Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes mellitus) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Der Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes mellitus, GDM) ist eine Form von Diabetes, die erstmals während der Schwangerschaft diagnostiziert wird und zu einer Hyperglykämie (Überzuckerung) führt. Die Pathogenese von GDM basiert auf einer Kombination aus Insulinresistenz (verringerte Antwort, vor allem insulinabhängiger Organe, auf Insulin) und einem Insulinsekretionsdefekt, der durch hormonelle Veränderungen während der Schwangerschaft verursacht wird.

Physiologische Insulinresistenz in der Schwangerschaft

  • In der zweiten Hälfte der Schwangerschaft kommt es natürlicherweise zu einer Insulinresistenz, die durch die diabetogene Wirkung von Schwangerschaftshormonen wie Progesteron, Humanem Plazentalaktogen (hPL), Cortisol und Östrogen gefördert wird. Diese Hormone sind für das Wachstum und die Energieversorgung des Fetus von entscheidender Bedeutung, indem sie die Verfügbarkeit von Glucose für das Kind erhöhen. Dies geschieht durch eine verminderte Insulinempfindlichkeit der mütterlichen Zellen, insbesondere in der Skelettmuskulatur, im Fettgewebe und in der Leber.
  • Als Folge dieser Insulinresistenz muss die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) der Mutter vermehrt Insulin produzieren, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Wenn die Insulinsekretion den erhöhten Bedarf nicht decken kann, kommt es zu einer Hyperglykämie (Überzuckerung).

Bereits bestehende verminderte Insulinsensitivität

  • Frauen, die an Schwangerschaftsdiabetes erkranken, haben oft bereits vor der Schwangerschaft eine verminderte Insulinsensitivität. Diese wird durch die hormonellen und metabolischen Veränderungen während der Schwangerschaft verstärkt. Faktoren wie Übergewicht oder Adipositas (Fettsucht) tragen zusätzlich zur erhöhten Insulinresistenz bei, was das Risiko für GDM weiter erhöht.
  • Besonders Frauen mit Polyzystischem Ovar-Syndrom (PCOS) oder einer familiären Vorbelastung für Diabetes mellitus zeigen häufig bereits eine prädisponierte Insulinresistenz vor der Schwangerschaft.

Mechanismen der Hyperglykämie

  • Durch die insulinresistente Wirkung der Schwangerschaftshormone wird die Aufnahme von Glukose in die Zellen der Skelettmuskulatur und des Fettgewebes reduziert. Dies führt zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel. Gleichzeitig kommt es zu einer vermehrten hepatischen Glukoseproduktion (Produktion von Zucker in der Leber), was die Hyperglykämie weiter verstärkt.
  • Der Fetus ist auf eine kontinuierliche Zufuhr von Glukose angewiesen, und die plazentare Zirkulation (Mutterkuchenzirkulation) ermöglicht den ungehinderten Transport von mütterlicher Glucose zum Kind. Dadurch wird der Fetus der erhöhten Glukosekonzentration im mütterlichen Blut ausgesetzt, was zu einer fetalen Makrosomie (Großwuchs des ungeborenen Kindes) führen kann.

Risikofaktoren für Schwangerschaftsdiabetes

Verschiedene Risikofaktoren können die Entstehung von GDM begünstigen. Zu den wichtigsten zählen:

  • Glukosurie (vermehrte Ausscheidung von Glucose im Urin): Dies deutet auf einen erhöhten Blutzuckerspiegel hin, der die Nierenschwelle für Glukose überschreitet.
  • Übermäßige Gewichtszunahme: Eine schnelle oder übermäßige Gewichtszunahme während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Insulinresistenz.
  • Polyhydramnion (pathologisch vermehrtes Fruchtwasser): Eine vermehrte Glukosezufuhr zum Fetus stimuliert die Urinproduktion des ungeborenen Kindes, was zu einer vermehrten Fruchtwassermenge führen kann.
  • Fetale Makrosomie: Ein Geburtsgewicht von über 4.000 g (4 kg) ist oft ein Hinweis auf eine unzureichend kontrollierte Glukosetoleranz während der Schwangerschaft.
  • Frühere Fehlgeburten (Aborte) oder eine Vorgeschichte von GDM: Diese Frauen haben ein höheres Risiko, erneut an GDM zu erkranken.
  • Geburt eines Kindes mit einem Gewicht ≥ 4.500 g: Auch dies deutet auf eine möglicherweise unerkannte Hyperglykämie während der vorhergehenden Schwangerschaft hin.
  • Erkrankungen, die zur Insulinresistenz führen (z. B. PCOS): Frauen mit PCOS haben häufig eine verminderte Insulinsensitivität, die das Risiko für GDM erhöht.
  • Medikamente, die den Glukosestoffwechsel beeinflussen: Bestimmte Medikamente, wie Glucocorticoide oder Betablocker, können die Insulinsensitivität reduzieren und das Risiko für GDM erhöhen.

