Karpaltunnelsyndrom – Körperliche Untersuchung
Eine umfassende klinische Untersuchung ist die Grundlage für die Auswahl der weiteren diagnostischen Schritte:
- Allgemeine körperliche Untersuchung – inklusive Blutdruck, Puls, Körpergewicht, Körpergröße; des Weiteren:
- Inspektion (Betrachtung)
- Haut und Schleimhäute
- Hand [Atrophie (Gewebsschwund) der Thenarmuskulsatur/Daumenballenmuskulator sowie Sensibilitätsstörungen (der Hohlhand/handfläche und Finger 1-3 inkl. der radialen Seite des 4. Fingers)
Haut-/Nagelveränderungen (selten)]
- Inspektion (Betrachtung)
- Funktionsteste:
- Flaschenzeichen – Abduktion (Abspreizen) des Daumens abgeschwächt, d. h. es besteht eine Unfähigkeit der Hand eine Flasche (ohne Zwischenraum zwischen Daumen-Zeigefinger-Interdigitalfalte und Flasche) zu umschließen
- Hoffman-Tinel-Zeichen – Auslösen von Parästhesien (der Patient berichtet von elektrisierenden Nervenschmerzen) beim Beklopfen des Nervus medianus in Höhe des Handgelenkes, d. h. der volaren (innengelegenen) Seite des Handgelenks
- Phalen-Test (Palmarflexionstest; Handbeuge-Test) – bei längerdauernder (30 bis 120 s) endgradiger Handflexion (Handbeugung) kommt es zu Dysästhesien (Empfindungstörungen) im Versorgungsbereich des Nervus medianus [als Screeningmethode einer beginnenden Medianuskompression unzuverlässig]
- Kompressionstest bei gebeugtem Handgelenk – Druckausübung auf den Nervus medianus mittels zwei Fingern und gleichzeitiges Beugen des Handgelenks um 60°, dabei ist der Ellenbogen gestreckt und der Unterarm wird in Supination (Auswärtsdrehung der Hand durch Rotation des Unterarmes) gehalten: bei positivem Test werden Parästhesien im Innervationsgebiet des Nervus medianus angegeben; Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Verfahrens erkannt wird, d. h. ein positiver Befund auftritt) 82 %, Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) 99 % [1]
- Neurologische Untersuchung [wg. möglicher Folgeerkrankungen: Paresen (Lähmungen)/Parästhesien (Sensibilitätsstörungen) der Hand; im Frühstadium meistens unauffällig]
"Carpal Tunnel Syndrome 6" (CTS-6) [Goldstandard in der klinischen Diagnostik]
Symptome | Punkte |
Parästhesien (Taubheitsgefühl) überwiegend im Gebiet des Nervus medianus | 3,5 |
Atrophie (Gewebsschwund) und/oder Schwäche des Thenars (Daumenballen) | 5 |
Nächtliche Taubheit | 4 |
Positives Phalen-Zeichen (s. o.) | 5 |
Diskriminationsverlust/Wahrnehmungsverlust in den vom Nervus medianus innervierten Fingern, wobei zwei Punktreize im Abstand von 5 mm nicht mehr unterschieden werden können | 4,5 |
Positives Hoffmann-Tinel-Zeichen (s. o.) |
4 |
Beurteilung: Als Schwelle zur Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms gilt ein CTS-6-Punktwert von 12.
Cave (Achtung): Der CTS-6 kann bei zervikaler Radikulopathie (Reizung oder Schädigung der Nervenwurzeln (Radikulopathie) im Bereich der Halswirbelsäule) oder peripherer Neuropathie (Nervenerkrankung des peripheren Nervensystems) falsch positiv ausfallen.
Literatur
- Chammas M, Boretto J, Burmann LM, Ramos RM, Dos Santos Neto FC, Silva JB: Carpal tunnel syndrome – Part I (anatomy, physiology, etiology and diagnosis). Rev Bras Ortop. 2014 Aug 20;49(5):429-36. doi: 10.1016/j.rboe.2014.08.001. eCollection 2014 Sep-Oct.