Angststörungen – Einleitung

Angststörungen zählen zu den häufigsten Erkrankungen im Bereich der Psychiatrie. Sie stellen in ihrer Hauptsymptomatik eine unrealistische bzw. übermäßig ausgeprägte Angst dar.

Synonyme und ICD-10: Agoraphobie; Angst; Angsterkrankung; Generalisierte; Generalisierte Angst; soziale Phobie; spezifische Phobien; Ängstliche Depression; ICD-10-GM F41.-: Andere Angststörungen)

Formen der Angststörungen

Angststörungen können in verschiedene Formen unterteilt werden:

Primäre Angststörungen

  • Panikstörungen mit/ohne Agoraphobie: Angst bis hin zur Panik an bestimmten Orten, Erwartungsangst
  • Generalisierte Angststörung (GAS): ICD-10 F41.1; inkl. Angstneurose, Angstreaktion, Angstzustand
  • Phobien:
    • Soziale Phobien: ICD-10 F40.1; Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen, die zu Vermeidung sozialer Situationen führt
    • Spezifische (isolierte) Phobien: ICD-10 F40.2; Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe von bestimmten Tieren, Höhen, Dunkelheit, Fliegen, geschlossene Räume, Urinieren oder Defäkieren auf öffentlichen Toiletten, Genuss bestimmter Speisen, Zahnarztbesuch oder auf den Anblick von Blut oder Verletzungen beschränkt sind. Inkl. Akrophobie, einfache Phobie, Klaustrophobie, Tierphobien, Emetophobie (Phobie vor dem Erbrechen), Nomophobie (Angst per Smartphone, nicht erreichbar zu sein)
  • Posttraumatische Belastungsreaktion: ggf. posttraumatische Belastungsstörung (PTBS); engl.: posttraumatic stress disorder, PTSD

Sekundäre Angststörungen

  • Angststörung auf organischer Grundlage: Durch körperliche Krankheiten bedingt
  • Angststörung auf psychischer Grundlage: Ursache liegt in einer psychiatrischen Erkrankung wie Depression, Substanzabhängigkeit

Zwischen Angststörungen und Phobien existieren vielfältige Übergänge.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 1:2

Häufigkeitsgipfel: Jugendalter und frühes Erwachsenenalter

  • Generalisierte Angststörung (GAS): Häufigkeitsgipfel jenseits des 18. Lebensjahrs, besonders zwischen 45 und 59 Jahren, kann jedoch auch im Jugendalter auftreten

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Die Lebenszeitprävalenz für Angststörungen liegt zwischen 14 und 29 %. In Westeuropa beträgt die Prävalenz 4-15 %.

Die folgende Tabelle zeigt die 12-Monats-Prävalenz von Angststörungen [in %] Erwachsener (in Deutschland) [1]

  Gesamt Männer Frauen Altersgruppe
        18-34 35-49 50-64 65-79
Irgendeine Angststörung (F40, F41) 15,3 9,3 21,3 18,0 16,2 15,3 11,0
Panikstörung mit/ohne Agoraphobie 2,0 1,2 2,8 1,5 2,9 2,5 0,8
Agoraphobie 4,0 2,3 5,6 4,1 4,1 4,1 3,5
Soziale Phobie 2,7 1,9 3,6 4,6 3,1 2,1 0,7
Generalisierte Angststörung (GAS) 2,2 1,5 2,9 3,3 2,0 2,3 1,3
Spezifische Phobie 10,3 5,1 15,4 12,3 9,5 10,8 8,3

Verlauf und Prognose

Verlauf

Angststörungen zeigen in vielen Fällen einen chronischen Verlauf. Wenn sie nicht erkannt und richtig behandelt werden, kann es zu einer Chronifizierung kommen, was oft mit längeren Krankschreibungen und Frühberentungen einhergeht. Ein detaillierter Verlauf kann wie folgt beschrieben werden:

  • Initiale Phase: Beginn der Symptome, oft schleichend oder nach einem belastenden Ereignis. Symptome können fluktuieren und werden oft nicht sofort als krankhaft erkannt.
  • Progrediente Phase: Zunahme der Häufigkeit und Intensität der Angstattacken. Patienten beginnen, Vermeidungsverhalten zu entwickeln, was zu Einschränkungen im sozialen und beruflichen Leben führt.
  • Chronische Phase: Symptome sind dauerhaft präsent. Es besteht ein hohes Risiko für Komorbiditäten wie Depressionen und Substanzmissbrauch. Patienten können eine erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität und Funktionsfähigkeit erfahren.
  • Akute Exazerbationen: Perioden intensiver Symptomverschlechterung, oft ausgelöst durch zusätzliche Stressfaktoren oder unbehandelte Grunderkrankungen.

