Gesichtsschmerzen – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Gesichtsschmerzen können vielfältige Ursachen haben (s. u. Differentialdiagnosen).

Der anhaltende idiopathische Gesichtsschmerz (IHS 13184) muss folgende Kriterien erfüllen:

  • A. Der Gesichtsschmerz, der die Kriterien B und C erfüllt, ist täglich und über den größten Teil des Tages hinweg vorhanden.
  • B. Anfangs ist der Gesichtsschmerz auf eine umschriebene Region einer Gesichtshälfte beschränkt, sitzt tief und ist schlecht lokalisierbar.
  • C. Der Schmerz ist nicht begleitet von einem sensiblen Defizit oder anderen körperlichen Befunden
  • D. Untersuchungen einschließlich Röntgenaufnahmen des Gesichts und des Kiefers zeigen keine relevanten pathologischen (krankhaften) Befunde.

Der anhaltende idiopathische Gesichtsschmerz (auch atypischer Gesichtsschmerz genannt) ist eine chronische Schmerzstörung im Gesicht, die ohne erkennbare organische Ursache auftritt. Die genaue Pathogenese (Krankheitsentstehung) ist noch nicht vollständig geklärt, jedoch gibt es mehrere Erklärungsansätze für die Entstehung der Schmerzen.

Dysfunktionale Schmerzverarbeitung (fehlerhafte Schmerzverarbeitung)

Ein häufig diskutierter Mechanismus ist eine Dysregulation des zentralen Schmerzverarbeitungssystems (Fehlfunktion des Systems zur Schmerzverarbeitung im Gehirn). Normalerweise werden sensorische Reize über die trigeminovaskulären Bahnen (Nervenbahnen, die das Gesicht versorgen) weitergeleitet. Bei Patienten mit idiopathischen Gesichtsschmerzen kann es zu einer Übererregbarkeit dieser Bahnen kommen, wodurch Schmerzen empfunden werden, ohne dass eine Schädigung vorliegt.

Zentrale Sensibilisierung 

Ein weiterer Mechanismus ist die zentrale Sensibilisierung (Erhöhung der Empfindlichkeit im Gehirn und Rückenmark). Bei dieser Störung reagiert das Zentrale Nervensystem (ZNS) (Gehirn und Rückenmark) auf normale Reize übermäßig stark. Durch wiederholte Reize kommt es zu einer Überempfindlichkeit in den betroffenen Nervenbahnen, wodurch Schmerzen entstehen, obwohl keine klare Ursache oder Verletzung erkennbar ist.

Störung der endogenen Schmerzmodulation 

Normalerweise gibt es im Gehirn Mechanismen, die Schmerzsignale modulieren (regulieren) und dämpfen. Bei Patienten mit idiopathischem Gesichtsschmerz könnte dieses absteigende Hemmungssystem (Schmerzhemmungssystem) gestört sein. Dies führt dazu, dass Schmerzen intensiver empfunden werden, da die natürliche Schmerzhemmung im Körper nicht richtig funktioniert.

Psychogene Einflüsse 

Psychische Faktoren wie Stress, Angst oder Depression können eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Verstärkung des anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerzes spielen. Diese Faktoren beeinflussen die Schmerzverarbeitung im Gehirn und können den Schmerz verstärken, auch wenn keine körperliche Ursache vorhanden ist.

Fehlinterpretation sensorischer Reize 

Es wird angenommen, dass bei betroffenen Patienten eine Fehlinterpretation von sensorischen Reizen (falsche Wahrnehmung von Berührungen oder Druck) im Gesicht auftritt. Normale Reize wie Berührungen oder Druck werden als schmerzhaft empfunden (Allodynie – Schmerzempfindung auf harmlose Reize), obwohl keine tatsächliche Schädigung vorliegt. Diese Fehlinterpretation könnte durch Veränderungen in der Verarbeitung sensorischer Signale (Wahrnehmung von Reizen) im Gehirn verursacht werden.

Periphere Mechanismen 

Obwohl bei den meisten Patienten keine offensichtliche Verletzung der Nerven vorliegt, könnten dennoch Mikroverletzungen (kleine Verletzungen) oder Entzündungen in den peripheren Nerven (Nerven außerhalb des Gehirns) zu der Schmerzwahrnehmung beitragen. Solche minimalen Veränderungen könnten den Nerv reizen und die Entstehung von Schmerzen begünstigen.

