Asperger-Syndrom – Prävention

Zur Prävention des Asperger-Syndroms muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung
    • Pränatale Mangelernährung – Ein Mangel an essenziellen Mikronährstoffen wie Folsäure und Omega-3-Fettsäuren während der Schwangerschaft kann das Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) erhöhen.
    • Pränatale Exposition gegenüber hochkalorischen Diäten – Stark verarbeitete Lebensmittel und übermäßiger Konsum von Zucker können inflammatorische Prozesse fördern.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkoholkonsum während der Schwangerschaft – Fördert neuronale Fehlbildungen und erhöht das Risiko für neurodevelopmentale Störungen.

Einnahme der Mutter während der Schwangerschaft:

  • Misoprostol ‒ Wirkstoff, der bei Magengeschwüren eingesetzt wird
  • Thalidomid ‒ Beruhigungs-/Schlafmittel, welches durch den sog. Contergan-Skandal bekannt wurde
  • Valproinsäure/Valproat ‒ Wirkstoff, der bei Epilepsie eingesetzt wird [3]

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Luftschadstoffe
    • Luftverschmutzung (Dieselpartikeln, Quecksilber sowie Blei, Nickel, Mangan und Methylenchloriden) [1]
    • Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung während der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr [2]
  • Pränatale Belastung mit polychlorierten Biphenylen (PCB) und Organochlorpestiziden (OCP) [5]
    Hinweis: Polychlorierte Biphenyle gehören zu den endokrinen Disruptoren (Synonym: Xenohormone), die bereits in geringsten Mengen durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können.

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

  • Genetische Faktoren:
    • Genetische Risikoreduktion abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gen: SLC25A12
        • SNP: rs2056202 im Gen SLC25A12 [Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)]
          • Allel-Konstellation: CT (0,8-fach)
          • Allel-Konstellation: TT (0,64-fach)
        • SNP: rs2292813 im Gen SLC25A12 [Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)]
          • Allel-Konstellation: CT (0,75-fach)
          • Allel-Konstellation: TT (0,56-fach)
        • SNP: rs10513025 in einer intergenischen Region [Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)]
          • Allel-Konstellation: CT (0,55-fach)
          • Allel-Konstellation: CC (> 0,55-fach)
  • Ernährung
    • Pränatale Folsäure-Supplementierung – Reduktion des Risikos für ASS bei Kindern
    • Ausgewogene Ernährung während der Schwangerschaft – Sicherstellung der Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure) und Mikronährstoffen.
    • Meidung hochkalorischer Diäten – Verzicht auf stark verarbeitete und zuckerreiche Lebensmittel.
  • Lebensstil
    • Vermeidung von Genussmitteln und Drogen – Kein Alkohol- oder Tabakkonsum während der Schwangerschaft, Verzicht auf Cannabis, Amphetamine oder Kokain.
    • Stressmanagement in der Schwangerschaft – Förderung der emotionalen Gesundheit durch Entspannungstechniken.

Sekundärprävention 

Die Sekundärprävention zielt darauf ab, Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren und eine gezielte Diagnostik einzuleiten, um zeitnah therapeutische Maßnahmen zu ermöglichen.

Indikationen für ein Screening

Bei Vorliegen eines der folgenden Risikofaktoren sowie zusätzlich mindestens eines Symptoms, das auf eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) hinweist, sollte ein Screening in Erwägung gezogen werden [4]:

  • Genetische Befunde – Nachweis von Mutationen, Mikrodeletionen, Mikroduplikationen oder Chromosomenaberrationen, die mit einer erhöhten Rate an Autismus-Spektrum-Störungen assoziiert sind.
  • Medikamenten-Exposition in der Schwangerschaft – Einnahme von Valproinsäure, Thalidomid oder Misoprostol durch die Mutter während der Schwangerschaft.
  • Infektionen während der Schwangerschaft – Virusinfektionen wie Röteln, Cytomegalievirus oder Zika-Virus.
  • Geburtsfaktoren – Frühgeburt vor der 32. Schwangerschaftswoche oder ein Geburtsgewicht unter 1.500 g.
  • Neurologische Auffälligkeiten – Auftreten von neonatalen Krampfanfällen oder auffälligen EEG-Befunden.
  • Familiäre Belastung – Vorliegen eines Geschwisterkindes mit diagnostizierter Autismus-Spektrum-Störung.

