Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) dar.

Familienanamnese

  • Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
  • Gibt es in Ihrer Familie neurologische oder psychiatrische Erkrankungen, die häufig vorkommen, wie z. B. ADHS, Depressionen, Angststörungen oder Suchtprobleme?
  • Bestehen familiär gehäuft Lernschwierigkeiten, Sprachstörungen oder Entwicklungsverzögerungen?

Soziale Anamnese

  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen, wie familiäre Konflikte, finanzielle Schwierigkeiten oder emotionale Spannungen?
  • Wie ist die familiäre Situation strukturiert (z. B. alleinerziehend, getrennt lebend)?
  • Gibt es in der Schule oder im Kindergarten Schwierigkeiten, wie Konflikte mit Lehrern oder anderen Kindern?
  • Wie ist das Verhältnis zu Gleichaltrigen? Gibt es Schwierigkeiten bei der Integration oder Konflikte mit Freunden?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Hat Ihr Kind Schwierigkeiten, sich auf Aufgaben oder Spiele zu konzentrieren?
  • Macht Ihr Kind häufig Flüchtigkeitsfehler bei den Hausaufgaben oder anderen Tätigkeiten?
  • Wirkt Ihr Kind oft zerstreut oder scheint es nicht zuzuhören?
  • Vergisst Ihr Kind häufig Dinge oder verliert sie (z. B. Schulsachen, Spielzeug)?
  • Kann Ihr Kind schlecht still sitzen, z. B. in der Schule oder bei Mahlzeiten?
  • Bewegt sich Ihr Kind häufig übermäßig, z. B. läuft es in unpassenden Situationen herum?
  • Spricht Ihr Kind häufig übermäßig viel?
  • Unterbricht Ihr Kind häufig andere oder redet dazwischen?
  • Hat Ihr Kind Schwierigkeiten, auf seine Reihenfolge zu warten, z. B. bei Spielen?
  • Handelt Ihr Kind oft, ohne über die Konsequenzen nachzudenken (z. B. plötzliches Weglaufen)?
  • Wie verhält sich Ihr Kind in der Schule oder im Kindergarten? Gibt es Probleme mit der Aufmerksamkeit, Disziplin oder den sozialen Beziehungen?
  • Wie ist das Verhalten zu Hause? Gibt es Konflikte oder herausfordernde Situationen, z. B. beim Erledigen von Aufgaben oder bei der Kommunikation?
  • Gibt es besonders auffällige Reaktionen auf Lob, Kritik oder Veränderungen im Tagesablauf?
  • Hat Ihr Kind Stimmungsschwankungen, Gereiztheit oder Frustrationstoleranz?
  • Wirkt Ihr Kind häufig traurig, ängstlich oder unsicher?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Zeigt Ihr Kind ein regelrechtes Wachstum und eine altersgerechte Entwicklung?
  • Gibt es Auffälligkeiten beim Schlafverhalten (z. B. Schwierigkeiten beim Einschlafen, Durchschlafen oder frühes Erwachen)?
  • Gibt es Probleme mit der Ernährung (z. B. sehr wählerisches Essverhalten, starke Präferenzen für Süßes)?
  • Zeigt Ihr Kind Symptome wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder häufige Übelkeit ohne erkennbare Ursache?
  • Mütterliche Faktoren während der Schwangerschaft:
    • Haben Sie in der Schwangerschaft geraucht, Alkohol konsumiert oder Drogen eingenommen?
    • Haben Sie während der Schwangerschaft Lakritze oder andere Lebensmittel konsumiert, die Einfluss auf die Entwicklung haben könnten?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Gibt es bekannte neurologische Erkrankungen (z. B. Epilepsie, Entwicklungsverzögerungen) oder Infektionen während der Schwangerschaft?
    • Gab es während der Geburt Komplikationen, wie Sauerstoffmangel oder Frühgeburt?
  • Wurde Ihr Kind bereits operiert, insbesondere im Bereich des Kopfes oder des zentralen Nervensystems?
  • Bestehen Allergien (z. B. gegen Nahrungsmittel, Pollen, Medikamente) oder Intoleranzen, die das Verhalten oder die Aufmerksamkeit beeinflussen könnten?

Medikamentenanamnese

  • Benzodiazepine während der Schwangerschaft
  • Paracetamol (Acetaminophen) – Korrelation von mütterlichem, pränatalem Paracetamol-Gebrauch mit einem erhöhten ADHS-Risiko der Kinder [1]
  • Pränatale Gabe von Glucocorticoiden (etablierte Therapie bei drohender Frühgeburt zur Prävention eines Atemnotsyndroms)
  • Valproat während der Schwangerschaft [2]

Zur Anamneseerhebung liegen mehrere Testverfahren vor, unter anderem neuropsychologische Tests und andere Fragebogenverfahren.

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Chen MH et al.: Prenatal Exposure to Acetaminophen and the Risk of Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder: A Nationwide Study in Taiwan. J Clin Psychiatry 2019;80(5):18m12612.doi10.4088/jcp.18m12612 
  2. Wiggs KK et al.: Anti-seizure medication use during pregnancy and risk of ASD and ADHD in children. Neurlogy October 28, 2020, doi: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000010993