Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – Einleitung

ADHS bzw. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung – umgangssprachlich auch Zappelphilipp-Syndrom genannt – beschreibt eine Gruppe von Verhaltensauffälligkeiten, die vor allem durch Unaufmerksamkeit, motorische Unruhe und Impulsivität geprägt sind.

Bei 80 % der Betroffenen liegt zusätzlich eine weitere Störung vor.

Synonyme und ICD-10: ADS; Attention Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD); Aufmerksamkeitsdefizit; Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS); Aufmerksamkeitsdefizitstörung; Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS); Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom; HKS; Hyperaktivitätsstörung; Hyperaktivitätssyndrom; Hyperkinetische Störung (HKS); MCD; Minimale Cerebrale Dysfunktion (MCD); Minimale cerebrale dysfunktion; Psychoorganisches Syndrom (POS); ICD-10-GM F90.0: Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung

ADHS ist die häufigste Ursache von Verhaltensstörungen und Leistungsproblemen in der Schule.

Formen der ADHS

ADHS kann in verschiedene Subtypen unterteilt werden, die sich durch das vorherrschende Symptomprofil unterscheiden:

  • Vorwiegend unaufmerksamer Typ (ADS):
    • Hauptmerkmal ist die Unaufmerksamkeit.
    • Betroffene zeigen wenig Hyperaktivität oder Impulsivität.
  • Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ:
    • Hauptmerkmale sind Hyperaktivität und Impulsivität.
    • Unaufmerksamkeit tritt weniger stark in den Vordergrund.
  • Kombinierter Typ:
    • Sowohl Unaufmerksamkeit als auch Hyperaktivität und Impulsivität sind ausgeprägt.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis

  • Kinder und Jugendliche: Jungen zu Mädchen beträgt zwischen 3:1 und 9:1.
  • Erwachsene: Das Geschlechterverhältnis gleicht sich an und ist nicht mehr so ausgeprägt.

Häufigkeitsgipfel

  • ADHS tritt meist vor dem 6. Lebensjahr auf.
  • Im Erwachsenenalter kann ADHS bei einem bis zwei Drittel der betroffenen Kinder weiterhin bestehen.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) 

  • Kinder und Jugendliche (4- bis 17-Jährige): 2-7 % (je nach Studie).
  • Erwachsene: 1-2,5-4 % (in Deutschland).
  • International: Prävalenz für Jungen bei 9,2 % und für Mädchen bei 2,9 %.

Verlauf und Prognose

Verlauf

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die durch Unaufmerksamkeit, motorische Unruhe und Impulsivität gekennzeichnet ist. Die ersten Symptome treten meistens vor dem 6. Lebensjahr auf. Der Häufigkeitsgipfel liegt im Kindesalter, jedoch kann die Symptomatik bis ins Erwachsenenalter persistieren.

Kinder und Jugendliche

  • Schulische Schwierigkeiten – Betroffene Kinder zeigen häufig Probleme in der Konzentration und Aufmerksamkeit, was sich negativ auf die schulische Leistung auswirkt.
  • Soziale und familiäre Herausforderungen – Schwierigkeiten im sozialen Umgang, impulsives Verhalten und Konflikte in der Familie sind häufig.
  • Diagnose und Therapie – Eine fundierte Diagnostik ermöglicht eine frühzeitige Intervention durch medikamentöse, psychotherapeutische und pädagogische Maßnahmen.

Erwachsene

  • Persistenz der Symptomatik – Etwa 23 % der betroffenen Kinder erfüllen auch im Erwachsenenalter weiterhin die ADHS-Kriterien, insbesondere vom unaufmerksamen Subtyp [2].
  • Veränderung der Symptome – Während Hyperaktivität und Impulsivität häufig abnehmen, bleiben Aufmerksamkeitsprobleme oft bestehen.
  • Fluktuationen der Symptomstärke – ADHS-Symptome sind nicht statisch, sondern zeigen interindividuelle und intraindividuelle Schwankungen im Verlauf [4].

Prognose

Die langfristige Prognose von ADHS ist variabel und hängt von verschiedenen Faktoren wie Schweregrad, Begleiterkrankungen und therapeutischer Versorgung ab.

