Krämpfe und Spasmen der Muskulatur – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Muskelkrampfes, des Spasmus bzw. der Spastik dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen, die mit Muskelkrämpfen oder Spasmen in Verbindung stehen, z. B.:
- Neurologische Erkrankungen (z. B. Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Multiple Sklerose, spinale Muskelatrophie, hereditäre spastische Spinalparalyse, Restless-Legs-Syndrom, Dystonien (Bewegungsstörung mit unkontrollierten Muskelkrämpfen))?
- Muskelerkrankungen (z. B. metabolische Myopathien (Muskelerkrankungen), Myotonien (Muskelerkrankungen mit verzögerter Muskelentspannung), Brody-Syndrom, Muskeldystrophien (fortschreitender Muskelschwund))?
- Stoffwechselerkrankungen (z. B. Hypocalcämie (erniedrigte Calciumwerte im Blut), Hypoparathyreoidismus, Morbus Addison, Schilddrüsenfunktionsstörungen)?
- Gefäßerkrankungen (z. B. arterielle Durchblutungsstörungen, venöse Insuffizienz)?
- Autoimmunerkrankungen (z. B. Myasthenia gravis, Autoimmunthyreoiditis, Lupus erythematodes)?
Soziale Anamnese
- Beruf:
- Welchen Beruf üben Sie aus?
- Besteht eine körperliche Belastung oder einseitige Muskelbeanspruchung?
- Arbeiten Sie in einem Umfeld mit toxischen Stoffen oder Schwermetallen (z. B. Industriechemikalien, Pestizide, Lösungsmittel)?
- Haben Sie körperlich anstrengende Hobbys oder Tätigkeiten?
- Gibt es Hinweise auf chronischen Stress oder emotionale Belastung?
Aktuelle Anamnese / Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Welche Symptome haben Sie bemerkt?
- Muskelkrämpfe (Waden, Oberschenkel, Hände, Füße, Gesicht, Rücken)?
- Muskelsteifigkeit oder Spastik (krankhafte Erhöhung der Muskelspannung)?
- feine Muskelzuckungen unter der Haut?
- Schmerzen in den betroffenen Muskelgruppen?
- Sensibilitätsstörungen (z. B. Kribbeln, Taubheitsgefühl, elektrische Missempfindungen)?
- Seit wann bestehen die Beschwerden?
- Wie oft treten die Muskelkrämpfe oder Spasmen auf?
- sporadisch oder täglich?
- in Ruhe oder nur bei Bewegung?
- nächtlich oder tagsüber?
- Gab es ein auslösendes Ereignis?
- Unfall, Sturz, Infektion oder Fieber?
- Medikamentenumstellung oder neue Therapie?
- Bestehen begleitende Symptome?
- Kopfschmerzen?
- Schwindel?*
- Sehstörungen?*
- Muskelzittern?
- Gangunsicherheit?*
- unwillkürliche Bewegungen?*
- Schluck- oder Sprachstörungen?*
- Atemprobleme oder Brustenge?*
- Haben Sie Veränderungen beim Wasserlassen oder Stuhlgang bemerkt?
- Harnverhalt oder Inkontinenz?
- Verstopfung oder Durchfall?
- Differentialdiagnostische Fragen:
- Neurologische Erkrankungen:
- Haben Sie unwillkürliche Muskelkontraktionen (Dystonien, Tremor, Neuromyotonie (unkontrollierbare Muskelverkrampfungen und Muskelsteifigkeit))?
- Haben Sie spastische Tonuserhöhungen oder Lähmungen?
- Gibt es Symptome eines Apoplex (Schlaganfall) oder einer Hirnschädigung (z. B. Hypoxie (Sauerstoffmangel), Trauma)?
- Stoffwechselerkrankungen:
- Leiden Sie unter häufigem Durst, vermehrtem Wasserlassen oder unerklärlichem Gewichtsverlust (Diabetes mellitus, Nebenniereninsuffizienz, Schilddrüsenerkrankung)?
- Hatten Sie Mangelernährung oder auffällige Laborwerte (Hypocalcämie (erniedrigte Calciumwerte im Blut), Hypomagnesiämie (erniedrigte Magnesiumwerte im Blut), Hyponatriämie (erniedrigte Natriumwerte im Blut), Phosphofruktokinase-Mangel)?
- Infektionskrankheiten:
- Haben Sie Symptome eines Tetanus (schmerzhafte Muskelkrämpfe, Kiefersperre)?
