Alkoholabhängigkeit – Prävention

Zur Prävention der Alkoholabhängigkeit muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung
    • Unausgewogene Ernährung – Eine schlechte Ernährungsweise kann zu Nährstoffmängeln führen, die Stressresistenz reduzieren und den Alkoholkonsum als "Kompensation" begünstigen.
  • Genussmittelkonsum
    • Tabakkonsum – Rauchen ist häufig mit Alkoholmissbrauch assoziiert und erhöht das Risiko für Abhängigkeit.
    • Koffeinkonsum – Hoher Koffeinkonsum kann Stress und Nervosität verstärken, wodurch Alkohol als "Beruhigungsmittel" missbraucht wird.
  • Drogenkonsum
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana) – Cannabis-Konsumenten hatten gemäß einer Studie ein 5,43-fach erhöhtes Risiko, ein Alkoholproblem zu entwickeln [1].
    • Stimulanzien (z. B. Kokain, Amphetamine) – Fördern impulsives Verhalten und erhöhen das Risiko für Alkoholkonsum.
  • Psycho-soziale Situation
    • Aktuelle Konflikte – Familiäre oder berufliche Konflikte erhöhen das Risiko für Alkoholmissbrauch.
    • Arbeitslosigkeit – Finanzielle und soziale Unsicherheiten können den Griff zum Alkohol begünstigen.
    • Lockdown wegen der Corona-Pandemie – Isolation und Einsamkeit verstärkten den Alkoholkonsum bei vielen Menschen.
    • Soziale Isolation – Fehlende soziale Kontakte führen zu erhöhtem Stress und emotionalem Rückzug.
    • Stress – Chronischer Stress begünstigt den Konsum als Bewältigungsmechanismus.

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

  • Genvariante, die vor Alkoholabhängigkeit schützt
    • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
      • Gen: ADH1B (auf dem Chromosom 4); das Gen enthält die Information für das Enzym Alkohol-Dehydrogenase 1B; dieses baut Ethanol (Äthanol; Alkohol) in Acetaldehyd ab, das dann weiter zu Essigsäure (Ethansäure) verstoffwechselt wird → hält Menschen europäischer Herkunft wg. Kopfschmerzen und Übelkeit ("Kater"), nach einem exzessiven Alkoholkonsum eher von einem Alkoholabusus ab. Hinweis: Der SNP "rs1229984" hat die gleiche Folge wie die Einnahme von Disulfiram, wenngleich der Wirkmechanismus von Disulfiram ein anderer ist: Disulfiram hemmt die Aktivität der Acetaldehyd-Dehydrogenase und damit den vollständigen metabolischen Abbau von Alkohol.
      • SNP: rs1229984 im Gen ADH1B (Missense-Mutation; Heritabilität (Vererbbarkeit) ca. 50 %)
        • Allel-Konstellation: AA (Trinken wird als besonders unangenehm empfunden; geringeres Risiko für Alkoholismus)
        • Allel-Konstellation: AG (Trinken wird als unangenehm empfunden; etwas geringeres Risiko für Alkoholismus)
        • Allel-Konstellation: GG (häufiger Alkoholkonsum) [Häufigkeit: Kaukasier 100 %]
  • Empfehlungen für risikoarmen Alkoholkonsum:
    • Frauen – Maximal 1 kleines Glas Bier (0,3 l) oder Wein (0,125 l) pro Tag.
    • Männer – Maximal 2 kleine Gläser Bier (insgesamt 0,6 l) oder 0,25 l Wein pro Tag.
    • Beide Geschlechter – Zwei Tage pro Woche sollten alkoholfrei sein, um Gewöhnung und Abhängigkeit zu vermeiden.
    Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Suchtvorbeugung.

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention konzentriert sich auf die Früherkennung von Risikokonsum und den frühzeitigen Einsatz geeigneter Maßnahmen, um eine Abhängigkeit zu verhindern.

