5 Portionen frisches Gemüse und Obst (≥ 400 g; 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst)
    • ein- bis zweimal pro Woche frischen Seefisch, d. h. fette Meeresfische (Omega-3-Fettsäuren) wie Lachs, Hering, Makrele
    • ballaststoffreiche Ernährung (Vollkornprodukte, Gemüse)
  • Eine Studie zeigte, dass normalgewichtige Frauen mit Migräne eine signifikant niedrigere Qualität der Ernährung (Healthy Eating Index) zu sich nahm als Frauen ohne Migräne [3].
  • Eine regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr (1,5-2 Liter; bei körperlicher Arbeit oder Hitze: zusätzlich 0,5-1 Liter) kann die Migränehäufigkeit reduzieren.
  • Beachtung folgender spezieller Ernährungsempfehlungen:
    • Meiden von Auslösern:
      • Fett – Eine geringe Fettaufnahme wirkt sich im Vergleich zu einer Ernährung mit gemäßigtem Fettgehalt positiv auf die Anzahl sowie die Heftigkeit der Migräneattacken aus.
      • Käse, vor allem dessen Bestandteil Tyramin
      • Schokolade, vor allem der Bestandteil Phenylethylamin
      • Rotwein, vor allem der Bestandteil Tyramin
      • etc.
    • Ernährung reich an:
      • Vitaminen (Vitamin B2)
      • Mineralstoffen (Magnesium)
      • Omega-3-Fettsäuren (Meeresfisch: Eicosapentaensäure (EPA) oder Docosahexaensäure (DHA))
        • Erhöhung von EPA plus DHA auf 1,5 g/Tag und Beibehaltung von Linolsäure (= H3-Diät-Gruppe)
        • Erhöhung von EPA plus DHA auf 1,5 g/Tag und Senkung der Linolsäure.(= H3-L6-Diät)
        • Beide Diäten reduzierten die Kopfschmerzstunden pro Tag (-1,7 bzw. -1,3) und die Kopfschmerztage pro Monat (-4,0 und -2,0); H3-L6-Diät verringerte die Kopfschmerztage pro Monat stärker als die H3-Diät (-2,0, 95 %-KI -3,2 bis -0,8) [11]
          Weitere Studien sind abzuwarten, um abschließend beurteilen zu können, ob Omega-3-Fettsäuren in der Migräneprophylaxe möglicherweise wirksam sind.
      • Coenzym Q10
  • Auswahl geeigneter Lebensmittel auf Grundlage der Ernährungsanalyse
  • Siehe auch unter "Therapie mit Mikronährstoffen (Vitalstoffe)" – ggf. Einnahme eines geeigneten Nahrungsergänzungsmittels
    Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
    Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
  • Detaillierte Informationen zur Ernährungsmedizin erhalten Sie von uns

Sportmedizin

  • Ausdauertraining (Cardiotraining) und Krafttraining (Muskeltraining)
    • Ausdauertraining: zur Therapie (Sekundärprophylaxe) [7]; soll die Schmerzintensität lindern und die Anfallshäufigkeit reduzieren.
    • Vergleich Ausdauertraining versus Krafttraining: Am effektivsten war Krafttraining, gefolgt vom intensiven aeroben Training. Dieses führte zu einer Reduktion der Migränetage um 3,5 bzw. 3,1 pro Monat [12].
  • Geeignete Sportdisziplinen sind Joggen, Schwimmen, Radfahren.
    Empfohlene Häufigkeit: 3-mal wöchentlich für mindestens 30 Minuten
  • Krafttraining (Muskeltraining) [12]: abwechselndes Training aller großen Muskel einschließlich der Halsmuskeln:
    • Tag 1: Nacken, Schultern, Arme
    • Tag 2: aktive Erholung
    • Tag 3: Glutealmuskulatur (Gesäßmuskulatur), Ober- und Unterschenkel
    • Tag 4: aktive Erholung
    • Tag 5: Stamm- und Rückenmuskeln
    • Tag 6: aktive Erholung
    • Tag 7: wie Tag 1
  • Erstellung eines Fitnessplans mit geeigneten Sportdisziplinen auf der Grundlage eines medizinischen Checks (Gesundheitscheck bzw. Sportlercheck)
  • Detaillierte Informationen zur Sportmedizin erhalten Sie von uns.

Physikalische Therapie (inkl. Physiotherapie)

  • Physiotherapie – fester Bestandteil der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie

Psychotherapie

  • Psychotherapie – dient der Senkung der Grundanspannung, der Steigerung der Selbstwirksamkeit und der Förderung der Krankheitsakzeptanz
  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) [7] – soll die Selbstwirksamkeit und die Kontrollüberzeugung verbessern
  • Entspannungsverfahren:
    • Autogenes Training
    • progressive Muskelentspannung nach Jacobson [7]; dieses Verfahren soll dem autogenen Training überlegen sein
    • Qigong – traditionelle chinesische Medizin (TCM) bzw. Kunst, mittels der die Lebensenergie aktiviert werden soll; das Verfahren wird auch als Heilgymnastik bezeichnet
  • Stress- und Schmerzbewältigungstraining; Schmerzdistanzierung (z. B. Aufmerksamkeitslenkung in Form von Imaginationsübungen) [7]
  • Detaillierte Informationen zur Psychosomatik (inkl. Stressmanagement) erhalten Sie von uns.

