Asperger-Syndrom – Symptome – Beschwerden

Patienten mit Asperger-Syndrom (AS) zeigen Auffälligkeiten in mindestens einem der drei autistischen Kernsymptomen [mod. nach 3]:

  • "Störung der sozialen Interaktion"
    • Einzelgänger seit der Kindheit
    • Mangelnde Empathie in sozialen Beziehungen
  • "Störung der Kommunikation" 
    • flüchtiger Augenkontakt
    • reduzierte Gestik und Mimik
    • auffällige Sprechmelodie
    • implizite Aufforderungen werden nicht verstanden
  • "Eingeschränkte Interessen und repetitive Verhaltensmuster"
    • intensive Beschäftigung mit einem speziellen Wissensgebiet
    • Sammelleidenschaften ohne sozialen Bezug
    • ausgeprägtes Festhalten an ungewöhnlichen Gewohnheiten

Psychosoziale Auswirkungen in mindestens einem Bereich:

  • anhaltende Schwierigkeiten in Ausbildung und Beruf
  • Probleme mit Initiierung und Aufrechterhaltung von Freundschaften
  • frühere oder aktuelle Konsultationen aufgrund psychischer Probleme oder Teilleistungsstörungen
  • Vorgeschichte einer Entwicklungsstörung (z. B. ADHS) oder psychischen Erkrankung (z. B. Depression, Zwangsstörung)

Jeder zweite Betroffene mit AS leidet unter komorbiden Angststörungen oder Depressionen. 

Folgende Symptome und Beschwerden können auf ein Asperger-Syndrom hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf das Asperger-Syndrom und werden oft zuerst bemerkt:

  • Kontaktdefizite und Schwierigkeiten im sozialen Umgang: Personen mit Asperger-Syndrom haben fast immer (nahezu 100 %) Schwierigkeiten, soziale und emotionale Signale zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Auffälliger Blickkontakt und ein ungeschicktes oder merkwürdiges Verhalten sind häufig.

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild des Asperger-Syndroms:

  • Beeinträchtigung der verbalen und nonverbalen Kommunikation: Etwa 80-90 % der Betroffenen zeigen einen auffälligen Sprachgebrauch, wie monotone oder ungewöhnlich formale Sprechweise, und haben Schwierigkeiten, nonverbale Signale wie Gestik und Mimik zu verstehen.
  • Ritualisierte Abläufe und intensive Sonderinteressen: Personen mit Asperger-Syndrom neigen in etwa 70-90 % der Fälle dazu, feste Routinen zu haben und spezifische Interessen sehr intensiv und zeitaufwendig zu verfolgen.
  • Relativ normale geistige Entwicklung: Die geistige Entwicklung verläuft meist altersgerecht, was das Asperger-Syndrom von anderen Autismus-Formen unterscheidet. Etwa 70-80 % der Betroffenen haben eine normale oder überdurchschnittliche Intelligenz.
  • Relativ normale Intelligenz: Die Intelligenz ist im Normalbereich, oft sogar überdurchschnittlich in bestimmten Bereichen.

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Verzögerte motorische Entwicklung: Etwa 60-80 % der Betroffenen zeigen motorische Auffälligkeiten, wie ungeschickte Bewegungen oder Schwierigkeiten bei feinmotorischen Aufgaben, was sich beispielsweise in einem ungeschickten Bewegungsablauf oder Problemen beim Schreiben zeigt.
  • Koordinationsstörungen: Unbeholfene Bewegungen und Schwierigkeiten bei sportlichen Aktivitäten sind häufig und treten bei etwa 60-80 % der Betroffenen auf.
  • Distanzlosigkeit: Schwierigkeiten, soziale Grenzen einzuhalten, und unangemessenes Reagieren auf Nähe oder Distanz in zwischenmenschlichen Beziehungen werden bei etwa 50-60 % der Betroffenen beobachtet.
  • Reizbarkeit: Eine erhöhte Reizbarkeit tritt bei etwa 30-50 % der Personen mit Asperger-Syndrom auf, besonders wenn Routinen gestört werden oder ungewohnte Situationen auftreten.
  • Depressionen und Angststörungen: Etwa 30-50 % der Betroffenen entwickeln im Laufe ihres Lebens Depressionen oder Angststörungen.

