Hyperventilation – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Hyperventilation ist eine Übersteigerung der Atmung über den eigentlichen Bedarf des Körpers hinaus. Dabei kommt es zu einem ungleichmäßigen Gasaustausch in der Lunge, der sich hauptsächlich durch folgende pathophysiologische Mechanismen auszeichnet:
Senkung des Kohlendioxid-Partialdrucks (Hypokapnie)
Durch die gesteigerte Atmung wird mehr Kohlendioxid (CO₂) abgeatmet, als der Körper produziert. Dies führt zu einem Abfall des Kohlendioxid-Partialdrucks im Blut (Hypokapnie). Da Kohlendioxid als schwache Säure im Blut fungiert, hat dieser Abfall erhebliche Auswirkungen auf das Säure-Basen-Gleichgewicht.
Erhöhung des pH-Werts (respiratorische Alkalose)
Durch den Abfall von CO₂ wird das Blut alkalischer, da weniger Kohlendioxid im Blut gelöst ist, was die Bikarbonat-Pufferkapazität im Blut beeinflusst. Infolgedessen kommt es zu einem Anstieg des pH-Werts des Blutes, was als respiratorische (atmungsbedingte) Alkalose bezeichnet wird. Der normale pH-Wert des Blutes liegt bei etwa 7,35-7,45, und jede Verschiebung darüber hinaus verursacht eine Alkalose.
Klinische Auswirkungen der Hypokapnie und Alkalose
Die respiratorische Alkalose und die daraus resultierende Hypokapnie haben weitreichende Auswirkungen auf den Körper:
- Vasokonstriktion der Hirngefäße: Der niedrige Kohlendioxidspiegel führt zu einer Verengung der Blutgefäße im Gehirn, was die Sauerstoffversorgung des Gehirns verringern kann. Dies kann zu Symptomen wie Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen und sogar Bewusstlosigkeit führen.
- Tetanie: Der Anstieg des pH-Werts beeinflusst die Calciumionenkonzentration im Blut, was zu einer gesteigerten Erregbarkeit der Nerven und Muskelkrämpfen (Tetanie) führen kann. Typische Symptome sind Kribbeln in den Händen, Füßen und im Gesicht sowie Muskelsteifigkeit.
- Herz-Kreislauf-Symptome: Durch die veränderte Sauerstoff- und Kohlendioxidversorgung des Blutes kann es zu Palpitationen (Herzklopfen), Herzrhythmusstörungen oder sogar Thoraxschmerzen (Brustschmerzen) kommen.
Auslöser und psychogene Faktoren
In vielen Fällen ist die Hyperventilation eine Folge von Stress oder Angstzuständen. In solchen Fällen reagiert das autonome Nervensystem auf Stressreize, was eine Erhöhung der Atemfrequenz auslöst. Obwohl der Sauerstoffbedarf des Körpers unverändert bleibt, führt die überschießende Atemreaktion zur pathophysiologischen Kaskade, die mit Hypokapnie und Alkalose verbunden ist.
Zusammenfassung
Die Pathogenese der Hyperventilation beruht auf einer übermäßigen Atmung, die zu einem Abfall des Kohlendioxid-Partialdrucks im Blut (Hypokapnie) führt. Dies verursacht eine respiratorische Alkalose, die den pH-Wert des Blutes ansteigen lässt. Die damit verbundenen Symptome sind auf die Vasokonstriktion der Hirngefäße, Veränderungen im Calciumhaushalt und eine Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung des Gewebes zurückzuführen.
Ätiologie (Ursachen)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Hypoglykämie (Unterzuckerung) – Eine unausgewogene Ernährung kann zu niedrigen Blutzuckerwerten führen, die Angst und Hyperventilation begünstigen.
- Genussmittelkonsum
- Alkohol – Akuter oder chronischer Konsum kann Angstzustände fördern, die zu Hyperventilation führen.
- Tabak (Nikotin) – Nikotin kann das Nervensystem überstimulieren und zur Atembeschleunigung beitragen.
- Koffeinkonsum – Übermäßige Aufnahme von Kaffee oder koffeinhaltigen Getränken kann das Nervensystem stimulieren und Atembeschwerden verstärken.
- Drogenkonsum
- Stimulanzien (z. B. Amphetamine, Kokain) – Übermäßige Stimulation des sympathischen Nervensystems führt zu erhöhter Atemfrequenz.
- Psycho-soziale Situation
- Aggression – Erhöhte emotionale Reizbarkeit kann zu unkontrollierter Atmung führen.
- Angst – Angstzustände und Panikattacken sind Hauptauslöser für willkürliche Hyperventilation.
- Aufregung – Übererregung des Nervensystems kann die Atemfrequenz beschleunigen.
- Panik – Panikattacken führen häufig zu akuter Hyperventilation.
- Stress – Chronischer Stress erhöht die Anfälligkeit für Fehlatmung und Hyperventilation.
- Körperliche Faktoren
- Muskuläre Fehlbelastung – Verspannungen der Atemmuskulatur können zu unphysiologischer Atmung führen.
- Falsche Atemtechniken – Zu schnelles, flaches Atmen (Brustatmung statt Zwerchfellatmung) fördert Hyperventilation.
Krankheitsbedingte Ursachen
Atmungssystem (J00-J99)
- Lungenerkrankungen, nicht näher bezeichnet
- Hypoxie (Sauerstoffmangel)
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Hypocalcämie (Calciummangel)
- Hypomagnesiämie (Magnesiummangel)
- Metabolische Azidose ‒ stoffwechselbedingte Übersäuerung des Blutes
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Coma hepaticum (Leberkoma)
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Angst
- Aufregung
- Aggression
- Depression
- Enzephalitis (Gehirnentzündung) und andere zerebrale Störungen, nicht näher bezeichnet
- Panik
- Stress
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Fieber, hohes
- Septischer Schock ‒ kritisches Stadium der Sepsis (Blutvergiftung), die mit schweren Organfunktionsstörungen einhergeht
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Schädel-Hirn-Trauma (SHT), nicht näher bezeichnet
Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Salicylatintoxikation ‒ Vergiftung mit dem Salz der Salicylsäure (Acetylsalicylsäure)