Alkoholabhängigkeit – Medikamentöse Therapie

Therapieziele [3; S3-Leitlinie]

  • Absolute, möglichst lebenslange Abstinenz 
  • Ist die Erreichung von Abstinenz nicht möglich oder liegt schädlicher bzw. riskanter Konsum vor, soll eine Reduktion des Konsums (Menge, Zeit, Frequenz) im Sinne einer Schadensminimierung angestrebt werden.

Therapieempfehlungen

Eine stationäre Behandlung (Entgiftung oder besser qualifizierte Entzugsbehandlung [QE]) wird empfohlen bei [2]:

  • Risiko eines alkoholbedingten Entzugsanfalles und/oder Entzugsdelirs und/oder [Empfehlungsgrad A]
  • Vorliegen von gesundheitlichen bzw. psychosozialen Rahmenbedingungen, unter denen Alkoholabstinenz im ambulanten Setting nicht erreichbar erscheint [Empfehlungsgrad A]
  • Alkoholabhängigen Personen und Personen mit schädlichem Gebrauch, wenn mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt ist [klinischer Konsensuspunkt = KKP]:
    • (zu erwartende) schwere Entzugssymptome,
    • schwere und multiple somatische oder psychische Begleit- oder Folgeerkrankungen,
    • Suizidalität (Selbstmordgefährdung),
    • fehlende soziale Unterstützung,
    • Misserfolg bei ambulanter Entgiftung

Eine ambulante Entzugsbehandlung (körperliche Entgiftung oder qualifizierte Entzugsbehandlung) kann angeboten werden, wenn keine schweren Entzugssymptome oder -komplikationen zu erwarten sind, eine hohe Adhärenz und ein unterstützendes soziales Umfeld bestehen [KKP].

Beachte: Die "qualifizierte Entzugsbehandlung“ (QE)  ist eine suchtpsychiatrische bzw. suchtmedizinische Akutbehandlung, die über die körperliche Entgiftung hinausgeht.

Schwere und mittelschwere Alkoholentzugssyndrome sollen pharmakologisch behandelt werden [Empfehlungsgrad A]

Therapieempfehlungen:

  • Eine Behandlung wird empfohlen [2]:
    • zur Kurzintervention bei Menschen mit riskantem Konsum (A-Empfehlung)
    • bei Rauschtrinkern (B-Empfehlung)
  • Behandlung mit Arzneimitteln, die der Verringerung des Alkoholkonsums bei Patientinnen und Patienten mit Alkoholabhängigkeit dienen:
    • Akutphase: Benzodiazepine und Lomethiazol
      • bei deliranten Symptomen (Agitation, Halluzinationen und Wahn) Behandlung mit: Bezodiazepine mit Antisychotika (vor allem Haloperidol und Butyrophenon) in Kombination
      • bei Krampfanfällen: Antikonvulsiva; Carbamazepin, Valproinsäure, Gabapentin und Oxcarbazepin können zur Therapie leicht- bis mittelgradiger Alkoholentzugssyndrome eingesetzt werden
  • Nach einer qualifizierten Entzugsbehandlung (laut Leitlinie: 21 Tage) sollte sich immer eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) sowie eine motivationale Intervention anschließen.
  • Postakutbehandlung: Abstinenz als übergeordnetes Therapieziel
  • Konzept des kontrollierten Trinkens (KT) beginnt sich stärker neben dem Ziel der Abstinenz zu etablieren (Behandlung mit: Opioidantagonisten)
  • Zur Rückfallprophylaxe werden die Anticravingmedikamente (Substanzen, die Verlangen nach psychotropen Stoffen bei Abhängigen unterdrücken) Acamprosat (Glutamatmodulator) und Naltrexon (Opioidantagonist) eingesetzt.
  • Ein Alkoholentzugsdelir muss stets intensiv medizinisch betreut werden wegen Gefahr von lebensbedrohlichen Komplikationen(Details dazu siehe unter Delir):
    • Überwachung der Vitalfunktionen (Herz-Kreislauf-Funktionen)
    • Kontrolle von Wasser-, Elektrolyt- und Glukosehaushalt
    • Bei Vorliegen einer alkoholischen Ketoazidose (Stoffwechselentgleisung, ausgelöst durch Insulinmangel): Glucoseinfusion;
    • Therapie mit GABAergen Substanzen wie Benzodiazepinen und Clomethiazol
    • Zur Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie (durch Vitamin-B1-Mangel verursachte Veränderungen von Gehirn und Nerven): Infusion mit Vitamin B 1
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Weitere Hinweise