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Müdigkeit
  • Appetitlosigkeit
  • Schlafstörungen

Weitere Hinweise

  • Das Asperger-Syndrom (AS) lässt sich gegenüber dem frühkindlichen Autismus (FA) durch die fehlende sprachlich-kognitiven Entwicklung in den ersten Lebensjahren abgrenzen.
  • Bei einer "milden" autistischen Symptomausprägung können sozial-kommunikative und Interaktionäre Defizite durch hohe sozial-kognitive Kompensationsleistungen des Betroffenen ausgeglichen werden.
  • Bei Schwellensituationen (z. B. Auszug aus dem Elternhaus, Berufswechsel, Partnerschaftswunsch) sind die nicht-intuitiven Kompensationsmechanismen häufig zu starr.

Diagnosekriterien des Asperger-Syndroms beim Erwachsenen (nach dem ADULT Asperger Assessment (AAA)) [2]

Bereiche Subthemen
A: Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion (≥ 3 von 5 Bereichen)
  • Deutliche Beeinträchtigungen im Bereich des nonverbalen Verhaltens
  • Möchte anderen nicht gefallen oder seine/ihre Erfahrungen mitteilen
  • Erfolglosigkeit beim Aufbau von Beziehungen zu Gleichaltrigen
  • Fehlen von sozialer oder emotionaler Gegenseitigkeit
  • Probleme beim Interpretieren sozialer Situationen oder von Gefühlen oder Gedanken anderer Menschen
B: Eingeschränkte, sich wiederholende und stereotype Verhaltens- und Interessenmuster (≥ 3 von 5 Bereichen)
  • Umfassende Beschäftigung mit stereotypen und eingeschränkten Verhaltensmustern
  • Offensichtlich unflexibles Verfolgen von spezifischen nicht funktionalen Tätigkeiten oder Ritualen
  • Stereotype und sich wiederholende Manierismen
  • Anhaltende Beschäftigung mit bestimmten Teilen von Objekten/Systemen
  • Tendenz zum "Schwarz-Weiß Denken" ohne flexibel verschiedene weitere Möglichkeiten in Betracht ziehen zu können
C: Qualitative Beeinträchtigung der verbalen und nonverbalen Kommunikation ( 3 von 5 Bereichen
  • Neigung dazu, in jedem Gespräch auf die eigene Person bzw. interessierende Inhalte zu sprechen zu kommen
  • Deutliche Beeinträchtigung bei der Initiierung und Aufrechterhaltung einer Unterhaltung
  • Pedantische Erzählstil bzw. sich verlieren in Details
  • Unfähigkeit, Interesse oder Langeweile beim Zuhörer zu erkennen
D: Beeinträchtigung des Vorstellungsvermögens (≥ 1 von 3 Bereichen)
  • Fehlen von spontanem, abwechslungsreichem Rollenspiel (z. B. mit Kindern "So-tun-als-ob-Spiele")
  • Unfähigkeit Geschichten zu erzählen, zu schreiben oder zu erfinden
  • fehlendes Interesse an Romanen oder Dramen oder beschränkt auf z. B. Wissenschaft, Technik, Geschichte
E: Notwendige Bedingungen (alle Bereiche):
  • Während der Kindheit bestehen bereits Auffälligkeiten in jedem der Bereiche A bis D.
  • Daraus resultierende Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Lebensbereichen
  • Im Bereich der sprachlichen Entwicklung liegen keine signifikanten Verzögerungen vor.
  • Eine andere tiefgreifende Entwicklungsstörung oder Schizophrenie muss ausgeschlossen werden.

Literatur

  1. Interdisziplinäre S3-Leitlinie: Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter Teil 1: Diagnostik . (AWMF-Registernummer: 028-018), April 2016 Langfassung
  2. Baron-Cohen S, Wheelwright S, Robinson J, Woodbury-Smith M: The Adult Asperger Assessment (AAA): a diagnostic method.
    J Autism Dev Disord 2005 Dec; 35 (6):807-19
  3. Pilling S, Baron-Cohen S, Megnin-Viggars O, Lee R, Taylor C; Guideline Development Group: Recognition, referral, diagnosis, and management of adults with autism: summary of NICE guidance. BMJ 2012 Jun 27;344:e4082. doi: 10.1136/bmj.e4082

Leitlinien

  1. Interdisziplinäre S3-Leitlinie: Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter Teil 1: Diagnostik . (AWMF-Registernummer: 028-018), April 2016 Langfassung