Hirntumoren – Medikamentöse Therapie

Nachfolgend wird nur im Kurzüberblick auf die unterschiedlichen Pharmakotherapieformen der Hirntumoren eingegangen, des Weiteren auf die symptomatische Therapie des Hirnödems (Hirnschwellung) bzw. die Analgesie (Schmerzlinderung).

Therapieziele

  • Schmerzlinderung
  • Behandlung des Hirnödems

Therapieempfehlungen

  • Bei Hirnödem: Dexamethason (Glucocorticoide), Mittel der ersten Wahl; zusätzlich kann Mannitol (Diuretikum/entwässerndes Arzneimittel) eingesetzt werden
  • Analgesie gemäß WHO-Stufenschema (siehe unter "Chronische Schmerzen"):
    • Nicht-Opioidanalgetikum (Paracetamol, Mittel der ersten Wahl bei Kopfschmerzen; alternativ: Indometacin hat neben einem analgetischen Effekt auch eine Wirkung auf den Hirndruck [1])
    • Niederpotentes Opioidanalgetikum (z. B. Tramadol) + Nicht-Opioidanalgetikum
    • Hochpotentes Opioidanalgetikum (z. B. Morphin) + Nicht-Opioidanalgetikum

Pharmakotherapie in der Neuroonkologie

Indikationen  Wirkstoffe  Applikationsmodus Wirkmechanismus
Gliome          

 

 

Erstlinientherapie von Gliomen umfasst eine Abfolge aus Resektion, Radiotherapie sowie alkylierender Chemotherapie
Nitrosoharnstoffe (Alkylanzien)   DNA-Alkylierung

Temozolomid (TMZ; Standardtherapeutikum)

auch in der Kombination aus Procarbazin, Lomustin (CCNU) und Vincristin (sogenanntes PCV-Schema)

Hinweis: Nach den Ergebnissen der EORTC-22033-Studie („European Organization for Research and Treatment of Cancer“) fanden sich beim Vergleich einer Chemotherapie mit Temozolomid und der Radiotherapie hinsichtlich des Gesamt- sowie progressionsfreien Überlebens keine Unterschiede.

Beachte: Arzneimittelreaktion mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS)

p.o. DNA-Methylierung
Procarbazin p.o. DNA-Methylierung
Topotecan, Irinotecan i.v. Topoisomerase-I-Hemmung
Etoposid p.o., i.v. Topoisomerase-II-Hemmung
Vincristin i.v. Mitosehemmung
Imatinib, Gefitinib, Erlotinib; Lapatinib u. a. p.o. Hemmung der Signaltransduktion über Tyrosinkinaserezeptoren
Lorlatinib (Einzelfall [9]) p. o. ALK-Hemmer

Sirolimus (Rapamycin) (oral)/Temsirolimus (i.v.)

Everolimus

p.o./i.v.

p.o.

mTOR-Hemmung
Vemurafenib, Dabrafenib p.o. BRAF-Inhibition (bei Vorliegen einer V600E-Mutation)
Ipilimumab (experimentell) i.v. CTLA-4-Inhibition
Nivolumab, Pembrolizumab (experimentell) i.v. PD-1-Inhibition
Weitere Therapien sind Immuntherapien mit CheckpointinhibitorenTumorvakzine, die Therapie mit T-Zellen und onkolytischen Viren.
Glioblastome Rindopepimut (experimentell) Intradermal EGFRvIII-Vakzine
Nivolumab (beim Rezidiv)  i.v. PD-1-Inhibition
Kombinierte Chemotherapie mit Temozolomid und Lomustin   Patienten in gutem Gesundheitszustand, bei denen der Promotor des MGMT-Gens methyliert ist (und die Expression des DNA-Reparaturenzyms damit reduziert)