Zusammenfassung

Die Pathogenese des anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerzes beruht auf einer Fehlfunktion des Nervensystems (Störung der Schmerzverarbeitung im Gehirn) ohne klare körperliche Ursache. Eine Überempfindlichkeit im Nervensystem, eine gestörte Schmerzhemmung, sowie psychische Einflüsse (z. B. Stress oder Depression) tragen wesentlich zur Schmerzsymptomatik bei. Es gibt selten Hinweise auf direkte Schädigungen der peripheren Nerven, jedoch können Mikroverletzungen oder Entzündungen ebenfalls eine Rolle spielen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

Biographische Faktoren, die im Lebenslauf eines Patienten eine Rolle spielen, können zur Entstehung des anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerzes beitragen.

  • Trauma (Verletzung) im Gesicht oder Kopfbereich
  • Operationen im HNO- oder Zahn-, Mund- und Kieferbereich (z. B. Zahnextraktion, Wurzelkanalbehandlung, Wurzelspitzenresektion)
  • Kritische Lebensereignisse wie der Verlust eines Angehörigen, Trennungen oder beruflicher Stress
  • Lang andauernde psychosoziale Stressoren wie beruflicher oder familiärer Druck

Verhaltensbedingte Ursachen

Verhalten und Lebensgewohnheiten, die zur Verschlechterung oder Auslösung von Gesichtsschmerzen führen, spielen ebenfalls eine Rolle.

  • Chronischer Stress: Langanhaltender emotionaler oder beruflicher Stress kann das Nervensystem überempfindlich machen.
  • Angst und Depression: Psychische Belastungen, die die Schmerzschwelle senken und Schmerzen verstärken.
  • Zähneknirschen oder Kieferpressen: Belastungen des Kiefergelenks (Temporomandibuläre Dysfunktion) können zu Muskelverspannungen führen.
  • Schlafmangel: Unzureichender Schlaf kann die Schmerzverarbeitung beeinträchtigen.

Krankheitsbedingte Ursachen

Vorausgegangene Erkrankungen oder andere bestehende chronische Leiden, die das Auftreten von idiopathischen Gesichtsschmerzen begünstigen können.

  • Chronische Schmerzsyndrome wie Migräne, Rückenschmerzen oder Nackenschmerzen
  • Infektionen im Gesichts- und Kopfbereich (z. B. Sinusitis/Nebenhöhlenentzündung, Herpesinfektionen)
  • Hormonelle Veränderungen: Menopause oder andere endokrine Störungen, die hormonelle Schwankungen verursachen.
  • Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD): Fehlfunktionen des Kiefergelenks, die die Symptome verschlimmern.

Operationen

Bestimmte Operationen im Kopf- und Gesichtsbereich sind häufig mit dem Auftreten von Gesichtsschmerzen verbunden, auch wenn kein aktueller pathologischer Befund vorliegt.

  • Zahnextraktionen (Zahnentfernung)
  • Wurzelspitzenresektionen
  • Wurzelkanalbehandlungen
  • Chirurgische Eingriffe im HNO-Bereich

Medikamente

Verschiedene Medikamente können als Nebenwirkung Gesichtsschmerzen oder eine Verschlimmerung bereits bestehender Schmerzen verursachen.

  • Langfristiger Einsatz von Schmerzmitteln: Der Missbrauch von Schmerzmitteln kann paradoxerweise zur Verschlechterung chronischer Schmerzen führen (Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz).
  • Psychotrope Medikamente wie Antidepressiva oder Antipsychotika können als Nebenwirkung Gesichtsschmerzen verursachen.

Umweltbelastungen – Intoxikationen

Äußere Faktoren, wie schädliche Umweltbedingungen oder toxische Substanzen, können zur Schmerzentwicklung beitragen.

  • Exposition gegenüber toxischen Chemikalien: Langfristiger Kontakt mit toxischen Stoffen, die das Nervensystem beeinträchtigen.
  • Rauchen: Nikotin kann die Schmerzempfindung verschärfen und die Heilung von Nervenschäden behindern.
  • Alkoholmissbrauch: Regelmäßiger Alkoholkonsum kann die Nervengesundheit negativ beeinflussen und Schmerzempfindungen verstärken.