  • Früherkennung und Diagnostik
    • Screening-Verfahren – Einsatz standardisierter Fragebögen wie AUDIT (Alcohol Use Disorder Identification Test) oder CAGE zur Früherkennung von problematischem Alkoholkonsum.
    • Laborparameter – Bestimmung von Leberwerten (Gamma-GT, AST, ALT) und CDT (Carbohydrate-deficient Transferrin) als Indikatoren für erhöhten Alkoholkonsum.
    • Anamnese und Beratung – Erhebung des Trinkverhaltens und gezielte Kurzinterventionen in ärztlichen Praxen.
  • Frühzeitige Interventionen
    • Motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing) – Zielgerichtete Gespräche zur Reduktion des Alkoholkonsums bei Risikopatienten.
    • Gesundheitsaufklärung – Aufklärung über die gesundheitlichen Folgen und psychosozialen Risiken eines erhöhten Alkoholkonsums.
  • Lebensstilmodifikationen
    • Alkoholkonsum begrenzen – Einführung fester, alkoholfreier Tage pro Woche (mindestens zwei Tage).
    • Stressmanagement – Anwendung von Entspannungstechniken zur Stressbewältigung (z. B. Yoga, progressive Muskelentspannung).
    • Selbsthilfegruppen – Unterstützung durch Programme wie „Anonyme Alkoholiker“ oder andere Suchtberatungsstellen.

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention zielt darauf ab, Folgeschäden der Alkoholabhängigkeit zu minimieren und Rückfällen vorzubeugen.

  • Langzeittherapie
    • Medikamentöse Rückfallprophylaxe – Einsatz von Medikamenten wie Acamprosat, Naltrexon oder Disulfiram zur Unterstützung der Abstinenz. Die medikamentöse Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit umfasst in Deutschland derzeit folgende zugelassene Medikamente:
      • Acamprosat: Dieser N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptor-Antagonist zielt darauf ab, das Verlangen nach Alkohol zu reduzieren und unterstützt somit die Aufrechterhaltung der Abstinenz.
      • Naltrexon: Als µ-Opiat-Rezeptor-Antagonist wirkt Naltrexon, indem es die belohnenden Effekte des Alkoholkonsums mindert, was dazu beiträgt, Rückfälle zu verhindern.
      • Nalmefen: Dieser Opiatrezeptorantagonist ist zur Reduktion des Alkoholkonsums bei Patienten zugelassen, die ihren Konsum nicht vollständig einstellen können oder wollen.
    • Psychotherapie – Langfristige therapeutische Begleitung (z. B. kognitive Verhaltenstherapie) zur Aufarbeitung von Ursachen und zur Stabilisierung.
  • Lebensstilinterventionen
    • Soziale Reintegration – Unterstützung bei der Wiedereingliederung in das berufliche und soziale Leben durch Rehabilitationsprogramme.
    • Ernährungsumstellung – Mikronährstoffreiche Ernährung mit Fokus auf B-Vitamine und Antioxidantien zur Unterstützung der Lebergesundheit.
    • Körperliche Aktivität – Regelmäßige Bewegung zur Verbesserung der körperlichen und psychischen Gesundheit.
  • Psychosoziale Unterstützung
    • Selbsthilfegruppen und Nachsorgeprogramme – Teilnahme an Gruppentherapien zur Unterstützung und Rückfallvermeidung.
    • Familientherapie – Einbindung des familiären Umfelds zur Schaffung stabiler, unterstützender Strukturen.
  • Behandlung von Folgeerkrankungen
    • Therapie von Lebererkrankungen – Frühzeitige Behandlung von Leberzirrhose oder alkoholischer Hepatitis.
    • Neurologische Rehabilitation – Therapie von neurologischen Folgeschäden wie Polyneuropathie oder Wernicke-Enzephalopathie.
    • Kardiovaskuläre Kontrolle – Überwachung und Therapie von Bluthochdruck und kardiovaskulären Erkrankungen.

Literatur

  1. Weinberger AH et al.: Is cannabis use associated with an increased risk of onset and persistence of alcohol use disorders? A three-year prospective study among adults in the United States. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.drugalcdep.2016.01.014
  2. Walters RK et al.: Transancestral GWAS of alcohol dependence reveals common genetic underpinnings with psychiatric disorders. Nature Neurosciencevolume 21, pages1656-1669 (2018)