  • Einer französischen Netzwerkanalyse zufolge erfüllt das "Konzept des pharmakologisch unterstützten reduzierten Trinkens" möglicherweise nicht die aktuellen Erwartungen, d. h. für die Wirksamkeit der eingesetzten Substanzen gibt es nur sehr geringe Evidenz,
    Als primärer Endpunkt diente der Gesamtalkoholkonsum. Dabei schnitten Nalmefen, Topiramat und Baclofen jeweils besser ab als ein Placebo. Beim Endpunkt Zahl der Tage ohne Alkoholkonsum zeigte sich, dass unter Topiramat die Zahl der Tage ohne Alkoholkonsum gegenüber Placebo deutlich stieg.
    Die Studienautoren kommen zum Entschluss, dass das "Das Konzept des pharmakologisch kontrollierten Trinkens" auf den Ergebnissen von Studien mit hohem Verzerrungsrisiko basiert [4].
  • Eine Metaanalyse zu Gabapentin fand einen mittelgradigen Effekt auf die Anzahl der „heavy drinking days“, alle anderen Outcomekriterien waren nicht signifikant [5].
  • Psilocybin, eine halluzinogene Substanz, ist in der Lage, die mGluR2-Spiegel zu erhöhen und zu einer Verringerung von Rückfällen durch Alkoholkonsum zu führen. Der Wirkstoff stimuliert die Serotonin-2A-Rezeptoren (5-HT2AR) im Gehirn [6].

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für den Säure-Basen-Haushalt sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (D3)
  • Mineralstoffe (Calcium, Kalium, Magnesium)
  • Spurenelemente (Zink)
  • Weitere Vitalstoffe (Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesium-, Kalium- und Calciumcitrat))

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Jonas DE et al.:  Pharmacotherapy for Adults With Alcohol Use Disorders in Outpatient Settings. A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA. 2014 May, 14,311(18):1889-1900. doi:10.1001/jama.2014.3628.
  2. S3-Leitlinie: Screening, Diagnostik und Behandlung alkoholbezogener Störungen. (AWMF-Registernummer: 076-001), Januar 2021 Kurzfassung Langfassung
  3. National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE): Alcohol-use disorders: Diagnosis, assessment and management of harmful drinking and alcohol dependence. Clinical Guideline (CG115), Februar 2011.
  4. Palpacuer C et al.: Pharmacologically controlled drinking in the treatment of alcohol dependence or alcohol use disorders: a systematic review with direct and network metaanalyses on nalmefene, naltrexone, acamprosate, baclofen and topiramate. Addiction 2017, online 20. September; https://doi.org/10.1111/add.13974
  5. Kranzler HR, Feinn R, Morris P et al.: A meta-analysis of the efficacy of gabapentin for treating alcohol use disorder. Addiction
    2019 Sep;114(9):1547-1555. doi: 10.1111/add.14655
  6. Meinhardt MW et al.: Psilocybin targets a common molecular mechanism for cognitive impairment and increased craving in alcoholism. Sci Adv. 2021 Nov 19;7(47). doi: 10.1126/sciadv.abh2399. Epub 2021 Nov 17

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Delir und Verwirrtheitszustände inklusive Alkoholentzugsdelir. (AWMF-Registernummer: 030-006), Dezember 2020 Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Screening, Diagnostik und Behandlung alkoholbezogener Störungen. (AWMF-Registernummer: 076-001), Januar 2021 Kurzfassung Langfassung