Delir – Prävention

Zur Prävention des Delirs muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

Das Delirrisiko verstärken:

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung
    • Mangelernährung – Eine unzureichende Nährstoffversorgung beeinträchtigt den Stoffwechsel und das zentrale Nervensystem, was das Delirrisiko erhöht.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkoholabusus – Chronischer Alkoholkonsum stört das Nervensystem und begünstigt Delirium, insbesondere bei Alkoholentzug.
    • Nikotin – Rauchen kann durch vasokonstriktive Effekte die Sauerstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigen.
  • Drogenkonsum
    • Amphetamine und Methamphetamine ("Crystal Meth") – Überstimulieren das zentrale Nervensystem und erhöhen das Delirrisiko.
    • Ecstasy (XTC) – Führt zu neurotoxischen Effekten und kann delirähnliche Zustände hervorrufen.
    • GHB ("Liquid Ecstasy") – Erhöht das Risiko für Bewusstseinseintrübungen und Delirium.
    • Kokain – Stark sympathomimetische Wirkung kann akute Verwirrtheitszustände verursachen.
    • LSD (Lysergsäurediäthylamid) – Halluzinogene Effekte können Delirien begünstigen.
    • Opiate (z. B. Morphin) – Bei Überdosierung oder Entzug können Delirien auftreten.
    • PCP ("Angel Dust") – Starke neurotoxische Effekte mit dissoziativen Zuständen und Delirrisiko.
  • Körperliche Aktivität
    • Immobilität
  • Psycho-soziale Situation
    • Mangel an sozialer Interaktion

Medikamente, die die Entstehung deliranter Symptome begünstigen (modifiziert nach [1]) 

  • ACE-Hemmer
  • Alphablocker
  • Analgetika: 
    • Acetylsalicylsäure (nur in hohen Dosen delirogen) 
    • Nichtsteroidale-Antirheumatika (NSAR) können Delir auslösend wirken 
    • Opiate (Hochrisikosubstanzen beim Ansetzen und auch beim Absetzen)
  • Antiarrhythmika
  • Antibiotika
    • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin)
    • ß-Lactam-Antibiotika
    • Cephalosporine
    • Makrolide
    • Penicillin in hohen Dosen
  • Anticholinergika
  • Antidepressiva:
    •  Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
    • Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
    • Trizyklische Antidepressiva
  • Antidiabetika, orale – die Hypoglykämien auslösen
  • Antiepileptika, u. a. auch Phenytoin
  • Antihypertensiva (blutdrucksenkende Medikamente) – Alpha-Rezeptorenblocker (ZNS-Dämpfung kann durch Alkohol, Antipsychotika, Antihistaminika, Benzodiazepine und Opiate verstärkt werden)
  • Antikonvulsiva (Antiepileptika) – unerwünschte Arzneimittelwirkung meist infolge einer Überdosierung; Cave! Hyponatriämie unter Carbamazepin und Oxcarbazepin
  • Antipsychotika (Neuroleptika) – Präparate mit anticholinerger Potenz (z. B. Clozapin und Olanzapin) sind stärker delirogen
  • Antivertiginosa
  • Betablocker
  • Benzodiazepine (3-faches Delirrisiko) [2] – Entzug kann ein Delir verursachen
  • Calciumantagonisten
  • Betäubungsmittel (BtM)
  • Digitalesglykoside, z. B. Digitoxin, Digoxin
  • Diuretika (vor allem Thiazide)
  • Hormone
    • Corticosteroide, systemische
    • Steroide, systemische (delirogene Risiko ist dosisabhängig)
  • Ketamin (Narkotikum)
  • Lithium
  • MAO-Hemmer
  • Neuroleptika (D2-Antagonisten und Serotonin-Dopamin-Antagonisten) (4,5-faches Delirrisiko) [2]
  • Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR)
  • Nitrate und andere Vasodilatanzien
  • Lidocain
  • Opiate
  • Opioide (2,5-faches Delirrisiko) [2]
  • Parasympatholytika
  • Parkinson-Mittel:
    • Amantadin und Dopaminagonisten (z. B. Bromocriptin) (höheres Risiko)
    • Cathechol-O-Methyltransferase (COMT-)-Hemmer (niedriges Risiko)
    • Levodopa (geringste delirogene Potenz)
  • Pflanzliche Wirkstoffe, nicht näher bezeichnet
  • Psychoaktive Medikamente (auch Antipsychotika, Antidepressiva, Tranquilizer)
  • Sedierende H1-Antihistaminika (auch als Antiemetika)
  • Theophyllin

