Libidostörungen der Frau – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Libidostörungen der Frau dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie hormonelle Erkrankungen, die die Hormonproduktion oder -regulation betreffen? (z. B. Schilddrüsenerkrankungen, Morbus Addison, Hypophyseninsuffizienz, frühzeitige Menopause vor dem 45. Lebensjahr)
  • Sind bei weiblichen Familienangehörigen sexuelle Funktionsstörungen bekannt? (z. B. verminderte sexuelle Lust, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Vaginismus)
  • Liegen in Ihrer Familie psychische Erkrankungen vor, die Einfluss auf die Sexualität haben könnten? (z. B. Depressionen, Angststörungen, bipolare Störung)

Sozialanamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Empfinden Sie Ihre berufliche Tätigkeit als körperlich oder psychisch belastend?
    • Erleben Sie im beruflichen Alltag Stress, Leistungsdruck oder emotionale Erschöpfung, die sich auf Ihre Sexualität auswirken könnten?
    • Haben Sie Schichtarbeit oder unregelmäßige Arbeitszeiten, die Ihren Schlaf und Ihre Erholung beeinträchtigen?
  • Psychosoziale Situation:
    • Gibt es Konflikte oder Spannungen in Ihrer familiären Umgebung, die Ihre psychische Ausgeglichenheit oder Ihr sexuelles Wohlbefinden beeinflussen?
    • Übernehmen Sie aktuell eine hohe Pflege- oder Betreuungsverantwortung in der Familie?
    • Gibt es in Ihrem Umfeld z. B. finanzielle Sorgen, Isolation oder Beziehungsprobleme?
    • Haben Sie das Gefühl, dauerhaft erschöpft, überfordert oder emotional angespannt zu sein?
    • Haben Sie das Gefühl, sich in Ihrer aktuellen Lebenssituation nicht selbst entfalten oder Ihre Bedürfnisse nicht ausleben zu können?
    • Leiden Sie unter aktuellen psychischen Konflikten, Depressionen oder Angstzuständen? Psychische Faktoren spielen eine bedeutende Rolle bei sexuellen Funktionsstörungen.

Sexualanamnese

  • Partnerschaftliche Situation:
    • Besteht derzeit eine feste Partnerschaft? Wenn ja:
      • Handelt es sich um eine monogame Beziehung?
    • Oder bestehen offene Beziehungsformen oder Sexualkontakte außerhalb einer festen Partnerschaft?
    • Besteht sexueller Kontakt mit Männern, Frauen oder mit beiden Geschlechtern?
    • Wie ist die emotionale Bindung in Ihrer Partnerschaft?
    • Gibt es Zärtlichkeit, Nähe und gegenseitiges Vertrauen?
    • Gibt es in Ihrer Partnerschaft Konflikte oder belastende Themen, die Ihre Sexualität beeinflussen könnten?
    • Leidet Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin unter sexuellen Funktionsstörungen? (Hinweis: Männliche sexuelle Dysfunktionen wie Erektionsstörungen oder vorzeitiger Samenerguss können sich negativ auf das weibliche Lustempfinden auswirken.)
  • Relevante Beschwerden im Zusammenhang mit Sexualkontakten:
    • Siehe unter: Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
  • Kinderwunsch:
    • Besteht aktuell ein Kinderwunsch?
    • Besteht derzeit eine Schwangerschaft oder könnte eine vorliegen?
    • Gab es nach einer Geburt Veränderungen in Ihrer Sexualität (z. B. Rückgang der Lust, Schmerzen, hormonelle Veränderungen)?
  • Psychosexuelle Aspekte:
    • Wie sicher fühlen Sie sich in Ihrer sexuellen Orientierung?
    • Haben Sie von der Norm abweichende sexuelle Neigungen?
    • Haben Sie das Gefühl, Ihre Bedürfnisse in Ihrer Sexualität ausdrücken und leben zu können?
    • Gab es in Ihrer Vergangenheit negative sexuelle Erfahrungen, die Ihre Sexualität heute beeinträchtigen?
    • Gab es restriktive oder abwertende Haltungen zur weiblichen Sexualität in Ihrer Familie?
    • Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Ihren Eltern beschreiben? Gab es Ereignisse, die Ihre Einstellung zur Sexualität geprägt haben könnten?
    • Wurde in Ihrer Familie offen über das Thema Sexualität gesprochen oder war es eher tabuisiert?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Haben Sie eine Abnahme des sexuellen Interesses bemerkt? Seit wann besteht diese Veränderung?
  • Tritt die Lustlosigkeit in bestimmten Situationen, Orten oder mit bestimmten Partnern auf?
  • Ist Geschlechtsverkehr möglich? Empfinden Sie dabei Schmerzen oder Unbehagen?
  • Können Sie sexuelle Erregung verspüren? Tritt eine ausreichende Feuchtigkeit auf?
  • Wie oft hatten Sie früher Geschlechtsverkehr oder Masturbation (Selbstbefriedigung) im Vergleich zu heute?
  • Empfinden Sie bei der Selbstbefriedigung sexuelle Lust oder Erregung?
  • Fühlen Sie sich durch die verminderte sexuelle Lust beeinträchtigt oder belastet? Leidet Ihre Beziehung darunter?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Wann war Ihre letzte Menstruation? Gibt es Unregelmäßigkeiten oder Beschwerden?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen (können die Sexualfunktion beeinträchtigen):
    • Diabetes mellitus
    • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
    • Leber- oder Nierenerkrankungen
    • Schilddrüsenerkrankungen
    • Psychische Störungen?
  • Haben Sie operative Eingriffe, insbesondere im Beckenbereich, hinter sich? Beispielsweise kann die Entfernung beider Eierstöcke hormonelle Veränderungen und damit Libidostörungen verursachen.
  • Bestehen Allergien oder Unverträglichkeiten?
  • Haben Sie Kinder geboren? Gab es dabei Komplikationen oder Veränderungen in Ihrer Sexualität nach der Geburt?

