Leichte kognitive Beeinträchtigung – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der "leichten kognitiven Beeinträchtigung" dar.
Familienanamnese
- Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
- Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen, die häufig vorkommen?
- Gibt es in Ihrer Familie Erbkrankheiten?
Soziale Anamnese
- Welchen Beruf üben Sie aus?
- Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Belastungen aufgrund Ihrer familiären Situation?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden) [Eigen- bzw. Fremdanamnese]
- Wie lange bestehen diese Veränderungen schon?
- Haben die Einschränkungen akut begonnen oder hat es sich langsam entwickelt?
- Wie sind die Altersaktivitäten beeinträchtigt?
- leichte Altersaktivitäten?
- komplexe Altersaktivitäten (z. B. Regelung der Finanzen)?
- Wie stark sind die Alltagsaktivitäten beeinträchtigt?
- Wer nimmt die Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten wahr?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Trinken Sie vermehrt Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser davon pro Tag?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?
Eigenanamnese inkl. Medikamentenanamnese
- Vorerkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen; neurologische Erkrankungen)
- Operationen
- Strahlentherapie
- Impfstatus
- Allergien
- Umweltanamnese
- Medikamentenanamnese
Medikamentenanamnese
- ACE-Hemmstoffe
- Antiarrhythmika
- Antibiotika
- ß-Lactam-Antibiotika
- Fluorchinolone
- Penicillin in hohen Dosen
- Alphablocker
- Anticholinergika
- Antidepressiva
- Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
- Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
- Trizyklische Antidepressiva
- Antidiabetika, orale – die Hypoglykämien auslösen
- Antiepileptika, u. a. auch Phenytoin
- Antihypertonika
- Senioren, die im Alter > 85 Jahre noch Antihypertensiva einnahmen, hatten häufiger kognitive Einschränkungen und ein erhöhtes Mortalitätsrisiko; ein niedriger systolischer Blutdruck war auch mit einem beschleunigten kognitiven Abbau assoziiert [2].
- Antikonvulsiva
- Antivertiginosa
- Benzodiazepine – betrifft die Einnahme anxiolytischer Benzodiazepine (Alprazolam, Bromazepam, Chlordiazepoxid, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Oxazepam) [3]
- Betablocker
- Calciumantagonisten
- Digoxin
- Diuretika
- Glucocorticoide
- MAO-Hemmer
- Neuroleptika (D2-Antagonisten und Serotonin-Dopamin-Antagonisten)
- Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR)
- Nitrate und andere Vasodilatatanzien
- Lidocain
- Opiate/Opioid-Analgetika
- Parkinsonmittel, z. B. Bromocriptin, Amantadin
- Psychopharmaka
- Sedativa; dazu zählt vor allem Diazepam
- Sedierende H1-Antihistaminika
- Statine (Statine (Simvastatin, Atorvastatin; beide Wirkstoffe sind lipophil und überwinden die Blut-Hirn-Schranke): In einer Studie hatten Ärzte bei 3,03 % der Statin-Anwender im Verlauf der Therapie unterschiedliche Störungen des Gedächtnisses (von vereinzelten Gedächtnislücken bis zu einer retrograden Amnesie) angegeben. Bei 2,31 % der Nichtanwender von Statinen traten diese Störungen ebenfalls auf. Die adjustierte Odds Ratio betrug 1,23, die bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,18 bis 1,28 signifikant war. Dieses weist auf einen leichten Anstieg von Gedächtnisstörungen hin. Deutlicher war die Assoziation in den ersten 30 Tagen der Therapie (0,08 % der Statin-Anwender gegenüber 0,02 % der Nicht-Anwender) [1].
- Theophyllin
Hinweis
- Nach der Anamnese sollte ggf. ein neuropsychologischer Test durchgeführt werden:
- Montreal Cognitive Assessment (MoCA) mit maximal 30 Punkten bei normaler Kognition oder
- DemTect-Kurztest mit maximal 18 Punkten bei normaler Kognition
- Mini Mental State Examination (MMST) mit maximal 30 Punkten bei normaler Kognition [weniger geeignet]
- Hinweis: MoCA hat sich als sensitiver zur Aufdeckung milder kognitiver Defizite erwiesen als der MMSE. Der Test in Interviewform dauert ca. 10 bis 15 Minuten.
Literatur
- Strom BL et al.: Statin Therapy and Risk of Acute Memory Impairment. JAMA Intern Med. Published online June 08, 2015. doi:10.1001/jamainternmed.2015.2092
- Streit S et al.: Lower blood pressure during antihypertensive treatment is associated with higher all-cause mortality and accelerated cognitive decline in the oldest-old. Data from the Leiden 85-plus Study. Age and Ageing, Volume 47, Issue 4, 1 July 2018, Pages 545-550, https://doi.org/10.1093/ageing/afy072
- vom Hofe I: Benzodiazepine use in relation to long-term dementia risk and imaging markers of neurodegeneration: a population-based cohort study. Alzheimer's Association International Conference® (AAIC) 2023, 16.-20.07.2023, Amsterdam, Niederlande