Legasthenie – Einleitung

Bei der Legasthenie handelt es sich um eine Lese-Rechtschreibstörung (LRS). Die Legasthenie zählt zu den "umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten".

Synonyme und ICD 10: ICD-10-GM F81.0: Lese- und Rechtschreibstörung

Die Legasthenie ist eine der häufigsten Teilleistungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Weltweit leiden ca. 3-11 % der Kinder und Jugendlichen unter einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung (LRS) [1-3]

Formen der Legasthenie

  • Phonologische Dyslexie
    • Beschreibung: Schwierigkeiten beim Erkennen und Verarbeiten von Lauten und deren Zuordnung zu Buchstaben.
    • Charakteristika: Probleme beim Lautieren und Silbentrennen, häufiges Buchstabieren von Wörtern.
  • Oberflächen-Dyslexie
    • Beschreibung: Schwierigkeiten beim Erkennen von Wörtern als Ganzes.
    • Charakteristika: Gutes Lautieren, aber Probleme bei der Erkennung und Rechtschreibung von Wörtern, insbesondere bei unregelmäßig geschriebenen Wörtern.
  • Tiefendyslexie
    • Beschreibung: Kombination aus phonologischen und semantischen Fehlern.
    • Charakteristika: Schwierigkeiten beim Erkennen und Verstehen von Wörtern, häufiges Verwechseln von Wörtern, die ähnlich aussehen oder klingen.
  • Kombinierte Lese- und Rechtschreibstörung
    • Beschreibung: Sowohl Leseschwierigkeiten als auch Rechtschreibprobleme.
    • Charakteristika: Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens, Probleme beim Lesen von Texten und beim Schreiben von Wörtern korrekt.
  • Isolierte Lesestörung
    • Beschreibung: Probleme hauptsächlich beim Lesen.
    • Charakteristika: Schwierigkeiten beim Erkennen von Wörtern, langsames und ungenaues Lesen, jedoch normale Rechtschreibfähigkeiten.
  • Isolierte Rechtschreibstörung
    • Beschreibung: Probleme hauptsächlich beim Schreiben.
    • Charakteristika: Schwierigkeiten beim Schreiben von Wörtern korrekt, häufige Rechtschreibfehler, aber normale Lesefähigkeiten.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Jungen sind im Verhältnis 3:1 häufiger als Mädchen betroffen

Häufigkeitsgipfel: Die Legasthenie wird im Vorschul- bzw. im Grundschulalter am häufigsten diagnostiziert.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Kombinierte Lese- und Rechtschreibstörung: ca. 8 %
  • Isolierte Rechtschreibstörung: ca. 7 %
  • Isolierte Lesestörung: ca. 6 %
  • Bis zu 6,4 % der Erwachsenen in Deutschland erreichen nicht das Lese-/Rechtsschreibniveau von Viertklässlern.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Unterstützung und Schullaufbahn
    • Schüler mit Legasthenie werden aufgrund ihrer Rechtschreibstörung häufig unterschätzt, was zu Fehlentscheidungen über ihre Schullaufbahnen führen kann.
    • Fehlende oder unzureichende Unterstützung kann zu schulischen Misserfolgen führen.
  • Schulische und berufliche Auswirkungen
    • Betroffene haben häufig Schwierigkeiten, die schulischen Anforderungen zu erfüllen, was zu wiederholtem Sitzenbleiben oder Schulabbrüchen führen kann.
    • Aufgrund der schulischen Herausforderungen haben viele Betroffene ein niedrigeres Berufsausbildungsniveau, was zu einer erhöhten Arbeitslosenquote führt.
  • Psychosoziale Auswirkungen
    • Legasthenie kann zu einem verminderten Selbstwertgefühl und sozialen Rückzug führen.
    • Betroffene Kinder und Jugendliche können vermehrt unter Mobbing und Stigmatisierung leiden.
    • Emotionale und psychische Belastungen wie Angststörungen und depressive Symptome treten häufig auf.
  • Langfristige Entwicklung
    • Ohne angemessene Unterstützung und Intervention können die Schwierigkeiten bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben.
    • Viele Betroffene entwickeln Strategien, um ihre Schwächen zu kompensieren, was jedoch zusätzlichen Stress verursachen kann.

Prognose

  • Erfolgschancen durch Interventionen
    • Eine fachgerecht behandelte Legasthenie kann zu einer erfolgreichen schulischen Entwicklung und einer positiven Persönlichkeitsentwicklung beitragen.
    • Frühzeitige Diagnose und individuelle Fördermaßnahmen, wie spezielle Lese- und Rechtschreibprogramme, können die Prognose erheblich verbessern.
  • Langfristige Verbesserungen
    • Mit gezielter Unterstützung und angemessener Förderung können viele Betroffene ihre Lese- und Rechtschreibfähigkeiten deutlich verbessern.
    • Trotz fortbestehender Schwierigkeiten können Betroffene ihre schulischen und beruflichen Ziele erreichen und ein erfülltes Leben führen.
  • Rolle der Eltern und Lehrer
    • Die aktive Einbindung von Eltern und Lehrern in den Förderprozess ist entscheidend für den langfristigen Erfolg.
    • Verständnis und Unterstützung aus dem sozialen Umfeld tragen maßgeblich zur positiven Entwicklung bei.
  • Lebensqualität
    • Eine erfolgreiche Bewältigung der Legasthenie kann das Selbstwertgefühl stärken und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.
    • Langfristige psychologische Unterstützung kann helfen, emotionale und soziale Herausforderungen zu meistern.

Zusammenfassung

  • Die Prognose bei Legasthenie ist stark abhängig von der frühzeitigen Diagnose und der Qualität der unterstützenden Maßnahmen.
  • Mit gezielter und kontinuierlicher Förderung können Betroffene ihre Lese- und Rechtschreibfähigkeiten verbessern und eine positive schulische sowie berufliche Laufbahn einschlagen.

Komorbiditäten

  • Angststörungen: ca. 20 %
  • Depressive Symptome: ca. 40,5 %
  • Hyperkinetische Störung bzw. Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Literatur

  1. Moll K, Kunze S, Neuhoff N, Bruder J, Schulte-Körne G: Specific learning disorder: prevalence and gender differences. PloS One 2014; 9: e103537
  2. Katusic SK, Colligan RC, Barbaresi WJ, Schaid DJ, Jacobsen SJ: Incidence of reading disability in a population-based birth cohort, 1976-1982, Rochester, Minn. Mayo Clin Proc 2001; 76: 1081-92 
  3. Smythe I, Everatt J, Salter R: International book of dyslexia: a guide to practice and resources. Chichester: John Wiley & Sons 2004 

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugend-lichen mit Lese-und / oderRechtschreibstörung. (AWMF-Registernummer: 028 - 044), April 2015 Langfassung