Gedächtnisverlust (Amnesie) – Einleitung
Die Amnesie (von griech. "a" für "ohne" und "mnémē" für "Gedächtnis" bzw. "Erinnerung") – umgangssprachlich Gedächtnisverlust genannt – bezeichnet eine Form der Gedächtnisstörung, die sich durch eine zeitliche oder inhaltliche Beeinträchtigung der Erinnerung bemerkbar macht.
Das Gedächtnis wird in drei Hauptbereiche unterteilt:
- Sensorisches Gedächtnis (ikonisches Gedächtnis; Ultrakurzzeitgedächtnis): Speichert Informationen für sehr kurze Zeitspannen, meist im Millisekundenbereich.
- Kurzzeitgedächtnis: Hält Informationen für einen Zeitraum von etwa 30-60 Minuten.
- Langzeitgedächtnis: Speichert Informationen über längere Zeiträume, von Stunden bis zu einem ganzen Leben.
In Abhängigkeit von der Ursache der Gedächtnisstörung kommt es zu verschiedenen Formen der Amnesie.
Formen der Amnesie
Nach dem ICD-10
- Anterograde Amnesie (ICD-10-GM R41.1): Gedächtnisverlust für eine bestimmte Zeit nach einem schädigenden Ereignis.
- Retrograde Amnesie (ICD-10-GM R41.2): Gedächtnisverlust für den Zeitraum vor Eintreten des schädigenden Ereignisses.
- Sonstige Amnesie (ICD-10-GM R41.3)
Weitere Formen der Amnesie
- Hypomnesie: Reduzierte Erinnerungsfähigkeit.
- Infantile Amnesie: Gedächtnisverlust von Erwachsenen, die sich an Ereignisse ihrer eigenen frühen Kindheit vor einem bestimmten Alter (2-3 Jahre) nicht erinnern können.
- Paramnesie: Erinnerungsfälschungen, Scheinerinnerungen.
- Transiente globale Amnesie (TGA): Vorübergehende anterograde (neue Informationen können nur 30-180 Sekunden behalten werden) und retrograde (Zugriff auf alte, vor der TGA erworbene Gedächtnisinhalte ist gestört) Amnesie, zusammen mit Orientierungsstörung oder Verwirrtheit.
- Dauer: Maximal 24 Stunden, im Mittel 6 bis 8 Stunden.
- Zeitpunkt: Tritt gehäuft vormittags auf.
- Ätiologie (Ursache): Bislang nicht geklärt.
Amnesie kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind von einer transienten globalen Amnesie gleichermaßen betroffen.
Häufigkeitsgipfel: Die transiente globale Amnesie (TGA) tritt vorwiegend im Alter zwischen 50 und 70 Jahren auf.
Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) der transienten globalen Amnesie liegt zwischen 3 und 8 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Transiente globale Amnesie (TGA)
- Die Gedächtnisstörung tritt plötzlich auf und dauert in der Regel weniger als 24 Stunden, oft nur 6-8 Stunden. Die Betroffenen können während dieser Zeit keine neuen Informationen speichern (anterograde Amnesie) und haben Schwierigkeiten, sich an Ereignisse kurz vor dem Vorfall zu erinnern (retrograde Amnesie). Nach einer TGA fühlen sich die Betroffenen noch einige Tage nach dem Vorfall eingeschränkt. Die Symptome klingen in der Regel vollständig ab, wobei keine bleibenden neurologischen Schäden zurückbleiben.
- Während der TGA können komplexe motorische Aufgaben wie Autofahren problemlos ausgeführt werden.
- Die transiente globale Amnesie tritt häufig rezidivierend (wiederkehrend) auf. Die Rezidivrate liegt bei 6-10 % pro Jahr.
Andere Formen der Amnesie
- Anterograde und retrograde Amnesien: Diese können nach traumatischen Hirnverletzungen, Schlaganfällen oder neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer auftreten. Der Verlauf hängt von der Schwere und der Ursache der Hirnschädigung ab.
- Weitere Formen der Amnesie: Bei Ursachen wie Infektionen, Tumoren oder metabolischen Störungen hängt der Verlauf von der erfolgreichen Behandlung der Grunderkrankung ab.
Langzeitverlauf
- Training und Rehabilitation: In Fällen, in denen die Ursache der Amnesie nicht vollständig therapierbar ist, steht das Trainieren des Kurzzeitgedächtnisses und das Reaktivieren des Langzeitgedächtnisses im Vordergrund. Kognitive Therapien und Gedächtnistraining können helfen, die Erinnerungsfähigkeit zu verbessern.
- Lebensqualität: Bei vielen Betroffenen kann die Lebensqualität durch die Gedächtnisstörung erheblich beeinträchtigt werden, insbesondere wenn diese chronisch oder progressiv ist. Unterstützung durch Angehörige und die Anpassung des Alltags können helfen, die Auswirkungen zu mildern.
Prognose
Transiente globale Amnesie (TGA)
- Nach einer TGA besteht kein erhöhtes Risiko für einen Apoplex (Schlaganfall) oder eine Epilepsie; ebenfalls besteht keine erhöhte Mortalität (Sterberate).
- Da sich die Symptome einer TGA spontan zurückbilden, besteht kein Anlass für eine spezifische Therapie.
- Die transiente globale Amnesie tritt häufig rezidivierend auf. Die Rezidivrate liegt bei 6-10 % pro Jahr.
Andere Formen der Amnesie
- Anterograde und retrograde Amnesien: Die Prognose hängt von der Schwere der Hirnschädigung und der zugrunde liegenden Ursache ab. In vielen Fällen bleiben die Gedächtnisstörungen bestehen und können durch therapeutische Maßnahmen wie kognitive Rehabilitation nur teilweise gemildert werden.
- Weitere Formen der Amnesie: Bei erfolgreich behandelbaren Ursachen wie Infektionen oder Tumoren kann sich das Gedächtnis nach der Behandlung wieder verbessern. Bei nicht therapierbaren Ursachen steht die Symptomlinderung im Vordergrund.
Langzeitprognose
- Mortalität und Morbidität: Die Sterblichkeit bei Amnesien ist stark abhängig von der zugrunde liegenden Ursache und den Begleiterkrankungen. Besonders bei älteren Menschen und bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen (Herz- und Gefäßerkrankungen) ist die Prognose schlechter.
- Symptomatische Behandlung: Bei festgestellter Ursache der Amnesie erfolgt eine spezifische Behandlung. Bei idiopathischen oder nicht behandelbaren Amnesien steht das Gedächtnistraining im Vordergrund.
- Langfristige Überwachung: Patienten mit wiederkehrenden Amnesien oder hohem Risiko sollten langfristig überwacht werden, um das Risiko schwerer Komplikationen zu minimieren.
Rezidivrate
- Die transiente globale Amnesie tritt häufig rezidivierend auf. Die Rezidivrate liegt bei 6-10 % pro Jahr.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Transiente globale Amnesie (= amnestische Episode). (AWMF-Registernummer: 030-083), Mai 2017 Langfassung