Weitere Risikofaktoren

  • Medizinische Faktoren

    • Polypharmazie (> 6 verordnete Medikamente)
    • Akute metabolische Entgleisungen (z. B. Elektrolytstörungen, Hyperglykämie)
    • Infektionen (z. B. Harnwegsinfekte, Pneumonie)
    • Schlafstörungen und Störungen des zirkadianen Rhythmus
    • Harnblasenkatheterisierung und Fremdkörper (z. B. Drainagen)
    • Kognitive Defizite (z. B. Demenz)
    • Unzureichende oder übertriebene Schmerztherapie
    • Künstliche Beatmung
  • Umweltfaktoren

    • Sensorische Deprivation (fehlende Brille oder Hörgeräte)
    • Reizüberflutung auf der Intensivstation
    • Tageslichtmangel und Lärmexposition
    • Fremde Umgebung und wiederholte Zimmerwechsel
    • Soziale Isolation
  • Physische Faktoren

    • Immobilität und fehlende Frühmobilisation
    • Druckulzera und Mangelernährung
    • Lange Nüchternphasen vor Operationen
    • Psychische und körperliche Belastungen nach Operationen

Delirrisiko im Krankenhaus verstärkende Faktoren reduzieren (= Maßnahmen zur Delirprävention):

  • Akute metabolische Entgleisungen (Stoffwechselentgleisungen)
  • Dehydratation (Flüssigkeitsmangel)
  • Druckulzera
  • Fixierungsmaßnahmen
  • Fremdkörper (z. B. Drainagen, Blasenkatheter)
  • Harnblasenkatheterisierung
  • Infektionen
  • Insomnie (Schlafstörungen), nicht näher bezeichnet
  • Kognitive Defizite
  • Körperliche Behinderung (Immobilität), nicht näher bezeichnet
  • Künstliche Beatmung
  • Malnutrition (Mangelernährung)
  • Nahrungskarenz (lange Nüchternheitsphase vor Operation)
  • Postoperative Verläufe mit Komplikationen
  • Psychische und körperliche Belastungen (z. B. Operationen)
  • Reizüberflutung (insb. auf einer Intensivstation)
  • Senile Demenz vom Alzheimer-Typ
  • Sinnesstörungen (Visuseinschränkungen; Gehöreinschränkungen)
  • Störungen des zirkadianen Rhythmus
  • Stundenlanges Warten auf die OP
  • Therapie mit mind. drei neuen Medikamenten
  • Unzureichende/übertriebene Schmerztherapie

Delirprophylaxe

Durch Präventionsmaßnahmen kann ein Delir häufig vermieden werden.

  • Reorientierung (Patientenzimmer mit Uhr, Kalender, Radio und Fernseher)
  • Vermeidung von Lärm und Zimmerwechsel
  • Adäquate Ernährung und Vermeidung von Dehydratation (Flüssigkeitsmangel)
  • Unterstützung bei Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
  • Frühmobilisation und intensivierte Physiotherapie; kognitive Aktivierung
  • Verzicht/Entfernung unnötiger Katheter (z. B. Blasenkatheter)
  • Stuhlregulierung, d. h. Vermeidung von Obstipation (Verstopfung) 
  • Angepasste Schmerztherapie
  • Wiederherstellung des Tag-Nacht-Rhythmus
  • frühzeitige Operation
  • Einbindung von Angehörigen bzw. Bezugsperson (ggf. Rooming-in)
  • Vermeidung von Fixierungsmaßnahmen bzw. Beschränkung derselben auf ein Minimum
  • Vermeidung von Polypharmazie

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

Zur Prävention des Delirs spielen gezielte Maßnahmen eine zentrale Rolle, um Risikofaktoren zu minimieren und die kognitive sowie körperliche Stabilität der Betroffenen zu fördern.

