Akute Verwirrtheit – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der akuten Verwirrtheit dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie eine Häufung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz, Morbus Parkinson oder Epilepsie (Krampfanfälle)?
  • Bestehen Stoffwechselerkrankungen in Ihrer Familie, wie z. B. Diabetes mellitus, Störungen des Kalzium- oder Natriumhaushalts, oder angeborene Stoffwechseldefekte?
  • Gab es in Ihrer Familie wiederholt Apoplexe (Schlaganfälle) oder Myokardinfarkte (Herzinfarkte)?
  • Gibt es bekannte Tumorerkrankungen, insbesondere im Gehirn oder in anderen zentralnervösen Bereichen?
  • Bestehen hormonelle Erkrankungen in Ihrer Familie, wie z. B. Morbus Cushing, Schilddrüsenüberfunktion oder Nebenschilddrüsenstörungen (z. B. Störungen des Kalziumstoffwechsels)?
  • Gab es in Ihrer Familie psychiatrische Erkrankungen (z. B. Schizophrenie, schwere Depression)?
  • Bestehen genetisch bedingte Erkrankungen, die mit Störungen der Gehirnfunktion einhergehen (z. B. neurodegenerative Erkrankungen, seltene Erbkrankheiten)?

Sozialanamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aktuell oder zuletzt aus?
    • Besteht oder bestand Kontakt zu toxischen Substanzen (z. B. Kohlenmonoxid, Lösungsmittel, Schwermetalle)?
  • Umgebungsbezogene Faktoren und psychosoziale Situation:
    • Leben Sie allein oder in einem familiären bzw. sozialen Umfeld?
    • Bestehen aktuelle Belastungssituationen wie Verlust eines Angehörigen, Trennung, Pflege eines Angehörigen, Wohnungswechsel oder sozialer Rückzug?
    • Gab es in letzter Zeit einschneidende Veränderungen im Alltag (z. B. Verlust der Selbstständigkeit, Einzug in eine Pflegeeinrichtung)?
    • Besteht Pflegebedürftigkeit oder erhalten Sie Unterstützung im Alltag?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

Ggf. auch Fremdanamnese durch Angehörige, Pflegepersonal oder Rettungsdienst

  • Seit wann besteht die Verwirrtheit? Kam es plötzlich oder schleichend dazu?
  • Gibt es tageszeitliche Schwankungen in der Symptomatik?
  • Bestehen zusätzlich Apathie (Teilnahmslosigkeit), Konzentrationsstörungen oder Halluzinationen?*
  • Wie äußert sich die Verwirrtheit: z. B. Desorientierung, inadäquates Verhalten, Gedächtnisverlust?*
  • Bestehen Auffälligkeiten in Sprache, Wahrnehmung oder emotionalem Verhalten?*
  • Ist die Orientierung zu Person, Zeit, Ort erhalten?*
  • Bestehen Bewusstseinsveränderungen?*
  • Reagiert die betroffene Person auf Sprache, Berührung, Schmerz?
  • Gibt es Hinweise auf Gangunsicherheit, Standunsicherheit oder Zittern?*
  • Bestehen Augenbewegungsstörungen (z. B. Doppelbilder)?*
  • Bestehen fokale neurologische Ausfälle wie Lähmungen, Sprachstörungen oder Sensibilitätsstörungen?*
  • Bestehen Pupillenveränderungen (z. B. lichtstarr)?*
  • Bestehen Atemnot*, Husten oder Fieber?
  • Gab es in den letzten Tagen Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit?
  • Kam es vor Kurzem zu einem Trauma oder Sturz?*

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Wie ist Ihr aktueller Flüssigkeitshaushalt? Trinken Sie regelmäßig und ausreichend?
  • Bestehen Zeichen der Austrocknung (z. B. trockene Schleimhäute, stehende Hautfalten)?
  • Haben Sie in letzter Zeit an Gewicht verloren oder zugenommen? Geben Sie bitte uns Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Hat sich der Appetit verändert?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?
  • Gab es früher eine Entgiftung, Entzugsbehandlung oder einen stationären Aufenthalt wegen Suchterkrankung?
  • Besteht aktuell oder bestand in der Vergangenheit eine Medikamentenabhängigkeit (z. B. Benzodiazepine, Opioide)?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)?
    • Diabetes mellitus? Gab es kürzlich eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) oder Hyperglykämie (Überzuckerung)?
    • Lebererkrankungen (z. B. Leberinsuffizienz (Leberschwäche), Ikterus (Gelbsucht), Aszites (Bauchwassersucht), Leberzirrhose (Leberschrumpfung), hepatische Enzephalopathie (Gehirnfunktionsstörung durch eine Lebererkrankung))?
    • Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) oder Zustand nach akutem Nierenversagen?
    • Gibt es Hinweise auf Elektrolytstörungen (z. B. Muskelkrämpfe, Schwäche, Herzrhythmusstörungen)?
    • Tumorerkrankung oder neurologische Symptomatik (z. B. Hirntumor)?
    • Transitorische Attacke (TIA), Apoplex (Schlaganfall)?
    • Herzrhythmusstörungen oder hypertensive Krisen?
    • Gab es in der Vergangenheit Episoden von Verwirrtheit oder Bewusstlosigkeit?
    • Hormonelle Erkrankungen (z. B. Schilddrüsenerkrankung, Morbus Cushing, Nebenschilddrüsenerkrankung)?
    • Neurologische Erkrankung (z. B. Demenz, Epilepsie (Krampfanfälle), Morbus Parkinson)?
    • Bestehen psychiatrische Erkrankungen (z. B. Depression, Schizophrenie)?
  • Gab es eine Operation oder Narkose in den letzten Tagen/Wochen?
  • Bestand kürzlich eine Immobilisation (z. B. wegen Fraktur), die mit einem erhöhten Risiko für Lungenembolie einhergeht?

Medikamentenanamnese

  • Acetylcholinesterasehemmer (Donezepil, Galantamin, Rivastigmin)
  • Anticholinergika (Parasympatholytika) – Medikamente, die dem Transmitter (Überträgerstoff) Acetylcholin entgegenwirken 
  • Antidpressiva, trizyklische und tetrazyklische
  • Benzodiazepine – Medikamente, die angstlösend, zentral muskelrelaxierend, sedierend und hypnotisch (schlaffördernd) wirkend
  • Digoxin ‒ Wirkstoff, der bei Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird
  • Diuretika (entwässernde Medikamente)
  • Hypnotika (Schlafmittel)
  • NMDA-Antagonisten – Gruppe von Medikamenten, die die Wirkung des Botenstoffes Glutamat hemmen
  • Opioide (starke Schmerzmittel)
  • Steroide

Umweltanamnese

  • Intoxikationen (Vergiftungen), z. B.:
    • Alkaloide
    • Alkohol
    • Hypnotika (Schlafmittel)
    • Kohlenmonoxid
    • Kohlenwasserstoffe (aliphatisch, aromatisch)
    • Opiate (Schmerzmittel wie Morphin)
    • Sedativa (Beruhigungsmittel)
    • Zyanwasserstoff/Kaliumzyanid

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.