Delir – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Delirs dar.

Familienanamnese

  • Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
  • Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen, die häufig vorkommen (z. B. neurologische oder psychische Störungen)?
  • Gab es kürzlich belastende Ereignisse wie Isolation, Ortswechsel, Verlust oder Trauerfälle?

Soziale Anamnese

  • Welchen Beruf üben Sie aus?
  • Sind Sie derzeit sozial isoliert oder beruflich stark belastet?
  • Haben sich Ihre Lebensumstände in letzter Zeit stark verändert?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Welche Beschwerden oder Veränderungen sind Ihnen aufgefallen?
    • Schwankungen der Aufmerksamkeit und Orientierung über Stunden oder Tage?*
    • Haben Sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder längere Gespräche zu führen?
    • Einschränkungen in Sprache, Gedächtnis oder Denkvermögen?*
    • Haben Sie Veränderungen oder Störungen bemerkt (z. B. Schlaflosigkeit oder Tagesschläfrigkeit)?
    • Hören oder sehen Sie Dinge, die nicht da sind?*
    • Haben Sie unbegründete Ängste oder Überzeugungen?*
    • Veränderungen der Stimmungslage (z. B. depressive Verstimmung, starke Unruhe oder Euphorie)?*
    • Apathie (Teilnahmslosigkeit) oder Agitation (Unruhe)*:
      • Sind Sie ungewöhnlich zurückgezogen und teilnahmslos?
      • Oder fühlen Sie sich übermäßig unruhig und zu hastigen Bewegungen gedrängt?
  • Ist die Störung akut aufgetreten?
  • Wie lange bestehen die Symptome bereits?
  • Gab es vor Auftreten der Symptome eine medizinische Behandlung, Operation oder Krankenhausaufenthalt?
  • Haben Sie weitere Symptome:
    • Kopfschmerzen, Fieber oder Schwächegefühl?*
    • Sprachstörungen oder Gleichgewichtsstörungen?*

Weitere Fragen s. u. "Delir/Körperliche Untersuchung" unter NU-DESC (Nursing Delirium Screening Scale).

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Haben Sie in letzter Zeit vermehrt an Gewicht verloren oder zugenommen? Geben Sie bitte uns Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Ernähren Sie sich ausgewogen?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?

Eigenanamnese

  • Bestehen bekannte neurologische oder psychische Erkrankungen wie Depression, Demenz oder frühere Delir-Episoden?
  • Gab es kürzlich größere operative Eingriffe?
  • Haben Sie bereits eine Strahlentherapie erhalten?
  • Bestehen bekannte Allergien oder Unverträglichkeiten?

Medikamentenanamnese (modifiziert nach [1]) 

  • ACE-Hemmer
  • Alphablocker
  • Analgetika 
    • Acetylsalicylsäure (nur in hohen Dosen delirogen) 
    • Nichtsteroidale-Antirheumatika (NSAR) können Delir auslösend wirken 
    • Opiate (Hochrisikosubstanzen beim Ansetzen und auch beim Absetzen)
  • Antiarrhythmika
  • Antibiotika
    • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin)
    • ß-Lactam-Antibiotika
    • Cephalosporine
    • Makrolide
    • Penicillin in hohen Dosen
  • Anticholinergika
  • Antidepressiva
    • Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
    • Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
    • Trizyklische Antidepressiva
  • Antidiabetika, orale – die Hypoglykämien auslösen
  • Antiepileptika, u. a. auch Phenytoin
  • Antihypertensiva (blutdrucksenkende Medikamente) – Alpha-Rezeptorenblocker (ZNS-Dämpfung kann durch Alkohol, Antipsychotika, Antihistaminika, Benzodiazepine und Opiate verstärkt werden)
  • Antikonvulsiva (Antiepileptika) – unerwünschte Arzneimittelwirkung meist infolge einer Überdosierung; Cave! Hyponatriämie unter Carbamazepin und Oxcarbazepin
  • Antipsychotika (Neuroleptika) – Präparate mit anticholinerger Potenz (z. B. Clozapin und Olanzapin) sind stärker delirogen
  • Antivertiginosa
  • Betablocker
  • Benzodiazepine (3-faches Delirrisiko) [2] – Entzug kann ein Delir verursachen
  • Calciumantagonisten
  • Betäubungsmittel (BtM)
  • Digitalesglykoside, z. B. Digitoxin, Digoxin
  • Diuretika (vor allem Thiazide)
  • Hormone
    • Corticosteroide, systemische
    • Steroide, systemische (delirogene Risiko ist dosisabhängig)
  • Ketamin (Narkotikum)
  • Lithium
  • MAO-Hemmer
  • Neuroleptika (D2-Antagonisten und Serotonin-Dopamin-Antagonisten) (4,5-faches Delirrisiko) [2]
  • Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR)
  • Nitrate und andere Vasodilatanzien
  • Lidocain
  • Opiate
  • Opioide (2,5-faches Delirrisiko) [2]
  • Parasympatholytika
  • Parkinson-Mittel
    • Amantadin und Dopaminagonisten (z. B. Bromocriptin) (höheres Risiko)
    • Cathechol-O-Methyltransferase (COMT-)-Hemmer (niedriges Risiko)
    • Levodopa (geringste delirogene Potenz)
  • Pflanzliche Wirkstoffe, nicht näher bezeichnet
  • Psychoaktive Medikamente (auch Antipsychotika, Antidepressiva, Tranquilizer)
  • Sedierende H1-Antihistaminika (auch als Antiemetika)
  • Theophyllin

Umweltanamnese

  • Alkoholintoxikation (Alkoholvergiftung)
  • Alkoholentzug
  • Gifte wie Kohlenmonoxid, Ethylenglykol (Gefrierschutzmittel), Pestizide (Schädlingsbekämpfungsmittel)

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Österreichische Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie: Polypharmazie. Wien 2013
  2. Clegg A, Young JB: Which medication to avoid in people at risk of delirium: a systematic review. Age Ageing 2011 Jan;40(1):23-9. doi: 10.1093/ageing/afq140. Epub 2010 Nov 9.