  • Ernährung
    • Adäquate Nährstoffzufuhr – Sicherstellung einer ausgewogenen Ernährung zur Vermeidung von Mangelernährung.
    • Flüssigkeitsaufnahme – Regelmäßige Hydratation zur Prävention von Dehydratation.
    • Stuhlregulierung – Vermeidung von Obstipation durch eine ballaststoffreiche Ernährung.
  • Stressmanagement und Umweltgestaltung
    • Reorientierung – Ausstattung des Patientenzimmers mit Uhr, Kalender und persönlichen Gegenständen (z. B. Radio, Fotos) zur kognitiven Stabilisierung.
    • Vermeidung von Lärm und Zimmerwechsel – Schutz vor nächtlicher Störung und unnötigem Stress.
    • Wiederherstellung des Tag-Nacht-Rhythmus – Sicherstellung ausreichender Schlafhygiene durch Lichtanpassung, Ohrstöpsel oder Nachtmasken.
  • Physische Aktivität und Mobilisation
    • Frühmobilisation – Förderung von Bewegung und intensiver Physiotherapie zur Vermeidung von Immobilität.
    • Kognitive Aktivierung – Gezielte Gedächtnisübungen zur Unterstützung der Hirnfunktion.
    • Verzicht auf unnötige Katheter – Entfernung von Fremdkörpern wie Blasenkathetern zur Reduktion von Irritationen.

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention konzentriert sich auf die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Risikofaktoren zur Vermeidung eines akuten Delirs.

  • Früherkennung von Risikopatienten
    • Screening – Regelmäßige Überprüfung auf kognitive Defizite und frühzeitige Symptome wie Verwirrtheit oder Halluzinationen.
    • Risikoevaluation – Identifikation von Patienten mit Infektionen, Polypharmazie oder metabolischen Entgleisungen.
  • Gezielte Interventionen
    • Frühzeitige Operationen – Vermeidung langer Nüchternphasen und zügige Behandlung nach Komplikationen.
    • Optimierte Schmerztherapie – Sicherstellung einer adäquaten, jedoch nicht übertriebenen Schmerzbehandlung.
    • Reduktion von Fixierungsmaßnahmen – Minimierung unnötiger Fixierungen zur Reduktion von Stress und Reizüberflutung.
  • Medizinische Kontrolle
    • Polypharmazie vermeiden – Regelmäßige Überprüfung der Medikation auf potenziell delirfördernde Substanzen.
    • Elektrolyt- und Flüssigkeitskontrolle – Frühzeitige Behandlung von metabolischen Störungen und Dehydratation.

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention zielt darauf ab, Komplikationen nach einem durchlebten Delir langfristig zu minimieren und die kognitive Erholung zu fördern.

  • Rehabilitation und Betreuung
    • Multidisziplinäre Nachsorge – Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegepersonal, Psychologen und Physiotherapeuten zur Förderung der Genesung.
    • Physiotherapie – Förderung der körperlichen Mobilität und Vermeidung weiterer Immobilität.
  • Lebensstilinterventionen
    • Ernährungsoptimierung – Ausreichende Nährstoffzufuhr und Vermeidung von Dehydratation.
    • Umweltanpassung – Reduktion von Stressfaktoren durch eine strukturierte Umgebung und gezielte Reorientierung.
  • Psychosoziale Unterstützung
    • Einbindung von Angehörigen – Stärkung des sozialen Umfelds zur Unterstützung der kognitiven und emotionalen Stabilität.
    • Langzeitbegleitung – Spezialisierte Betreuung für Patienten mit Demenz oder kognitiven Folgestörungen zur Reduktion weiterer Delirepisoden.

Literatur

  1. Österreichische Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie: Polypharmazie. Wien 2013
  2. Clegg A, Young JB: Which medication to avoid in people at risk of delirium: a systematic review. Age Ageing 2011 Jan;40(1):23-9. doi: 10.1093/ageing/afq140. Epub 2010 Nov 9.