Fazialisparese – Operative Therapie
Die Fazialisparese (Gesichtslähmung) kann durch verschiedene Ursachen bedingt sein, darunter idiopathische (Bell-Parese), traumatische, tumorbedingte oder iatrogene (durch medizinische Eingriffe verursachte) Schädigungen. Die operative Therapie ist in bestimmten Fällen notwendig, insbesondere wenn eine spontane Regeneration des Nervus facialis (VII. Hirnnerv, Gesichtsnerv) nicht erfolgt oder funktionelle Defizite persistieren.
Beachte: Keine chirurgische Dekompression in der Akutphase
- In der Akutphase ist eine chirurgische Dekompression des Nervus facialis nicht empfohlen, da kein überzeugender Evidenznachweis für eine Verbesserung der Prognose vorliegt.
- Risiken der Dekompression:
- Verstärkung der Nervenschädigung durch Manipulation.
- Infektionsrisiko, insbesondere Meningitis (Hirnhautentzündung) bei intrakraniellen Eingriffen.
- Verlust der Restfunktion durch zusätzliche Traumatisierung des Nervenstamms.
1. Ordnung: Mikrochirurgische Rekonstruktion des Nervus facialis
Indiziert bei schwerer, irreversibler Fazialisparese, insbesondere nach Trauma oder Tumoroperationen.
Chirurgische Verfahren zur Wiederherstellung der Fazialisfunktion:
- Direkte Faszialisnaht (Primärnaht)
- Goldstandard bei scharf durchtrenntem Nerv (z. B. nach Unfall oder iatrogener Schädigung).
- Voraussetzung: End-zu-End-Anastomose ohne zu hohe Spannung.
- Ergebnis: Beste funktionelle Rekonstruktion, wenn frühzeitig durchgeführt.
- Cross-Face-Nervennaht (Cross-Face-Nerventransfer)
- Indikation: Bei einseitiger irreversibler Fazialisparese.
- Verfahren: Transplantation eines sensiblen Nervenastes (z. B. N. suralis) auf die gesunde Gegenseite, um eine mimetische Kontrolle der gelähmten Seite zu ermöglichen.
- Nachteil: Lange Zeit bis zur funktionellen Erholung (> 6 Monate).
- Hypoglossus-Fazialis-Jump-Nervennaht (Hypoglossus-Fazialis-Transfer)
- Indikation: Bei länger bestehender Parese ohne funktionelle Erholung.
- Verfahren: Verbindung eines Astes des Nervus hypoglossus (XII. Hirnnerv, Zungennerv) mit dem Nervus facialis zur Wiederherstellung der mimischen Muskulatur.
- Ergebnis: Verbesserung der Gesichtsmotorik, allerdings oft mit begleitender Zungenmuskelschwäche.
- Freier Muskeltransfer (z. B. Gracilis-Transfer)
- Indikation: Bei langfristiger Fazialisparese mit atrophierter mimischer Muskulatur.
- Verfahren: Verpflanzung eines autologen Muskels (meist M. gracilis aus dem Oberschenkel) in das Gesicht, verbunden mit mikrochirurgischen Nervenanastomosen.
- Ergebnis: Verbesserung der Gesichtssymmetrie und rekonstruktive Wiederherstellung der Funktion.
2. Ordnung: Funktionelle Korrekturmaßnahmen bei persistierender Fazialisparese
Unvollständiger oder fehlender Lidschluss (Lagophthalmus)
- Indikation: Verhinderung von Hornhautschäden (Keratopathie) durch fehlenden Lidschluss.
- Therapeutische Optionen:
- Lidloading mit Goldgewicht (internes Verfahren) – Implantation eines Goldgewichts ins Oberlid zur passiven Unterstützung des Lidschlusses.
- Laterale Tarsorrhaphie (teilweises Vernähen des Lidspalts) – Falls Lidloading nicht ausreicht.
Mundwinkelrekonstruktion (dynamische Verfahren zur Verbesserung des Lächelns)
- Masseter-Fazialis-Anastomose – Verbindung eines motorischen Astes des Nervus massetericus (Kaumuskel) mit dem Fazialisast zur Wiederherstellung des Mundschlusses und der mimischen Funktion.
- Temporalis-Suspension – Transfer des M. temporalis zur passiven Mundwinkelhebung.
Zusätzliche operative Maßnahmen und Rehabilitation
- Botulinumtoxin-Injektionen
- Zur Reduktion von hyperaktiven Kontraktionen der gesunden Gesichtshälfte, um Asymmetrien auszugleichen.
- Physiotherapie zur Fazialisrehabilitation
- Gezielte Übungen zur mimetischen Kontrolle und neuronalen Reorganisation.
- Elektrische Stimulation
- Zur Unterstützung der neuromuskulären Reaktivierung nach operativen Rekonstruktionen.
Zusammenfassung der chirurgischen Therapieoptionen bei Fazialisparese
Indikation | Chirurgisches Verfahren | Bemerkung |
---|---|---|
Scharf durchtrennter Nerv | Direkte Faszialisnaht | Beste Ergebnisse, wenn frühzeitig durchgeführt |
Einseitige irreversible Parese | Cross-Face-Nervennaht | Mimische Steuerung durch Gegenseite |
Länger bestehende Parese | Hypoglossus-Fazialis-Nervennaht | Risiko einer Zungenmuskelschwäche |
Atrophierte mimische Muskulatur | Freier Muskeltransfer (z. B. Gracilis-Transfer) | Verbesserung der Gesichtssymmetrie |
Unvollständiger Lidschluss (Lagophthalmus) | Goldgewicht-Implantation, Tarsorrhaphie | Schutz der Hornhaut |
Dynamische Mundwinkelrekonstruktion | Masseter-Fazialis-Anastomose, Temporalis-Suspension | Verbesserung der Gesichtssymmetrie |
Die Wahl der chirurgischen Technik hängt von Dauer, Schweregrad und Ursache der Fazialisparese ab. Eine frühzeitige interdisziplinäre Planung verbessert die funktionellen Ergebnisse.