Leichte kognitive Beeinträchtigung – Prävention
Zur Prävention der "leichten kognitiven Beeinträchtigung" muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
- Ernährung
- Mangelernährung – Mikronährstoffdefizite wie ein Mangel an Vitamin B12, Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure) oder Folsäure können das Risiko für MCI erhöhen.
- Hochkalorische Ernährung – Übermäßiger Konsum von Zucker und gesättigten Fettsäuren kann inflammatorische Prozesse fördern und die kognitive Funktion beeinträchtigen.
- Genussmittelkonsum
- Alkoholkonsum – Chronischer Konsum (> 20 g/Tag für Frauen, > 30 g/Tag für Männer) reduziert die Dichte der grauen Substanz, insbesondere im Hippocampus und in Teilen der Amygdala [7].
- Tabakkonsum (Rauchen) – Beeinträchtigt die vaskuläre Gesundheit und erhöht oxidative Schäden im Gehirn.
- Drogenkonsum
- Cannabis – Längerer Konsum kann kognitive Funktionen beeinträchtigen [5].
- Amphetamine und andere Stimulanzien – Erhöhen das Risiko für neurodegenerative Prozesse.
- Psycho-soziale Situation
- Stress – Chronische Belastungen wie beruflicher oder privater Stress fördern entzündliche und neurodegenerative Prozesse.
- Fernsehkonsum – Mehr als 3,5 Stunden täglich (> 50. Lebensjahr) korrelieren mit einer Reduktion des verbalen Gedächtnisses („TV-bedingte Demenz“) [8].
Medikamente
- S. u. Anamnese/Medikamentenanamnese
Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Blei
- Lösungsmittel-Enzephalopathie (Veränderungen des Gehirns durch Kontakt zu Lösungsmitteln) [3]:
- Benzol (z. B. enthalten in: Motorenbenzin)
- Chlorkohlenwasserstoffe (z. B. enthalten in: Lösungen zur Trockenreinigung, Reinigungsmitteln für Motoren sowie in Farb- und Fettentfernern)
- Lösungsmittel auf Petroleumbasis (z. B. enthalten in: Möbelpflegemitteln und Teppichklebern sowie Farben und Lacken)
- Benzol (z. B. enthalten in: Motorenbenzin)
- Medikamenten-induzierte Hyponatriämie (Natriummangel) etwa durch Diuretika (wassertreibende Mittel, welche die Bildung und Ausscheidung von Harn fördern), Antiepileptika oder gelegentlich durch ACE-Hemmer – dieses kann zu einer sekundären Demenz führen
- Perchloräthylen
- Quecksilber
- Schwermetallvergiftung (Arsen, Blei, Quecksilber, Thallium)
Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)
- Ernährung
- Mediterrane Kost (Risikoreduktion für leichte kognitive Störung, MCI) [1]
- Verzehr von Obst und Gemüse mit einem hohen Gehalt an Flavonoiden ist mit einem langsameren subjektiv erlebten kognitiven Abbau im Alter verbunden; stärkste Schutzwirkung gegen subjektive kognitive Störungen wurde gefunden bei [11]:
- Flavone (Odds-Ratio 0,62; 0,57 bis 0,68) [Sellerie, Pastinaken; Rosmarin, Thymian]
- Flavanone (Odds-Ratio 0,64; 0,58 bis 0,68) [Südfrüchte wie Orangen oder Grapefruit]
- Anthocyane (Odds-Ratio 0,76; 0,72 bis 0,84) [vor allem in Beeren]
- Genussmittelkonsum
- Alkoholkonsum: Leichter bis moderater Alkoholkonsum (maximal 8 Standarddrinks pro Woche für Frauen und 15 für Männer) geht mit einer verbesserten kognitiven Leistung im mittleren und höheren Alter einher [10].
