Fetischismus

Fetischismus stammt aus dem Portugiesischem: "feitiçio" (zurückgehend auf das lateinische Wort „facticius“: nachgemacht, künstlich) und bedeutet „Zauber“. Portugiesische Seefahrer waren im 15. Jahrhundert auf ihren Reisen nach Westafrika auf Naturvölker getroffen, die seltsam aussehende geschnitzte Tier- und Menschenfiguren verehrten und ihnen magische Kräfte zuschrieben. Im Laufe der Zeit entwickelte sich im 18./19. Jahrhundert aus feitiçio der Begriff „Fetisch“.

Heute gibt es folgende Begrifflichkeiten:

  • Religiöser Fetischismus: Glaube an übernatürliche Kräfte, die besonderen Gegenständen zu eigen sind, z. B. Voodoo. Heute häufig erweitert bzw. falsch gebraucht, z. B. als Talismann, Amulett, Totem.
  • Marxistischer Fetischismus: Verehrung definierter, bestimmter Waren. Im Kapitalismus wird diesem ein höherer Wert zugeschrieben als ihm zusteht, z. B. Geld, Waren, Eigentum. Sie werden wegen ihrer Bedeutung und Macht von Karl Marx als Fetische bezeichnet.
  • Sexueller Fetischismus:
    • psychologisch: als Sexualtrieb, der auf unbelebte Projekte bezogen ist, z. B. Kleidungsstücke, Leder, Latex; kann problematisch sein
    • umgangssprachlich: von der Norm abweichender Sexualtrieb, mit speziellen Vorlieben, Neigungen und Orientierungen, die auch fetizistische Praktiken enthalten, auch als „Kink“ bezeichnet, z. B. BDSM ("Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism"), SM (Sadomasochismus; Sadomaso), Spanking (engl. für hauen, verhauen; bezeichnet das Schlagen auf das bekleidete oder entblößte Gesäß), Bondage (Praktiken zur Fesselung oder Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Körpers), Rollenspiele, sexuelle Fantasien

Nachfolgend wird nur auf den sexuellen Fetischismus eingegangen.

Sexueller Fetischismus ist ein Sexualverhalten, bei dem der Fetisch ein Körperteil, z. B. Füße, Hände, Haare, oder ein bestimmtes Objekt, z. B. Kleidungsstücke, Leder, Latex, Schuhe, Seide, Spielzeug, Wolle u. v. a., für die betreffende Person sexuell erregend ist und eine starke emotionale und befriedigende Bedeutung hat. Prinzipiell kann alles fetischisiert werden.

Fetische an sich sind nicht problematisch, nicht pervers, nicht krankhaft, solange sie auf einvernehmliche Weise ausgeübt werden und niemandem Schaden zufügen. Bedenklich wird es, wenn ein Fetisch das tägliche Leben oder zwischenmenschliche Beziehungen beeinträchtigt. Mit anderen Worten, wenn die sexuelle Befriedigung einer Person von dem Fetisch abhängig ist. Dann liegt ein Suchtverhalten vor.

Unter medizinischen Gesichtspunkten gehörte der sexuelle Fetischismus zur Gruppe der Störungen der Sexualpräferenz (Paraphilie) mit dem ICD-10-GM*: F65.-.

Untergruppen sind:

  • 65.0 Fetischismus
    Fetische stellen eine Erweiterung des menschlichen Körpers dar, z. B. Kleidungsstücke oder Schuhwerk. Andere gebräuchliche Beispiele sind Gegenstände aus Gummi, Plastik oder Leder. Die Fetischobjekte haben individuell wechselnde Bedeutung. In einigen Fällen dienen sie lediglich der Verstärkung der auf üblichem Wege erreichten sexuellen Erregung (z. B. wenn der Partner ein bestimmtes Kleidungsstück tragen soll).
  • 65.1 Fetizistischer Transvestitismus, inklusive: Transvestitischer Fetischismus
    Zur Erreichung sexueller Erregung wird Kleidung des anderen Geschlechts getragen; damit wird der Anschein erweckt, dass es sich um eine Person des anderen Geschlechts handelt. Fetischistischer Transvestitismus unterscheidet sich vom transsexuellen Transvestitismus durch die deutliche Kopplung an sexuelle Erregung und das starke Verlangen, die Kleidung nach dem eingetretenen Orgasmus und dem Nachlassen der sexuellen Erregung abzulegen. Er kann als eine frühere Phase in der Entwicklung eines Transsexualismus auftreten.