Zusammenfassung

Beim Gestationsdiabetes entsteht eine Hyperglykämie, die durch eine physiologisch bedingte Insulinresistenz, verursacht durch Schwangerschaftshormone wie Progesteron und Plazentalaktogen, sowie einem unzureichenden Anstieg der Insulinproduktion gekennzeichnet ist. Diese Insulinresistenz wird oft durch eine bereits vorbestehende verminderte Insulinsensitivität der Frau verstärkt. Zu den Risikofaktoren gehören Glukosurie, Polyhydramnion, fetale Makrosomie, frühere Schwangerschaftskomplikationen sowie Erkrankungen wie PCOS. Unbehandelter GDM kann zu schwerwiegenden Komplikationen sowohl für die Mutter als auch für das Kind führen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
  • Lebensalter
    • höheres Alter der Gebärenden
    • Vater > 45. Lebensjahr: 28 % häufiger Gestationsdiabetes [3]
  • Geographische Faktoren – Afrika, Mittelamerika, Mittlerer Osten, Ostasien, Südasien

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mikronährstoffmangel – Eine unausgewogene Ernährung mit Defiziten an Magnesium, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure) kann die Insulinempfindlichkeit negativ beeinflussen.
    • Hoher Zuckerkonsum – Übermäßige Aufnahme von raffiniertem Zucker und zuckerhaltigen Getränken erhöht das Risiko für Insulinresistenz.
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel – Geringe körperliche Aktivität reduziert die Glukoseaufnahme in die Muskeln und fördert Insulinresistenz.
    • Regelmäßige moderate Bewegung – Kann die Insulinempfindlichkeit steigern und das Risiko für Gestationsdiabetes verringern.
  • Genussmittelkonsum
    • Tabakkonsum (Rauchen) – Beeinträchtigt die Gefäßgesundheit und erhöht das Risiko für eine gestörte Glukosetoleranz.
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress [4] – Chronischer Stress kann durch Cortisolfreisetzung die Blutzuckerregulation stören und Insulinresistenz fördern.
  • Übergewicht (BMI ≥ 25, Adipositas)
    • Adipositas als zentraler Faktor – Adipositas ist der stärkste Risikofaktor für Gestationsdiabetes und erhöht das Risiko um das Fünffache [4].
    • Zentrale Fettverteilung – Insbesondere eine androide Fettverteilung (Bauchfett) ist mit einem höheren Risiko assoziiert.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Adipositas (Fettsucht) [4]
  • Depressive Gemütslage im 1. oder 3. Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) (2-3,21-fach); Patienten, die dann tatsächlich an einem Gestationsdiabetes erkrankten, hatten ein 4,62-fach erhöhtes Risiko auf eine postpartale Depression [1]

Medikamente

  • Antipsychotika (Quetiapin, Olanzapin) – Fortsetzung einer Behandlung mit Quetiapin oder Olanzapin während der Schwangerschaft könnte das Risiko auf einen Gestationsdiabetes erhöhen: Quetiapin stieg die Häufigkeit von 4,1 auf 7,1 %, bei Olanzapin von 4,7 auf 12,0 %; relative Zunahme des Risikos auf einen Gestationsdiabetes um 28 % für Quetiapin und um 61 % für Olanzapin [2]
  • Hormone
    • Glucocorticoide
  • Weitere Medikamente, die auf den Glucosestoffwechsel einwirken.

Literatur

  1. Hinkle N et al.: A longitudinal study of depression and gestational diabetes in pregnancy and the postpartum period. Diabetologia (2016). doi:10.1007/s00125-016-4086-1
  2. Park Y et al.: Continuation of Atypical Antipsychotic Medication During Early Pregnancy and the Risk of Gestational Diabetes. American Journal of Psychiatry Published online: May 07, 2018 https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2018.17040393
  3. Khandwala YS et al.: Association of paternal age with perinatal outcomes between 2007 and 2016 in the United States: population based cohort study. BMJ 2018; 363 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.k4372 (Published 31 October 2018)
  4. Günther J et al.: Effects of a Lifestyle Intervention in Routine Care on Prenatal Dietary Behavior—Findings from the Cluster-Randomized GeliS Trial J. Clin. Med. 2019, 8, 960 doi: 10.3390/jcm8070960.