- Hatten Sie in letzter Zeit eine schwere bakterielle oder virale Infektion?
- Gefäßbedingte Erkrankungen:
- Bestehen Durchblutungsstörungen oder Kribbeln in den Beinen?
- Haben Sie Schwellungen, Schmerzen oder Rötungen an den Extremitäten (Thrombose, Ödeme (Wassereinlagerungen))?
- Neurologische Erkrankungen:
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Ernähren Sie sich ausgewogen?
- Nehmen Sie regelmäßig Magnesium, Kalium und Calcium über die Nahrung auf?
- Besteht ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel (z. B. Vitamin D, B12, Folsäure, Eisen)?
- Wie ist Ihr Flüssigkeitshaushalt?
- Trinken Sie täglich ausreichend?
- Treten Ihre Krämpfe vermehrt bei Dehydratation auf?
- Treiben Sie regelmäßig Sport? Falls ja, welche Sportart und wie häufig?
- Trinken Sie gerne Kaffee, schwarzen oder grünen Tee? Wenn ja, wie viele Tassen pro Tag
- Trinken Sie andere bzw. weitere koffeinhaltige Getränke? Wenn ja, wie viel jeweils davon?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
Eigenanamnese inkl. Medikamentenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen)?
- Leber- oder Nierenerkrankungen (Leberzirrhose (Leberschrumpfung), chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche), Urämie (Harnvergiftung (Ansammlung giftiger Stoffwechselprodukte im Blut bei Nierenversagen)))?
- Rheumatische oder autoimmune Erkrankungen (Lupus erythematodes, Multiple Sklerose)?
- Neurologische Erkrankungen (Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Morbus Parkinson, Restless-Legs-Syndrom, Radikulopathie (Nervenwurzelreizung oder -schädigung; oft durch eingeklemmte Nerven in der Wirbelsäule, z. B. bei Bandscheibenvorfällen))?
- Wurden bei Ihnen Operationen durchgeführt?
- Bandscheibenoperationen oder orthopädische Eingriffe?
- Eingriffe im Bereich des Gehirns oder Rückenmarks?
Medikamentenanamnese (wg. Muskelkrämpfe)
- α4β7-Integrin-Antagonist (Vedolizumab)
- Acetylcholinesterasehemmer (Donezepil, Galantamin, Rivastigmin)
- Antidepressiva (Citalopram, Fluoxetin, Sertralin, Lithium)
- Betablocker mit intrinsischer sympathomimetischer Aktivität (ISA): Bezeichnung für die stimulierende Wirkung einiger β-Rezeptorblocker, wie z. B. Celiprolol oder Pindolol, auf die von ihnen besetzten Rezeptoren.
- Betasympathomimetika (z. B. Salbutamol)
- Bromocriptin (Dopamin-D2-Agonist)
- Bupropion (Amphetamin)
- Calcimimetikum (Etelcalcetid)
- Calciuman (Antihistaminikum)
- Calciumantagonisten
- Celecoxib (selektiver COX-2-Hemmer)
- Chinidin (Antiarrhythmikum)
- Cholinergika (Parasympathomimetika) – wie z. B. Carbachol, Neostigmin, Pyridostigmin
- Ciprofloxacin (Antibiotikum aus der Gruppe der Fluorchinolone)
- Clofibrinsäurederivate (Lipidsenker)
- Diuretika (Entwässerungsmittel)
- Eisen i. v.
- Hormone
- konjugierte Östrogene
- Parathormon-Analogon (Teriparatid)
- Raloxifen (Arzneistoff aus der Gruppe der synthetischen, nichtsteroidalen, selektiven Estrogen-Rezeptor-Modulatoren)
- Pregabalin (Antiepileptikum)
- Statine (Lipidsenker)
- Telmisartan (Arzneistoff aus der Gruppe der selektiven AT1-Antagonisten)
- Vedolizumab (monoklonaler Antikörper aus der Gruppe der Integrin-Antagonisten)
- Vismodegib und Sonidegib (Hedgehog-Signalweg-Inhibitoren)
- Tyrosinkinaseinhibitoren (TKi) – Imatinab, Neratinib
Umweltanamnese
- Gibt es Umweltfaktoren, die Ihre Symptome verschlechtern (z. B. Hitzebelastung, Kälteexposition, Luftverschmutzung, Schlafmangel)?
- Gibt es Hinweise auf eine Strychninvergiftung oder eine Exposition mit toxischen Substanzen?
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.