Fazialisparese – Einleitung
Eine Fazialisparese – umgangssprachlich auch als Gesichtslähmung bezeichnet – ist eine Lähmung der Muskulatur, die durch den Nervus facialis (VII. Hirnnerv) innerviert wird. Dies führt zu einer eingeschränkten oder fehlenden Beweglichkeit eines Teils der Gesichtsmuskulatur, was sich in asymmetrischen Gesichtsausdrücken oder einer vollständigen Lähmung äußern kann.
Synonyme und ICD-10: Fazialislähmung; Bell-Fazialisparese; Bell-Lähmung; Bell-Paralyse; Bell-Syndrom; Fazioplegie; Gesichtsnervenparalyse; Gesichtsparese; Lähmung des Hirnnerven VII; Paralyse des Nervus facialis; Parese des Nervus facialis; periphere Fazialisparese; Prosopodiplegie; Prosopoplegie; Zentrale Fazialisparese; ICD-10-GM G51.0: Fazialisparese
Anatomie
Der Nervus facialis ist der VII. Hirnnerv (Gesichtsnerv). Er hat sensible, sensorische, motorische und parasympathische Fasern und innerviert weite Teile des Kopfes. Zu seinen Funktionen gehören:
- Mimische Muskulatur des Gesichts
- Geschmacksempfindung
- Tränen- und Speichelsekretion
- Versorgung des Musculus stapedius (kleinster Muskel im Ohr)
Formen der Fazialisparese
Die idiopathische Fazialisparese, auch als Bell’s Palsy bekannt, ist die häufigste Form der Hirnnervenläsion. Man unterscheidet die folgenden Formen nach dem Ort der Schädigung:
- Zentrale (supranukleäre) Fazialisparese: Schädigung oberhalb des Nervenkerns (z. B. Gyrus praecentralis, Tractus corticonuclearis), häufig verursacht durch Apoplex (Schlaganfall) oder Hirntumor.
- Periphere (nukleäre, infranukleäre) Fazialisparese: Schädigung im Nervenkern oder im peripheren Verlauf. In 60-75 % der Fälle ist die Ursache unbekannt (idiopathische Fazialisparese, Bell’s Palsy).
Bei Auftreten der peripheren Fazialisparese in der Schwangerschaft mit Degeneration und unvollständiger Regeneration des VII. Hirnnervs spricht man vom Mona-Lisa-Syndrom.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis der idiopathischen Fazialisparese: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
Bei Frauen ist das Risiko einer Fazialisparese in der Schwangerschaft dreifach erhöht.
Häufigkeitsgipfel: Die idiopathische Fazialisparese tritt mit steigendem Alter gehäuft auf.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)
- 20-40 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Idiopathische Form: 7-40 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
- In der Schwangerschaft: 0,05 % (Metaanalyse), Schwangere machen 6,62 % der Gesamtheit der Erkrankten aus [1].
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Leichte Formen: Schwach ausgeprägte Symptomatik.
- Schwerere Formen: Veränderungen der Mimik (Gesichtsausdruck).
Prognose
- Idiopathische Fazialisparese: Gute Prognose. Über 80 % der Fälle zeigen innerhalb weniger Wochen eine Rückbildung, bei > 70 % vollständig. In etwa 13 % der Fälle ist die Rückbildung unvollständig, führt jedoch nicht zu wesentlichen Beeinträchtigungen. Bei 16 % der Fälle treten unvollständige Reinnervationen mit möglichen Komplikationen wie Synkinesien (unwillkürlicher Lidschluss beim Sprechen), Kontrakturen (ständige Spannung der Gesichtsmuskeln) und autonome Störungen wie das Krokodilstränenphänomen (gustatorisches Weinen) auf.
- Schwangerschaft: Ungünstigerer Verlauf, Defektheilungen häufiger. Spontanremissionsraten: 50-80 %, bei inkompletter Fazialisparese ca. 90 %.
- Postvirale Fazialisparesen: Häufiger mit Defekten.
- Borrelien-induzierte Fazialisparesen: Nahezu immer gute Prognose.
Beachte: Da 24-40 % aller Fazialisparesen nicht idiopathischer Genese sind, ist eine sorgfältige Differentialdiagnose essenziell.
Literatur
- Carmel Neiderman NN et al. Bell's palsy and pregnancy: Incidence, comorbidities and complications. A meta-analysis and systematic review of the literature. Clin Otolaryngol 2023; https://doi.org/10.1111/coa.14042
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Idiopathische Fazialisparese (Bell's Palsy). (AWMF-Registernummer: 030 - 013), März 2017 Langfassung