Komplementäre Behandlungsmethoden

  • Akupunktur 
    • Studien deuten darauf hin, dass Akupunktur mindestens ebenso wirksam ist wie eine medikamentöse Therapie zur Migräneprävention [2].
    • Eine manuelle Akupunktur, die durch die Manipulation der Nadeln ein "Qi"-Gefühl erzeugen soll, hat im Vergleich zu einer Scheinakupunktur die Zahl der monatlichen Migräneattacken und -tage gesenkt: unter der manuellen Akupunktur um 3,5 Tage und unter der Scheinakupunktur um 2,4 [10]
  • Biofeedback – Vasokonstriktionstraining: Versuch im Anfall willentlich eine Verengung der rechten oder linken Arteria temporalis superficialis herbeizuführen, um auf diese Weise die Schmerzen zu lindern (Blutvolumenpuls (BVP)-Biofeedback) [7] 
  • Elektroakupunktur (Stimulationsfrequenz betrug 2/100 Hz mit einem Wechsel alle drei Sekunden; Intensität variierte zwischen 0,1 und 1,0 mA/je nach Wunsch des Patienten)
    • Migränepatienten ohne Aura: Die mittlere (SD) Häufigkeit der Migräneattacken verringerte sich in der wahren Akupunkturgruppe um 3,2 (2,1), in der Scheinakupunkturgruppe um 2,1 (2,5) und die Wartelistengruppe um 1,4 (2,5); eine größere Reduktion wurde in der wahren Akupunkturgruppe beobachtet als in der Scheinakupunkturgruppe (Differenz von 1,1 Angriffen, 95 % CI, 0,4-1,9, P = 0,002) und in der wahren Akupunkturgruppe gegen Wartelistengruppe (Differenz von 1,8 Angriffen; 95 % CI, 1,1-2,5, P <0,001) [8]
  • Osteopathie – osteopathische Manipulationstherapie (OMT) [1]
  • Riechtraining (Düfte schnuppern): Gerüche beeinflussen den Zustand der zerebralen Schmerzmatrix – Schnuppern von Bananenaroma hat dazu geführt, dass experimentell induzierte Schmerzen weniger unangenehm wahrgenommen werden als mit einem strengen Fischgeruch in der Nase [9].

Organisationen und Selbsthilfegruppen

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
    Postfach 91 01 52, D-51071 Köln
    Telefon: 0221-89920, Fax: 0221-8992300 E-Mail: poststelle@bzga.de, Internet: www.bzga.de
  • MigräneLiga e. V. Deutschland
    Unter der Ruth 9, 65462 Ginsheim-Gustavsburg
    Internet: www.migraeneliga-deutschland.de

Literatur

  1. Cerritelli F et al.: Clinical effectiveness of osteopathic treatment in chronic migraine: 3 armed Randomized Controlled Trial. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.ctim.2015.01.011
  2. Da Siva AN: Acupuncture for Migraine Prevention. Headache. 2015 Feb 16. doi: 10.1111/head.12525.
  3. Evans EW et al.: Dietary Intake Patterns and Diet Quality in a Nationally Representative Sample of Women With and Without Severe Headache or Migraine. Headache. 2015 Mar 11. doi: 10.1111/head.12527
  4. PraxisLeitlinie: DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz: Für eine Verbesserung in der Primärversorgung. DGS-2022
  5. Magis D, Sava S, D Elia TS, Baschi R, Schoenen J.: Safety and patients' satisfaction of transcutaneous Supraorbital NeuroStimulation (tSNS) with the Cefaly(R) device in headache treatment: a survey of 2,313 headache sufferers in the general population. J H. doi: 10.1186/1129-2377-14-95
  6. Schoenen J, Vandersmissen B, Jeangette S, Herroelen L, Vandenheede M, Gérard P, Magis D. Migraine prevention with a supraorbital transcutaneous stimulator: a randomized controlled trial. Neurology. 2013 Feb 19;80(8):697-704. doi: 10.1212/WNL.0b013e3182825055. Epub 2013 Feb 6.
  7. Kropp P et al.: Entspannungsverfahren und verhaltenstherapeutische Interventionen zur Behandlung der Migräne Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Relaxation therapy and cognitive behavioural therapy for treatment of migraine Nervenheilkunde 2016; 35: 502-515 eingegangen am: 10. April 2016 angenommen am: 21. April 2016
  8. Ling Zhao et al.: The Long-term Effect of Acupuncture for Migraine Prophylaxis A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. Published online February 20, 2017. doi:10.1001/jamainternmed.2016.9378
  9. Riello M et al.: Perception of phasic pain is modulated by smell and taste Eur J Pain 2019; 23: 1790-1800 https://doi.org/10.1002/ejp.1453
  10. Xu S et al.: Manual acupuncture versus sham acupuncture and usual care for prophylaxis of episodic migraine without aura: multicentre, randomised clinical trial. CCBYNC Open access Research Manual acupuncture versus sham acupuncture and usual care for prophylaxis of episodic migraine without aura: multicentre, randomised clinical trial BMJ 2020; 368 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m697
  11. Ramsden CE, Zamora D, Faurot KR et al.: Dietary alteration of n-3 and n-6 fatty acids for headache reduction in adults with migraine: randomized controlled trial. BMJ 2021; 374: n1448
  12. Woldeamanuel YW et al. What is the efficacy of aerobic exercise versus strength training in the treatment of migraine? A systematic review and network meta-analysis of clinical trials. J Headache Pain 2022;23:134; https://doi.org/10.1186/s10194-022-01503-y

Leitlinien

  1. PraxisLeitlinie: DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz: Für eine Verbesserung in der Primärversorgung. DGS-2022