Bei Glioblastom-Rückfällen verlängert die Kombinationstherapie mit Lomustin und dem Angiogenesehemmer Bevacizumab das progressionsfreie, nicht aber das Gesamtüberleben.
Patienten mit Glioblastomrezidiv sollten zur Evaluation einer zielgerichteten Therapie (→ xxx) auf genetische Veränderungen wie BRAF-Mutationen (→ Dabrafenib und Trametinib) oder NTRK-Gen-Fusionen (→ Larotrectinib oder Entrectinib) untersucht werden.
Hirnmetastasen    Imatinib, Gefitinib, Erlotinib; Lapatinib u. a. p.o. Hemmung der Signaltransduktion über Tyrosinkinaserezeptoren
Vemurafenib, Dabrafenib p.o. BRAF-Inhibition (bei Vorliegen einer V600E-Mutation)
Sorafenib, Sunitinib u. a. (experimentell) p.o. Hemmung der Signaltransduktion (verschiedene Rezeptortyrosinkinasen)
Ipilimumab i.v. CTLA-4-Inhibition
Nivolumab, Pembrolizumab i.v. PD-1-Inhibition
Medulloblastome Vincristin i.v. Mitosehemmung
Medulloblastome vom SHH-Typ Vismodegib p.o. SMO-Hemmung
Metastasen Topotecan, Irinotecan i.v. Topoisomerase-I-Hemmung
Subependymale Riesenzellastrozytome

Rapamycin (oral)/Temsirolimus (i.v.)

Everolimus

p.o./i.v.

p.o.

mTOR-Hemmung

Legende

  • BRAF = "v-raf murine sarcoma viral oncogene homolog B2"
  • CTLA-4 = "cytotoxic T lymphocyte-associated protein 4"
  • EGFR Rezeptor des epidermalen Wachstumsfaktors
  • mTOR = "mechanistic target of rapamycin"
  • PD-1 = "programmed cell death protein 1"
  • SHH = "sonic hedgehog"
  • SMO = "smoothened receptor"
  • VEGF = "vascular endothelial growth factor"

Weitere Hinweise

  • Niedriggradige Gliome (5-10 % aller Hirntumoren): Deutliche Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit von Patienten mit zusätzlicher Chemotherapie (PCV-Chemotherapie), die nach der Operation bereits eine Radiotherapie erhalten haben. Ohne Chemotherapie kam es nach durchschnittlich 4,0 Jahren zum erneuten Tumorwachstum, bei Patienten mit Chemotherapie war dies erst nach 10,4 Jahren der Fall: Patienten mit alleiniger Radiotherapie überlebten 7,8 Jahre und mit zusätzlicher Chemotherapie 13,3 Jahre [2].
  • Eine CAR-T-Zelltherapie* (T-Zellen des Patienten werden außerhalb des Körpers "umprogrammiert" indem diesen das Gen für das CAR-Molekül "eingepflanzt" wird) hat bei einem Patienten mit rezidiviertem und multifokalem Glioblastom seit 298 Tagen eine Remission bewirkt [3].

*CAR-T-Zelltherapie ("chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen"): Patienteneigene T-Zellen werden außerhalb des Körpers (ex vivo) auf genetischer Ebene mit chimären Antigenrezeptoren („chimeric antigen receptor“, CAR) ausgestattet und so spezifisch auf den Krebs ausgerichtet. Anschließend werden diese Zellen in den Körper reinfundiert. Sie binden sich dann an die entsprechenden Tumormerkmale auf den Lymphomzellen und führen zu einer anhaltenden Immunreaktion durch Freisetzung von Chemokinen, Zytokinen und lytische Molekülen.

Nebenwirkungen: Durch die Freisetzung der zuvor genannten körpereigenen Botenstoffe (Zytokinsturm) kann es zu hohem Fieber und lebensbedrohlichen Organschäden kommen; weitere mögliche Nebenwirkung sind Tumorlysesyndrom (TLS; lebensbedrohende Stoffwechselentgleisung, die bei der plötzlichen Zerstörung einer größeren Anzahl von Tumorzellen auftreten kann) und Neurotoxizität (Eigenschaft einer Substanz, schädigend auf Nervengewebe zu wirken).

Literatur

  1. Roberts RG, Redman JW: Indomethacin-a review of its role in the management of traumatic brain injury. Crit Care Resusc. 2002;4(4):271-80.
  2. Buckner JC et al.: Radiation plus Procarbazine, CCNU, and Vincristine in Low-Grade Glioma. N Engl J Med 2016; 374:1344-1355April 7, 2016, doi: 10.1056/NEJMoa1500925
  3. Brown CE et al.: Regression of Glioblastoma after Chimeric Antigen Receptor T-Cell Therapy. N Engl J Med 2016; 375:2561-2569 December 29, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1610497

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Primäre ZNS-Lymphome (PZNSL). (AWMF-Registernummer: 030 - 059), Juli 2014 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Gliome. (AWMF-Registernummer: 030 - 099), Februar 2021 Langfassung