- Kognitive Aktivitäten
- Bücherlesen, Arbeit am Computer: Risikoreduktion in Abhängigkeit vom Genotyp: Das höchste Risiko hatten APOE Ɛ4-Träger, die sich nicht entsprechend betätigten (MCI-Risiko: +74 %) [6]
- Körperliche Aktivität
- Regelmäßige körperliche Aktivität (Risikoreduktion um 22 Prozent) [1]
- Bei bewegungsarmen älteren Männern und Frauen hat ein 6-monatiges Sportprogramm (3-mal die Woche an einem 45-minütigen aeroben Training) und eine gesunde DASH-Diät ("Dietary Approaches to Stop Hypertension"; vermehrter Verzehr von Obst und Gemüse, Vollkornprodukten und fettarmen Milchprodukten; gemieden werden sollten fettes Fleisch und fettreiche Milchprodukte, gezuckerte Lebensmittel und salzreiche Speisen) die kognitiven Fähigkeiten deutlich verbessert: nach 6 Monaten Sport und Diät kam es zu einer „Verjüngungseffekt“ um 8,8 Jahre, d. h. Verbesserung des biologischen Alters, mit einem sehr breiten 95-%-Konfidenzintervall von 1,0 bis 18,7 Jahre. Kognitive Tests mit Schwerpunkt auf den exekutiven Funktionen zeigten eine Verbesserung [9].
- Lebensstilinterventionen aus gesunder Ernährung, sportlichen Übungen und einem kognitiven Gehirntraining verbesserten bei Senioren mit einem erhöhten Demenzrisiko die kognitiven Leistungen [4].
Sekundärprävention
Die Sekundärprävention bei leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) zielt darauf ab, das Fortschreiten der kognitiven Defizite frühzeitig zu erkennen und gezielt Maßnahmen einzuleiten.
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Früherkennung und Diagnostik
- Regelmäßige Screening-Untersuchungen: Einsatz validierter Testverfahren wie dem Montreal Cognitive Assessment (MoCA) oder der Mini-Mental-Status-Test (MMST) zur frühzeitigen Identifikation von MCI.
- Erweiterte Diagnostik: Neuropsychologische Tests, bildgebende Verfahren (MRT, FDG-PET) und Labordiagnostik zur Differentialdiagnose.
- Monitoring von Risikogruppen: Regelmäßige Untersuchungen bei Patienten mit genetischen Risikofaktoren (z. B. APOE ε4-Träger) oder vaskulären Vorerkrankungen.
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Therapieansätze
- Kognitive Trainingsprogramme: Zielgerichtete Übungen zur Förderung von Gedächtnisleistung und exekutiven Funktionen.
- Lebensstilinterventionen: Kombination aus mediterraner Ernährung, regelmäßiger körperlicher Aktivität und mentaler Stimulation.
- Medikamentöse Interventionen: Bei fortschreitenden Symptomen Überprüfung des Einsatzes von Cholinesterase-Hemmern oder anderen kognitionsfördernden Substanzen.
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Psychosoziale Unterstützung
- Beratung und Aufklärung: Patienten und Angehörige über die Erkrankung, Risikofaktoren und Behandlungsmöglichkeiten informieren.
- Psychotherapie: Förderung von Stressbewältigung und Umgang mit emotionalen Belastungen, die mit MCI einhergehen können.
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Risikofaktoren-Management
- Behandlung vaskulärer Risikofaktoren: Optimierung von Blutzucker, Blutdruck und Lipidwerten.
- Schlafhygiene: Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafqualität, um die kognitive Funktion zu unterstützen.
- Medikamentenanpassung: Überprüfung der Medikation auf potenziell kognitive Nebenwirkungen (z. B. Anticholinergika).
Tertiärprävention
Die Tertiärprävention bei leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) fokussiert sich darauf, das Fortschreiten der Symptome zu verzögern, die Lebensqualität zu erhalten und die Alltagskompetenz der Betroffenen zu unterstützen.
- Langzeittherapie
- Individuelle Therapiekonzepte: Entwicklung eines multimodalen Ansatzes aus kognitivem Training, psychosozialer Betreuung und medikamentöser Behandlung bei Bedarf.
- Medikamentöse Therapie bei Progression: Regelmäßige Überprüfung der Indikation für Cholinesterase-Hemmer oder andere therapeutische Optionen bei Verdacht auf Übergang in eine Demenz.
- Monitoring: Regelmäßige neuropsychologische Tests und Verlaufsuntersuchungen zur Anpassung der Therapie.