Screening-Verfahren

  • AQ (Autismus-Spektrum-Quotient) – Standardisierte Fragebogenmethode zur Erfassung autistischer Merkmale.
  • CHAT (Checklist for Autism in Toddlers) – Früherkennungstool für autistische Verhaltensweisen bei Kleinkindern.
  • MBAS (Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom) – Diagnostisches Instrument zur Erkennung des Asperger-Syndroms.
  • FSK (= SCQ; Fragebogen zur sozialen Kommunikation) – Instrument zur Bewertung von Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten.
  • SCDC (Social and Communication Disorders Checklist) – Checkliste zur Identifikation von Störungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation.

Ernährung

  • Pränatale Folsäure-Supplementierung – Wissenschaftlich validiert, Reduktion des Risikos für ASS durch frühzeitige Einnahme.
  • Ausgewogene Ernährung während der Schwangerschaft – Sicherstellung der Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure) und Mikronährstoffen.
  • Meidung hochkalorischer Diäten – Verzicht auf stark verarbeitete und zuckerreiche Lebensmittel.

Lebensstil

  • Vermeidung von Genussmitteln und Drogen – Kein Alkohol- oder Tabakkonsum während der Schwangerschaft.
  • Stressmanagement in der Schwangerschaft – Förderung der emotionalen Gesundheit durch Techniken wie Meditation oder Yoga.

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention zielt darauf ab, bei bereits diagnostizierten Autismus-Spektrum-Störungen die Lebensqualität zu verbessern, sekundäre Komplikationen zu minimieren und die Integration in Gesellschaft und Bildung zu fördern.

  • Langzeittherapie
    • Therapeutische Unterstützung – Einsatz von evidenzbasierten Interventionen wie Applied Behavior Analysis (ABA), TEACCH (Treatment and Education of Autistic and Related Communication-Handicapped Children) und kognitiv-behavioraler Therapie.
    • Sprach- und Kommunikationstraining – Förderung der sozialen Interaktion und des sprachlichen Ausdrucks durch Logopädie.
    • Sensorische Integrationstherapie – Unterstützung bei der Verarbeitung von sensorischen Reizen, um Überempfindlichkeiten und Fehlwahrnehmungen zu reduzieren.
  • Lebensstilinterventionen
    • Regelmäßige körperliche Aktivität – Verbesserung der allgemeinen Gesundheit und Stressbewältigung.
    • Strukturierter Alltag – Klare Routinen und Planungen zur Minimierung von Überforderungen.
    • Angepasste Ernährung – Sicherstellung einer ausgewogenen Mikronährstoffversorgung, insbesondere Omega-3-Fettsäuren.
  • Psychosoziale Unterstützung
    • Familienberatung – Unterstützung der Angehörigen durch Schulungen und Beratungsprogramme.
    • Selbsthilfegruppen – Austausch mit anderen Betroffenen zur emotionalen Entlastung.
    • Integrative Bildungsprogramme – Förderung der Inklusion in Bildungseinrichtungen durch individuelle Förderpläne und Schulbegleitung.

Literatur

  1. Roberts AL, Lyall K, Hart JE, Laden F, Just AC, Bobb JF, Koenen KC, Ascherio A, Weisskopf MG: Perinatal Air Pollutant Exposures and Autism Spectrum Disorder in the Children of Nurses’ Health Study II Participants. Environ Health Perspect; DOI:10.1289/ehp.1206187
  2. Volk EV, Lurmann F, Penfold B, Hertz-Picciotto I, McConnell R: Traffic-Related Air Pollution, Particulate Matter, and Autism. AMA Psychiatry. 2013;70(1):71-77. doi:10.1001/jamapsychiatry.2013.266.
  3. Wood AG et al.: Prospective assessment of autism traits in children exposed to antiepileptic drugs during pregnancy. Epilepsia. 2015 May 11. doi: 10.1111/epi.13007.
  4. Interdisziplinäre S3-Leitlinie: Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter Teil 1: Diagnostik . (AWMF-Registernummer: 028-018), April 2016 Langfassung
  5. Lyall K et al.: Polychlorinated Biphenyl and Organochlorine Pesticide Concentrations in Maternal Mid-Pregnancy Serum Samples: Association with Autism Spectrum Disorder and Intellectual Disability. Environ Health Perspect; doi:10.1289/EHP277

Leitlinien

  1. Interdisziplinäre S3-Leitlinie: Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter Teil 1: Diagnostik . (AWMF-Registernummer: 028-018), April 2016 Langfassung