Alkoholabhängigkeit – Einleitung

Von einer Alkoholabhängigkeit spricht man, wenn von den folgenden Kriterien mindestens drei über einen Zeitraum von einem Jahr bei einer Person auftreten:

  1. Starker Wunsch, Alkohol zu trinken (sog. Craving)
  2. Verminderung der Kontrolle über den Alkoholkonsum
  3. Entwicklung einer Toleranz gegenüber Alkohol
  4. Auftreten von Entzugserscheinungen bei Alkoholkarenz
  5. Eingeengtes Verhaltensmuster
  6. Vernachlässigung anderer Lebensinhalte für den Alkohol
  7. Weiteres Trinken von Alkohol trotz offensichtlicher Folgeschäden (körperlicher, psychischer und/oder sozialer Art)

Synonyme und ICD-10: Alcohol Abuse; Alcoholism; Alkoholabstinenzsyndrom; Alkoholabusus; Alkoholdelirium; Alkoholentzugsdelirium; Alkoholentzugserscheinungen; Alkoholentzugskrampf; Alkoholentzugssyndrom; Alkoholisches Prädelirium; Alkoholismus; Alkoholkrankheit; Alkoholmissbrauch; Äthylismus; Binge Drinking; C2H5OH-Abusus; chronisches Potatorium; Craving; Delirium alcoholicum; Delirium tremens; Entzugssyndrom mit Delir; Flatrate-Trinken; periodische Trunksucht; Potatorium; Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Entzugssyndrom; ICD-10-GM F10.-: Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol; ICD-10-GM F10.0: Akute Intoxikation [akuter Rausch]; ICD-10-GM F10.2: Abhängigkeitssyndrom; ICD-10-GM F10.3: Entzugssyndrom; ICD-10-GM F10.4: Entzugssyndrom mit Delir

Kriterien der Alkoholabhängigkeit

  • Starker Wunsch, Alkohol zu trinken (Craving): Ein intensiver Drang oder Zwang, Alkohol zu konsumieren.
  • Verminderung der Kontrolle über den Alkoholkonsum: Schwierigkeiten, den Alkoholkonsum zu kontrollieren, angefangen vom ersten Schluck bis zur Menge und Häufigkeit des Konsums.
  • Entwicklung einer Toleranz gegenüber Alkohol: Notwendigkeit, die Alkoholmenge zu erhöhen, um die gleiche Wirkung zu erzielen.
  • Auftreten von Entzugserscheinungen bei Alkoholkarenz: Physische und psychische Symptome, die auftreten, wenn der Alkoholkonsum reduziert oder gestoppt wird.
  • Eingeengtes Verhaltensmuster: Der Alkohol dominiert das Verhalten und die Aktivitäten, andere Interessen und Vergnügungen werden vernachlässigt.
  • Vernachlässigung anderer Lebensinhalte für den Alkohol: Soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden zugunsten des Alkoholkonsums vernachlässigt oder aufgegeben.
  • Weiteres Trinken von Alkohol trotz offensichtlicher Folgeschäden: Fortgesetzter Alkoholkonsum trotz des Wissens um körperliche, psychische und soziale Schäden, die durch den Alkohol verursacht werden.

Formen der Alkoholabhängigkeit

  • Chronische Alkoholabhängigkeit: Täglicher Konsum von Alkohol über längere Zeiträume.
  • Binge Drinking: Episodisches Trinken großer Mengen Alkohol in kurzer Zeit.
  • Periodische Trunksucht: Phasenweise exzessiver Alkoholkonsum mit anschließenden Abstinenzphasen.

Alkoholmissbrauch

Liegt ein problematischer Alkoholkonsum, aber keine Alkoholabhängigkeit vor, so spricht man von einem Alkoholmissbrauch.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 3:1 (bei Frauen wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen).

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 3. und 5. Lebensjahrzehnt auf.

Lebenszeitprävalenz (Auftretenshäufigkeit einer Krankheit über die gesamte Lebensspanne)

  • Männer: ca. 10-15 %
  • Frauen: ca. 5-8 % (in Deutschland)

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): 3 % (in Deutschland). Aktuell sind in Deutschland rund 1,6 Millionen Menschen alkoholabhängig. In osteuropäischen Ländern ist die Prävalenz bis zu fünfmal höher.

Prävalenz für Alkoholmissbrauch: 5 % (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

  • Lebenserwartung: Unbehandelt führt Alkoholabhängigkeit zu einer um 15 Jahre verminderten Lebenserwartung.
  • Therapieerfolg: Durch adäquate Therapie können 70 % der Erkrankten rehabilitiert werden.
  • Mortalitätsrisiko: Es besteht eine lineare Beziehung zwischen der Menge konsumierten Alkohols und dem Mortalitätsrisiko (Sterberisiko). Bereits der Konsum von mehr als 100 Gramm reinem Alkohol pro Woche erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verringert die Lebenserwartung.
  • Letalität: Bei Männern 30 pro 100.000 Einwohner pro Jahr, bei Frauen 10 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Häufigste Todesursache ist die Leberzirrhose.

Beachte

  • Es gibt keine risikofreie Alkoholmenge: Es besteht eine lineare Beziehung zwischen der Menge konsumierten Alkohols und dem Mortalitätsrisiko (Sterberisiko). Dieses gilt auch bei geringen Mengen Alkohol.
  • Die WHO-Behörde betrachtet alkoholische Getränke und insbesondere den Metaboliten Acetaldehyd als Klasse 1-Karzinogen (s. u. Folgeerkrankungen/Neubildungen – Tumorerkrankungen).

Bereits der Konsum von mehr als 100 Gramm reinem Alkohol pro Woche – das entspricht ca. fünfeinhalb Gläsern Wein oder 2,5 Litern Bier – erhöht das Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) sowie das Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben. Die Lebenserwartung von Teilnehmern im Alter von 40 Jahren reduziert sich mit einem Konsum von bis zu 200 g Alkohol um 6 Monate, von bis zu 350 g um 1 bis 2 Jahre und über 350 g pro Woche um 4  bis 5 Jahre [1].

Die Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) beträgt bei Männern 30 pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland und bei Frauen 10. 

Komorbiditäten

Typische Begleiterkrankungen sind Angststörungen und Depressionen.

Anmerkung: In den nachfolgenden Unterthemen wird die Alkoholabhängigkeit, das Entzugssyndrom und das Entzugssyndrom mit Delir dargestellt. 

Literatur

  1. Wood AM et al.: Risk thresholds for alcohol consumption: combined analysis of individual-participant data for 599 912 current drinkers in 83 prospective studies. The Lancet, 2018; Vol: 391, Issue: 10129, Page: 1513-1523 doi: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30134-X

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Fetale Alkoholspektrumstörungen, FASD - Diagnostik. (AWMF-Registernummer: 022-025), Februar 2016 Kurzfassung Langfassung
  2. S1-Leitlinie: Delir und Verwirrtheitszustände inklusive Alkoholentzugsdelir. (AWMF-Registernummer: 030-006), Dezember 2020 Langfassung
  3. S3-Leitlinie: Screening, Diagnostik und Behandlung alkoholbezogener Störungen. (AWMF-Registernummer: 076-001), Januar 2021 Kurzfassung Langfassung