Demenz – Prävention
Eine Prävention der Demenz ist nicht möglich. Jedoch kann versucht werden, Formen dementieller Veränderungen durch Ausschaltung der Risikofaktoren zu verhindern.
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
- Ernährung
- Hoher Verzehr sogenannter hochprozessierter Lebensmittel (= hoher Grad an industrieller Verarbeitung, d. h. mit Zusatzstoffen, die in frischer Nahrung nicht enthalten sind); in diese Kategorie fallen typische „Ready-to-eat“- und „Ready-to-heat“-Produkte, des Weiteren auch Süßwaren, Softdrinks oder Fertigsoßen [32].
- Hohe Zufuhr von Süßgetränken, vor allem wenn sie mit künstlichen Süßstoffen versetzt sind [12]
- Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
- Genussmittelkonsum
- Alkohol (Frau: > 20 g/Tag; Mann: > 30 g/Tag); risikoarm sind Dosen von maximal 20 Gramm für Männer und 10 Gramm für Frauen
- > 24 Gramm täglich: 20 % erhöhtes Demenzrisiko [28]
- Menschen mit hohem Alkoholkonsum (Männer > 60 g/Tag; Frauen 40 g/Tag) entwickeln mehr als 3-mal häufiger als andere eine Demenz; Auftreten häufig bereits im jüngeren Alter [17]
- Tabak (Rauchen) [2, 6]
- Rauchen im Alter über 65 Jahren: 60 % erhöhtes Risiko [28]
- Alkohol (Frau: > 20 g/Tag; Mann: > 30 g/Tag); risikoarm sind Dosen von maximal 20 Gramm für Männer und 10 Gramm für Frauen
- Körperliche Aktivität
- geringe körperliche Bewegung und Tätigkeit [9]
- körperliche Inaktivität: 40 % erhöhtes Risiko [28]
- Fußball-Profifußballer (5-fach häufiger Demenzmedikation als Nichtsportler; darunter weniger Torhüter als Feldspieler wg. chronisch-traumatischer Hirnschädigung (engl. „concussion“) durch repetitive Kopfbälle oder -kollisionen) [26]
- Psycho-soziale Situation
- Einsamkeit – vor allem bei unter 80-Jährigen ohne ApoE4 als Risikofaktor [31]
- psychischer Stress
- soziale Isolation [28]
- Schlafqualität
- Langer Schlaf (> 9 Stunden; Ratio der Demenz-Mortalität (Sterberate) bei Langschläfern auf 1,63 (p = 0,03)) [4]
- Abnahme der Slow-Wave- oder Tiefschlafphasen im Alter: jede Verkürzung der Tiefschlafphasen um 1 % war mit einem Anstieg des Demenzrisikos um 27 % verbunden [36]
- Übergewicht (BMI (Body-Mass-Index) ≥ 25; Adipositas)
- 60 % erhöhtes Demenzrisiko [28]
- in mittleren Lebensjahren [1]
- Frauen, die im Alter von Mitte 50 adipös sind; ab 70 Jahren ist für diese Frauen ein erhöhtes Demenzrisiko nachweisbar [25]
- Untergewicht
- Frauen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von unter 20 kg/m2 erkrankten 2,93-mal so häufig an einer Demenz wie normalgewichtige Frauen [25]
[Zeitpunkt des Auftretens der Demenz: 5 Jahre nach Rekrutierung der Frauen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Studie ca. 55 Jahre alt waren]
- Frauen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von unter 20 kg/m2 erkrankten 2,93-mal so häufig an einer Demenz wie normalgewichtige Frauen [25]
- Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor
Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte [1]:
- Männer < 94 cm
- Frauen < 80 cm
Medikamente
- s. u. Ursachen
- u. a. Reduktion von Anticholinergika ab dem mittleren Lebensalter.
Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Anoxie, z. B. durch Narkosezwischenfall
- Blei
- Kohlenmonoxid
- Lösungsmittel-Enzephalopathie
- Luftschadstoffe [28]: Feinstaub (PM2,5) und Stickoxide; am meisten gefährdet waren Senioren, die unter einer Herzinsuffizienz oder einer ischämischen Herzerkrankung litten [27]
- Medikamenten-induzierte Hyponatriämie (Natriummangel) etwa durch Diuretika, Antiepileptika oder gelegentlich durch ACE-Hemmer – dieses kann zu einer sekundären Demenz führen
- Perchloräthylen
- Quecksilber
- Schwermetallvergiftung (Arsen, Blei, Quecksilber, Thallium)
Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)
- Biographische Ursachen:
- Verheiratete hatten ein 42 Prozent geringeres Risiko, an einer Demenz zu erkranken als die lebenslangen Singles [16]
- Bildung
- Personen, die mindestens einen Highschool-Abschluss [8]
- Kognitive Reserve (basierend auf Ausbildung, Job und Angaben zu geistigen Aktivitäten über die gesamte Lebensspanne): Demenzrate war im Drittel mit der höchsten kognitiven Reserve um etwa 40 % geringer als im Drittel mit der geringsten Reserve [21]
- Bildung: möglicherweise weil es die kognitiven Reserven im Alter erhöht und das Gesundheitsverhalten positiv beeinflusst [16]
- Beruf, der hohe kognitive Anforderungen stellt und ein hohes Maß an Gestaltungsmöglichkeiten bietet [29].
- Sozioökonomische Faktoren – soziale Kontakte im mittleren und späten Lebensalter [23]
- Mediterrane Kost:
- Risikoreduktion für leichte kognitive Störungen, MCI [3]
- Verlangsamung der Hirnatrophie im Alter [11]
- Genussmittelkonsum [s. u. WHO guidelines]
- Raucherentwöhnung
- Alkoholreduktion
- allerdings soll moderater Alkoholkonsum (Frau: < 20 g/Tag; Mann: < 30 g/Tag): wöchentlich 1-14 Einheiten (1 Einheit = 8 g Alkohol) protektiv sein [20]
- regelmäßige geringe Mengen von Alkohol können eine Demenz verhindern, selbst wenn bereits erste kognitive Einschränkungen (MCI; mild cognitive impairment) vorliegen [24]:
- geringer Konsum (1-7 Drinks pro Woche): Demenzinzidenz: -10 %
- moderater Konsum (7 bis 14 Drinks pro Woche): Demenzinzidenz: -7 %
- höchster Konsum (> 14 Drinks pro Woche): +72 %
- Regelmäßige körperliche Aktivität [s. u. WHO guidelines]
- Risikoreduktion um 22 Prozent [3]
- Langzeitstudie über 27 Jahre konnte keine Verbindung zwischen der Aktivität und dem Demenzrisiko nachweisen; ebenso zeigte sich, dass kein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an körperlicher Aktivität und etwaigem kognitivem Abbau in Verlauf von 15 Jahren nachzuweisen war [13]. Der aktuelle Cochrane-Review zu diesem Thema bestätigt dieses [14].
- Gewichtsmanagement [s. u. WHO guidelines]
- Lebensstilinterventionen
- Gesunde Ernährung, sportliche Übungen und kognitives Gehirntraining verbesserten bei Senioren mit einem erhöhten Demenzrisiko die kognitiven Leistungen [5].
- Berücksichtigung von vier Faktoren wie Rauchen, körperliche Aktivität, Ernährung und Alkoholkonsum führte dazu, dass bei den ziemlich ungesund lebenden Teilnehmern die Demenzrate um rund 35 % höher war als unter denen mit gesundem Lebensstil; bei den Teilnehmern mit ungesundem Lebensstil und ungünstigen Genen war die Demenzinzidenz 3-fach höher als unter den gesund lebenden mit günstigen Genen (1,8 versus 0,6 %); ein ungesunder Lebensstil führte zusätzlich und unabhängig davon zu einer um 40-50 % erhöhten Demenzrate [22].
- Ein gesunder Lebensstil bis zum Alter von 78 Jahren geht sowohl bei Frauen als auch Männern mit einem deutlich reduzierten Demenzrisiko einher, danach allerdings nicht mehr [35].
- Ausgewogener Schlaf: Schlafstörungen und obstruktive Schlafapnoe müssen behandelt werden.