*ICD-10-GM: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, German Modification

Diagnose

Die Diagnose Fetischismus, Fetizistischer Transvestitismus, Transvestitischer Fetischismus als Störung wird gestellt, wenn [1]:

  • das Ausleben zwanghaft ist
  • die sexuelle Erregung als sehr intensiv empfunden wird
  • die betreffende Person dadurch unter einem großen Druck steht
  • die Lebensqualität beeinträchtigt wird, z. B. Ehe, Familie, Umgang mit Freunden, der Beruf bzw. anderen Personen Schaden zugefügt wird oder Schaden zugefügt werden könnte

Der zwanghafte, unwiderstehliche innere Drang muss dauerhaft, mindestens aber 6 Monate bestehen. Menschen mit einer solchen Störung sind unter Umständen ohne ihren Fetisch nicht zu sexueller Betätigung fähig. Der Fetisch ersetzt die typische sexuelle Aktivität mit einem Partner oder der Partner kann, im Falle eines willigen Partners, in eine solche einbezogen werden. Das Bedürfnis nach dem Fetisch kann so intensiv und zwingend sein, dass es das Leben der betroffenen Person vollständig einnimmt und sich destruktiv auswirkt. Bei den meisten Personen mit einem Fetisch erfüllt ihr Verhalten jedoch nicht die Kriterien einer Störung, da es kein erhebliches Leid verursacht und die Lebensweise nicht beeinträchtigt oder anderen Schaden zufügt.

Fetischismus unter strafrechtlichen Gesichtspunkten

Fetischismus ist keine strafbare Handlung an sich, es sei denn, es führt zu illegalen Verhaltensweisen und Handlungen, z. B. sexuelles Interesse und Handlungen an Kindern, (Kinderpornographie). Strafrechtlich kann es auch relevant sein, wenn fetizistische Handlungen gegen den Willen anderer Personen durchgeführt werden, z. B. sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungen, exhibitionistische Handlungen in der Öffentlichkeit.

Ursachen

Die Ursachen des Fetischismus sind bis heute unbekannt. Es gibt eine Reihe von unterschiedlichen Entstehungstheorien und Erklärungsversuche [1, 2, 3]. Als ätiologische Faktoren werden soziologische, biologische, psychologische, soziale und kulturelle Faktoren diskutiert.

Therapie [1, 2]

Therapie ist schwierig und überwiegend mit fraglichem Erfolg. Therapeutisch stehen zur Verfügung:

  • Psychotherapie
  • Verhaltenstherapie
  • Selbsthilfegruppen
  • Medikamente
    • Psychopharmaka
    • bei Männern evtl. auch antiandrogene Medikamente

Sonderformen, Untergruppen, Variationen

Da es praktisch kein Körperteil, keinen Gegenstand, keine Fantasie gibt, die nicht fetischiert werden kann, existieren eine Reihe von Sonderformen, Untergruppen und Variationen:

  • Algamatophilie: sexuelle Präferenz zu nackten Statuen, Sex-Schaufensterpuppen
  • Body Worship: sexuelle Erregung durch Küssen, Lecken, aber nicht Berühren von Körperteilen, z. B. Gesäß, Penis, Scheide, Fuß, Muskel. Praktiken überwiegend im BDSM-Bereich.
  • Baumfetisch (Dendrophilie): Sexualtrieb, bei dem Lustgewinn aus dem Betrachten und Berühren von Bäumen entsteht.
  • Bondage: sexuelle Erregung durch Fesselung
  • Breeding: sexuelle Erregung durch die Vorstellung bzw. das Risiko beim Sex schwanger zu werden, auch trotz Einnahme der Pille
  • Brillenfetisch
  • CMNF/CFNM: bekleidet versus nackt: sexuelle Erregung durch das Machtgefälle „angezogen gegen nackt“, auch bei Partys
    • CMNF: Clothed Male → Naked Female
    • CFNM: Clothed Female → Naked Male
  • Crossdressing (Transvestitismus)
  • Cuckholding: sexuelle Erregung, wenn ein Mann seine Partnerin beobachtet, die mit einem anderen Mann Sex hat
  • Dacryphlie: sexuelle Erregung beim Anblick einer weinenden Person, z. B. bei BDSM-Spielen, bei bewussten Schmerzufügungen, emotionalen Beleidigungen
  • Einläufe (Klismaphilie)
  • Erbrechen (Emetophilie)
  • Fellfetisch
  • Geruchsfetisch (Olfaktophilie), z. B. Leder, Latex, Axel, Füße, Slips, Schmutzwäsche etc.
  • Körperteilfetischismus: sexuelle Erregung oder emotionale Bindung zu einem bestimmten Körperteil, z. B. Brüste, Po, Füße, Hände, Haare
  • Haarfetischismus (Trichophilie)
  • Luftballon (Looners)
  • Materialfetischismus: sexuelle Erregung oder eine emotionale Bindung zu einem bestimmten Material, z. B. Gummi, Leder, Latex, Seide etc.
  • Mechanophilie (Technikfetischismus): sexuelle Anziehung zu Computern, Smartphone, Robotern, Virtual-Reality-Brillen, Rasenmähern, Autos etc.
  • Nylon
  • Objektfetischismus: sexuelle Erregung oder eine emotionale Bindung zu einem bestimmten Objekt, z. B. Schuhe, Kleidungsstücke, Spielzeug etc.
  • Rauchfetisch: sexuelle Erregung meist von Männern beim Anblick rauchender Frauen
  • Rollenspiele: sexuelle Erregung bei bestimmten Rollenspielen, z. B. dominant/subversiv, Lehrer/Schüler, Arzt/Patient etc.
  • Salirophilie (Saliromanie): sexuelle Erregung beim Beschmutzen von Personen oder Objekten mit Flüssigkeiten, Dreck, Farbe etc.
  • Schuhfetisch (Retifismus)
  • SM: sexuelle Erregung durch Sadomasochismus
  • Spanking: sexuelle Erregung durch Züchtigung, z. B. mittels Peitsche, Stock, Paddel
  • Stofftiere (Plushies; Plushophilie)
  • Strumpf
  • Symporophilie: sexuelle Erregung durch Betrachten von Unfällen oder Katastrophen
  • Uniformenfetisch
  • Unterwäsche
  • Urophilie (Urolagnie, Undinismus, auch als "Wassersport", "Goldene Dusche“ (Golden Shower), „Goldener Regen“, „Golden-Waterfalls“, „Natursekt (NS)“, „Wet Games“ (Nassspiele, Pissspiele,Pissing)“ bezeichnet): sexuelle Vorliebe, aktiv oder passiv, bei der Menschen sexuell erregt werden, wenn sie in Kontakt mit Urin geraten oder ihn verwenden
  • Voyeurismus
  • Windelfetisch

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Fetischismus (Fetischistische Störung) – Psychische Gesundheitsstörungen. MSD Manual. April 2021
  2. Ventriglio A, Bhat PS, Torales J, Bhugra D: Sexuality in the 21st century: Leather or rubber? Fetishism explained. Med J Armed Forces India. 2019 Apr; 75 (2): 121-124. doi:10.1016/j.mjafi.2018.09.009.
  3. Sexueller Fetischismus. Wikipedia