- Lebensstilinterventionen
- Ernährung: Umsetzung einer langfristigen mediterranen oder DASH-Diät, um entzündliche Prozesse zu reduzieren und die Gehirnleistung zu fördern.
- Körperliche Aktivität: Regelmäßige, moderate Bewegung wie Nordic Walking, Schwimmen oder Tanzen, um die Durchblutung des Gehirns zu verbessern.
- Mentale Stimulation: Fortsetzung kognitiver Trainingsprogramme und Förderung geistig anregender Aktivitäten wie Lesen, Musizieren oder dem Erlernen neuer Fähigkeiten.
- Psychosoziale Unterstützung
- Angehörigenschulung: Unterstützung von Bezugspersonen, um den Umgang mit den kognitiven Veränderungen zu erleichtern.
- Therapeutische Interventionen: Zugang zu Beratungsangeboten, Psychotherapie oder Selbsthilfegruppen, um emotionale Belastungen zu reduzieren.
- Assistive Technologien: Nutzung technischer Hilfsmittel wie Apps oder Erinnerungsgeräte zur Förderung der Selbstständigkeit im Alltag.
- Komorbiditätsmanagement
- Behandlung vaskulärer Risikofaktoren: Optimierung der Therapie bei Hypertonie, Diabetes mellitus und Dyslipidämie.
- Schlafhygiene: Interventionen zur Verbesserung der Schlafqualität, um kognitive Funktionen zu unterstützen.
- Sturzprävention: Maßnahmen zur Reduktion des Sturzrisikos, da Stürze mit einer Verschlechterung der kognitiven Funktionen assoziiert sind.
Literatur
- Etgen T, Sander D, Bickel H, Förstl H: Mild cogntive impairment and dementia: the importance of modifiable risk factors. Dstsch. Arztebl Int 2011:10(44): 743-50. doi: 10.3238/artebl.2011.0743
- Ryan J et al.: Impact of a premature menopause on cognitive function in later life. 7 MAY 2014 doi: 10.1111/1471-0528.12828
- Sabbath EL et al.: Time may not fully attenuate solvent-associated cognitive deficits in highly exposed workers. doi: 10.1212/WNL.0000000000000413 Neurology May 13, 2014 vol. 82 no. 19 1716-1723
- Tiia Ngandu, Jenni Lehtisalo, Alina Solomon, Esko Levälahti, Satu Ahtiluoto, Riitta Antikainen, Lars Bäckman, Tuomo Hänninen, Antti Jula, Tiina Laatikainen, Jaana Lindström, Francesca Mangialasche, Teemu Paajanen, Satu Pajala, Markku Peltonen, Rainer Rauramaa, Anna Stigsdotter-Neely, Timo Strandberg, Jaakko Tuomilehto, Hilkka Soininen, Miia Kivipelto: A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER): a randomised controlled trial. The Lancet, 2015; doi: 10.1016/S0140-6736(15)60461-5
- Auer R et al.: Association Between Lifetime Marijuana Use and Cognitive Function in Middle Age The Coronary Artery Risk Development in Young Adults (CARDIA) Study. JAMA Intern Med. Published online February 01, 2016. doi:10.1001/jamainternmed.2015.7841
- Krell-Roesch J et al.: Association Between Mentally Stimulating Activities in Late Life and the Outcome of Incident Mild Cognitive Impairment, With an Analysis of the APOE Ɛ4 Genotype. JAMA Neurol 2017, online 30. Januar; doi: 10.1001/jamaneurol.2016.3822
- Topiwala A et al.: Moderate alcohol consumption as risk factor for adverse brain outcomes and cognitive decline: longitudinal cohort study. BMJ 2017;357:j2353 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.j2353
- Fancourt D, Steptoe A: Television viewing and cognitive decline in older age: findings from the English Longitudinal Study of Ageing Scientific Reports volume 9, Article number: 2851 (2019)
- Blumenthal JA et al.: Lifestyle and neurocognition in older adults with cognitive impairments A randomized trial Neurology December 19, 2018, doi: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000006784
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- Yeh TS et al.: Long-term Dietary Flavonoid Intake and Subjective Cognitive Decline in US Men and Women Neurology July 28, 2021, DOI: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000012454