  • Remission möglich – Ein Teil der Betroffenen erfährt eine vollständige Remission der Symptome im Laufe des Lebens.
  • Chronischer Verlauf – Bei einer signifikanten Anzahl der Patienten persistiert die Symptomatik bis ins hohe Erwachsenenalter, oft mit Auswirkungen auf Berufsleben und soziale Beziehungen.
  • Einfluss der Therapie – Eine frühzeitige multimodale Behandlung verbessert die langfristigen Chancen auf eine Symptomkontrolle und funktionelle Anpassung im Alltag.
  • Lebensqualität und soziale Integration – Unbehandelt führt ADHS häufig zu Schwierigkeiten im Beruf, finanziellen Problemen und erhöhtem Risiko für riskantes Verhalten.
  • ADHS verkürzt die Lebenserwartung – Bei Männern um rund sieben Jahre, bei Frauen sind es sogar fast neun Jahre [6].

Komorbiditäten

  • Kinder: Betroffene Kinder leiden häufiger an chronischen Tic-Störungen, Angststörungen, depressiven Störungen und Autismus-Spektrum-Störungen. Ab dem Jugendalter treten vermehrt Substanzkonsumstörungen und Persönlichkeitsstörungen auf [3].
  • Erwachsene: Zum Zeitpunkt der ADHS-Diagnose bei Erwachsenen zeigen 66,2 % eine psychiatrische Morbidität, mit Suchterkrankungen (39,2 %), Angsterkrankungen (23 %) und affektiven Erkrankungen (18,1 %) als häufigste Komorbiditäten [1].
  • Weitere Assoziationen: s. u. 

Komorbiditäten

Kinder leiden mit sieben Jahren viermal und im Alter von zehn Jahren sechsmal häufiger als Kinder ohne ADHS an einer chronischen Tic-Störung (CTD). Die CTD trat dabei in Form einer chronisch motorischen oder chronisch vokalen Tic-Störung oder eines Tourette-Syndroms auf [3].
Weitere koexistierend auftretende Störungen sind: Angststörungen, depressive Störungen, Autismus-Spektrum-Störungen und ab dem Jugendalter Substanzkonsumstörungen und Persönlichkeitsstörungen.
Bei Erwachsenen zeigte sich zum Zeitpunkt der ADHS-Diagnosestellung eine psychiatrische Morbidität von 66,2 %. Die häufigste Komorbidität war Suchterkrankung (39,2 %), gefolgt von Angsterkrankungen (23 %) und affektiven Erkrankungen (18,1 %) [1].
Des Weiteren ist ADHS mit schweren Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen, der Essstörung Anorexia nervosa und Selbstmordversuchen assoziiert [5].

Literatur

  1. Pineiro-Dieguez B et al.: Psychiatric Comorbidity at the Time of Diagnosis in Adults with ADHD: The CAT Study. J Atten Disord 2014 Jan 24
  2. Mandler J et al.: Langzeiteffekte multimodaler Therapie von ADHS. Ergebnisse der Follow-up-Katamnesen der Kölner Adaptiven Multimodalen Therapiestudie (KAMT). 17-Jahres-Follow-up. DGKJP-Kongress, 4.-7.3.2015, München
  3. Poh W et al.: Chronic tic disorders in children with ADHD. Archives of Disease in Childhood Published Online First: 09 January 2018. doi: 10.1136/archdischild-2017-314139
  4. Sibley MH et al.: Variable Patterns of Remission From ADHD in the Multimodal Treatment Study of ADHD. Am J Psychiatry . 2021 Aug 13;appiajp202121010032. doi: 10.1176/appi.ajp.2021.21010032
  5. Meisinger C et al.: Understanding the causal relationships of attentiondeficit/hyperactivity disorder with mental disorders and suicide attempt: a network Mendelian randomisation study", BMJ Mental Health (2023). doi: 10.1136/bmjment-2022-300642
  6. O’Nions E et al.: Life expectancy and years of life lost for adults with diagnosed ADHD in the UK: matched cohort study. British J Psych 2025; https://doi.org/10.1192/bjp.2024.199

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Hyperkinetische Störungen (F90). (AWMF-Registernummer: 028 -019), November 2006
  2. S2e-Leitlinie: Aufmerksamkeitsstörungen, Diagnostik und Therapie. (AWMF-Registernummer: 030 - 135), Oktober 2011 Langfassung
  3. S3-Leitlinie: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. (AWMF-Registernummer: 028-045), Mai 2017 Kurzfassung  Langfassung