Prognose

Die Lebenszeitprävalenz für das Auftreten einer der Angststörungen liegt zwischen 14 und 29 %.

  • In Westeuropa: Die Prävalenz von Angststörungen beträgt 4-15 %.
  • Häufigkeitsgipfel: Angststörungen treten am häufigsten im Jugendalter und frühen Erwachsenenalter auf.
  • Generalisierte Angststörung (GAS): Die GAS zeigt einen Häufigkeitsgipfel jenseits des 18. Lebensjahrs, insbesondere zwischen 45 und 59 Jahren, kann jedoch auch im Jugendalter auftreten.

Einflussfaktoren auf Verlauf und Prognose

  • Frühe Diagnose und Behandlung: Eine frühzeitige und adäquate Behandlung kann die Prognose erheblich verbessern und die Chronifizierung verhindern.
  • Therapieadhärenz: Patienten, die kontinuierlich Therapieangebote wahrnehmen (psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungen), zeigen bessere Langzeitergebnisse.
  • Soziale Unterstützung: Eine starke soziale Unterstützung durch Familie und Freunde kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
  • Komorbiditäten: Das Vorliegen zusätzlicher psychischer oder physischer Erkrankungen kann den Verlauf erschweren und die Prognose verschlechtern.
  • Lebensstilfaktoren: Gesunde Lebensstilfaktoren wie regelmäßige körperliche Aktivität, ausgewogene Ernährung und Stressmanagementtechniken können den Verlauf positiv beeinflussen.

Komorbiditäten

Patienten mit Angststörungen haben ein erhöhtes Risiko, weitere psychische Erkrankungen zu entwickeln. Bei Patienten mit generalisierter Angststörung (GAS) besteht in 40-67 % der Fälle eine Depression.

Die folgende Tabelle zeigt die psychische Komorbidität bei Angststörungen [in %] (in Deutschland) [2]

Art der Angststörung Irgendeine psychische
Störung
Depressive Störungen
(ICD-10: F32-34)
Somatoforme Störungen
(ICD-10: F42)
Zwangsstörungen
(ICD-10: F42)
Alkoholabhängigkeit
(ICD-10: F10.2)
Essstörungen
(ICD-10: F50)
Generalisierte Angststörung  93,6  78,9  48,1  10,0  5,5  2,5
Panikstörung (mit/ohne Agoraphobie)  88,3  56,7  37,1  7,3  11,1  1,4
Soziale Phobie  87,8  65,3  31,3  11,5  10,3  0,0
Agoraphobie (ohne Panikstörung)  79,5  42,9  36,4  3,0  7,1  0,0
Spezifische Phobie  61,5  31,7  25,1  2,7  5,9  0,5
Angststörung, nicht näher bezeichnet  58,6  31,6  21,3  2,4  1,9  0,0
Irgendeine Angststörung  62,1  36,7  26,3  5,0  5,6  0,9
Keine reine DSM- oder ICD-definierte Angststörung  4,0  7,8  8,5  0,0  3,9  0,3

Literatur

  1. Jacobi F, Hofler M, Strehle J et al.: Mental disorders in the general population: Study on the health of adults in Germany and the additional module mental health (DEGS1-MH). Nervenarzt 2014; 85 (1): 77-87
  2. Jacobi F, Wittchen HU, Holting C et al.: Prevalence, comorbidit y and correlates of mental disorders in the general population: results from the german Health Interview and Examination Survey (GHS). Psychol Med 2004; 34 (4): 597-611

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen, Behandlung. (AWMF-Registernummer: 028-022), Juni 2019 Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Behandlung von Angststörungen. (AWMF-Registernummer: 051-028), April 2021 Kurzfassung Langfassung