- Saunagänge: Männer, die 4-7-mal pro Woche in die Sauna gehen, verringern ihr Risiko, an Demenz zu erkranken im Vergleich zu jenen, die nur einmal wöchentlich saunierten, um 66 Prozent [10].
- Hörgerätebenutzung durch ältere und schwerhörige Menschen:
- Risiko für einen kognitiven Abbau ist bei Trägern von Hörgeräten um 19 %, das Demenzrisiko um 17 % geringer als bei Schwerhörigen, die auf solche Mittel verzichten [33]. Einschränkung: Beobachtungsstudien
- Menschen mit Schwerhörigkeit ohne Hörgerät haben ein um 42 Prozent erhöhtes Risiko, eine Demenz zu bekommen. Das Tragen eines Hörgerätes konnte laut einer Studie das Demenzrisiko ausgleichen [34].
Beachte: Assoziation ist nicht gleichbedeutend mit Kausalität!
- Regelmäßige Blutdruckkontrolle bei Hypertonikern [s. u. WHO guidelines]
- Behandlung von Diabetes mellitus, Dyslipidämie, Depression und Hörverlust gemäß Therapieleitlinien [s. u. WHO guidelines]
- Medikamente:
- Antihypertensive Therapie (blutdrucksenkende Maßnahmen): 43 Prozent geringeres Demenzrisiko bei Studienteilnehmern, die antihypertensive Medikamente erhalten hatten im Vergleich zu unbehandelten hypertensiven Teilnehmern [19]
- Pioglitazon (Arzneistoff aus der Gruppe der oralen Antidiabetika/Insulin-Sensitizer) verringert das Risiko einer Demenz für Diabetiker wesentlich; wenn der Wirkstoff mindestens zwei Jahre verabreicht wurde, war das Erkrankungsrisiko um 47 % geringer als bei Nicht-Diabetikern [7].
- Metformin (gehört zur Gruppe der Biguanide): dafür liegen ähnliche Ergebnisse vor.
- Metformin und Diabetes mellitus: Typ-2-Diabetiker, die die Behandlung mit Metformin – aus anderen Gründen als einer Verschlechterung der Nierenfunktion – abbrachen, erkrankten in einer Kohortenstudie häufiger an einer Demenz [37].
- Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) führt zur Verringerung des Demenzrisikos: Inzidenzrate (Häufigkeit von Neuerkrankungen) für Demenz war in der Gruppe mit Antikoagulation niedriger als in der Gruppe ohne Antikoagulation (1,14 vs. 1,78 pro 100 Patientenjahre) [15].
ECS-Positionspapier: Empfehlungen zur Prävention eines kognitiven Verfalls bei Patienten mit VHF [18]:- Patienten mit Vorhofflimmern und Apoplex-Risikofaktoren sollten zur Vermeidung kognitiver Störungen eine angemessene Antikoagulation erhalten.
- Bevorzugung der neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten (VKA)
- Falls Patienten ein VKA erhalten, sollten die Wirkstoffspiegel zu einem hohen Anteil im therapeutischen Bereich liegen ("Time in Therapeutic Range").
- Nach 10 Therapiejahren war das Risiko in der NOAK-Gruppe signifikant um 28 % niedriger als unter VKA, sowohl im Hinblick auf die Demenz jeglicher Ursache als auch hinsichtlich vaskulärer Demenz [38].
- Lebensstilmaßnahmen s. o.), mit denen sich das Risiko für Vorhofflimmern-Rezidive und Apoplexe reduzieren lassen, könnten sich auch auf die kognitive Funktion positiv auswirken.
- Bei Vorhofflimmern-Patienten, bei denen ein Verdacht auf einen kognitiven Verfall besteht, sollte ein kognitives Assessment erfolgen.
- Grippeimpfungen: Mehr als 6 Impfungen binnen 80 Monaten reduzierte das Demenzrisiko signifikant um 12 % [30].
Pathophysiologischer Hintergrund: die Impfung erhöht die Mikroglia-Aktivität. Dieses wiederum führt dazu, dass Beta-Amyloid vermehrt abgebaut wird.
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