Medikamentenanamnese

  • Amphetamine (Orgasmusstörung)
  • Anticholinergika (Erregungsstörung)
  • Antidepressiva 
    • Selektive Serotonin-Reupdate-Hemmer (Libido-, Erregungs- und Orgasmusstörung)
    • trizyklische Antidepressiva (Libido-, Erregungs- und Orgasmusstörung)
    • MAO-Inhibitoren (Orgasmusstörung)
    • Trazodon (Libidostörung)
    • Venlafaxin (Libidostörung)
  • Antipsychotika (Neuroleptika) (Libido- und Orgasmusstörung)
  • Babiturate (Libido-, Erregung- und Orgasmusstörung)
  • Benzodiazepine (Libido- und Erregungsstörung)
  • Chemotherapeutika (Libido- und Erregungsstörung)
  • Histamin-Rezeptorblocker
  • Hormone
    • Antiandrogenwirkende Medikamente – z. B. Cyproteron (Libido-, Erregungs- und Orgasmusstörung)
    • Antiöstrogene – Tamoxifen (Libido- und Erregungsstörung)
    • Aromatasehemmer (Libido- und Erregungsstörung)
    • GnRH-Agonisten (GnRH-Analoga) – z. B. Goserelin (Libido- und Erregungsstörung
    • Hormonelle Kontrazeptiva (Östrogene + Gestagen) → Konzentration von SHGB (Sexualhormon-bindendes Globulin) steigt und das frei verfügbare Testosteron sinkt ab, was mit einer abnehmenden Libido einhergehen kann.
    • Testosteronderivate – z. B. Danazol
  • Indometacin (Analgetikum) (Libidostörung)
  • Kardiovaskuläre/antihypertensive Medikamente, die mit Libidostörung einhergehen können: Betablocker, Clonidin (+ Erregungsstörung), Digoxin (+ Orgasmusstörung), Lipidsenker, Methyldopa, Spironolacton
  • Ketoconazol (Antimykotikum) (Libidostörung)
  • Lithium (Libido-, Erregungs- und Orgasmusstörung)
  • Phenytoin (Antikonvulsivum) (Libidostörung)
  • Sedativa (Orgasmusstörung)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.