Epilepsie – Operative Therapie

Die operative Therapie der Epilepsie wird erwogen, wenn eine medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist. Ziel der Operation ist die Entfernung oder Unterbrechung der epileptogenen Hirnregion, um eine Anfallsfreiheit oder zumindest eine deutliche Reduktion der Anfallsfrequenz zu erreichen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Fokale Epilepsie mit Pharmakoresistenz (keine Anfallskontrolle trotz Therapie mit mindestens zwei Antiepileptika)
  • Temporallappenepilepsie mit medikamentöser Therapieresistenz → Resektion des anteromedialen Temporallappens oder der Hippokampusregion kann das Fortschreiten der Anfälle verhindern
  • Strukturelle Ursachen wie Hirntumore oder intrakranielle Blutungen → Entfernung zur Vermeidung von Anfallsrezidiven
  • Frühe operative Intervention kann bei bestimmten Epilepsieformen vorteilhaft sein [1]. 

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Generalisiert auftretende Epilepsie ohne klar lokalisierbaren Fokus
  • Fehlende Übereinstimmung zwischen klinischer Symptomatik, Elektroenzephalographie (EEG) und Bildgebung
  • Hohes Risiko für neurologische Defizite durch die Operation
  • Schwerwiegende Begleiterkrankungen mit hohem Operationsrisiko

Vor der Operation

  • Lokalisation des epileptogenen Areals mittels
    • Video-EEG-Monitoring
    • Magnetresonanztomographie (MRT) zur Identifizierung struktureller Hirnveränderungen
    • Funktionelle Bildgebung (z. B. PET, SPECT) zur Darstellung von Stoffwechselaktivität
    • Invasives EEG mit Elektrodenimplantation zur präzisen Lokalisation des Epilepsieherdes

Operationsverfahren

Resektive Verfahren

  • Zweidrittelresektion des Temporallappens (Standardverfahren bei Temporallappenepilepsie)
  • Selektive Amygdalohippokampektomie (Entfernung der Amygdala und des Hippokampus bei Temporallappenepilepsie)
  • Topektomie (umschriebene Entfernung epileptogener Kortexareale) → kann bei 60-80 % der Patienten zu anhaltender Anfallsfreiheit führen [1]
  • Lobektomie (komplette Entfernung eines Hirnlappens, z. B. Temporallobektomie oder Frontallobektomie) bei großflächigen epileptogenen Herden

Diskonnektionsverfahren

  • Kallosotomie (Durchtrennung des Corpus callosum zur Unterbrechung der Anfallsausbreitung) → vor allem bei generalisierten Epilepsieformen mit schweren Sturzanfällen
  • Multiple subpiale Transsektion (MST) → Unterbrechung kortikaler Verbindungen zur Reduktion epileptischer Aktivität, insbesondere bei nicht-resezierbaren Arealen

Postoperative Nachsorge

  • EEG-Kontrolle zur Beurteilung der Anfallsaktivität
  • Neuropsychologische Tests zur Erfassung kognitiver Veränderungen
  • Medikamentöse Anpassung der Antiepileptika-Therapie → schrittweiser Abbau in Abhängigkeit vom postoperativen Verlauf
  • Physiotherapie und Ergotherapie bei motorischen Defiziten nach der Operation

Mögliche Komplikationen

  • Neurologische Defizite (z. B. Gedächtnisstörungen nach Temporallappenoperationen)
  • Sprachstörungen bei Operationen im dominanten Hirnareal
  • Hämorrhagien oder Infektionen nach chirurgischem Eingriff
  • Nicht-Erreichen von Anfallsfreiheit → verbliebene epileptogene Aktivität kann erneute Anfälle verursachen

Vergleich der Operationsmethoden

Verfahren Indikationen  Vorteile Nachteile
Temporallobektomie Temporallappenepilepsie mit klar definierbarem epileptogenen Fokus Hohe Erfolgsrate (60–80 % Anfallsfreiheit) Risiko für Gedächtnisprobleme
Selektive Amygdalohippokampektomie Temporallappenepilepsie mit isolierter Beteiligung des Hippokampus Geringerer Funktionsverlust als Lobektomie Komplexer Eingriff mit potenziellen kognitiven Auswirkungen
Kallosotomie Generalisierte Epilepsie mit Sturzanfällen Reduziert schwere Anfälle Keine vollständige Anfallsfreiheit erreichbar
Topektomie Epilepsie mit umschriebenem epileptogenem Fokus Maßgeschneiderte Resektion mit Erhalt gesunder Hirnareale Aufwendige prächirurgische Diagnostik

Weitere Hinweise

  • Bei der fokalen kortikalen Dysplasie (FCD) waren 12 Jahre nach der Operation ca. zwei Drittel der Patienten anfallsfrei geblieben [2].
  • Die Nachverfolgung von Patienten, die aufgrund einer therapierefraktären Epilepsie operiert wurden (909 Patienten mit fokaler Epilepsie: Entfernung des subpialen Anfallsherds; 97 Patienten mit generalisierter Epilepsie: ganz oder teilweise Durchtrennung des Corpus callosum), ergab eine Sterberate auf 1.000 Patientenjahre von [3]:
    • 25,3 Todesfälle bei Patienten ohne OP
    • 8,6 Todesfälle bei Patienten mit OP
      • 5,2 Todesfälle bei Patienten mit OP und Anfallsfreiheit (≅ Rate der altersadjustierten Allgemeinbevölkerung)
      • 10,4 Todesfälle bei Patienten mit OP ohne Anfallsfreiheit (Sterberate noch 2,5-fach geringer als in der Gruppe ohne OP)
  • Die neuropathologische Untersuchung, der während der Operation entnommenen Biopsien (Gewebeprobe), zeigte in 92,3 % geschädigtes Gewebe. Am häufigsten ließ sich mit 36,4 % eine Hippocampussklerose nachweisen. Weitere häufige Diagnosen waren niedriggradige Tumoren (23,6 %) und Fehlbildungen der Hirnrinde (19,8 %) [3].

Fazit

  • Die operative Therapie der Epilepsie ist bei medikamentöser Therapieresistenz und lokalisiertem Anfallsursprung eine wirksame Option.
  • Temporallappenresektionen sind die häufigsten und erfolgreichsten Verfahren, insbesondere bei Temporallappenepilepsie.
  • Frühe chirurgische Eingriffe können die Prognose verbessern und Anfallsfreiheit erhöhen.
  • Nicht-respektive Verfahren wie Kallosotomie kommen bei generalisierten Epilepsien infrage, wenn eine vollständige Resektion nicht möglich ist.

Literatur

  1. Engel J et al.: Early surgical therapy for drug-resistant temporal lobe epilepsy. A randomized trial. JAMA 2012; 307: 922-30
  2. Fauser S, Essang C, Altenmüller DM, Staack AM, Steinhoff BJ, Strobl K, Bast T, Schubert-Bast S, Stephani U, Wiegand G, Prinz M, Brandt A, Zentner J, Schulze-Bonhage A: Long-term seizure outcome in 211 patients with focal cortical dysplasia. Epilepsia. 2015 Jan;56(1):66-76. doi: 10.1111/epi.12876. Epub 2014 Dec 13.
  3. Sperling MR et al.: A reappraisal of mortality after epilepsy surgery. Neurology 2016; 86(21):1932-1933.
  4. Blümcke I et al.: Histopathological Findings in Brain Tissue Obtained during Epilepsy Surgery. New England Journal of Medicine, Volume 377, Issue 17, Page 1648-1656, October 2017.