Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes mellitus) – Einleitung

Beim Gestationsdiabetes mellitus (GDM) – umgangssprachlich Schwangerschaftsdiabetes genannt – handelt es sich um eine erstmals während der Schwangerschaft (Gestation) auftretende Glukosetoleranzstörung bzw. um einen Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit). In seltenen Fällen ist es ein neu aufgetretener Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2. 

Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM O24.4: Diabetes mellitus, während der Schwangerschaft auftretend)

Charakteristische Laborbefunde 

Die Diagnose und Überwachung des Gestationsdiabetes stützt sich auf verschiedene Laborbefunde:

  • Nüchternglucose (Nüchternblutzucker)
    • 92-125 mg/dl (5,1-6,9 mmol/l): Ein Nüchternglucosespiegel in diesem Bereich gilt als klassischer Befund bei GDM.
    • ≥ 126 mg/dl (> 7,0 mmol/l): Dieser Wert deutet auf einen manifesten Diabetes mellitus hin, nicht nur auf GDM.
  • Glucose Challenge Test (GCT)
    • 50-g-Glukose-Screeningtest: Hierbei wird die Blutglukose nach einer Stunde gemessen. Ein erhöhter Wert ist ein Hinweis auf GDM und bedarf weiterer Tests zur Bestätigung.
  • Oraler Glukosetoleranztest (OGTT)
    • Werte nach 2 Stunden: Ein Wert von ≥ 140 mg/dl (7,8 mmol/l) nach 2 Stunden bestätigt die Diagnose GDM. Weitere Grenzwerte zur Diagnose sind:1-Stunden-Wert: ≥ 180 mg/dl (10,0 mmol/l)
    • 2-Stunden-Wert: ≥ 153 mg/dl (8,5 mmol/l)
  • HbA1c (Glykosyliertes Hämoglobin)
    • < 6,5 % (48 mmol/mol): Ein normaler oder leicht erhöhter Wert bei der Diagnose von GDM, wobei dieser Wert eher zur Überwachung langfristiger Blutzuckerkontrolle als zur Erstdiagnose genutzt wird.
  • Fruktosamin
    • Erhöht: Kann als Alternative zum HbA1c verwendet werden, besonders in Fällen, in denen HbA1c-Werte verfälscht sein könnten (z. B. Anämie).
  • Insulinspiegel
    • Erhöht: Bei einigen Patienten kann ein erhöhter Insulinspiegel auf eine Insulinresistenz hinweisen, die zur Entwicklung von GDM beiträgt.

Formen des Gestationsdiabetes

Obwohl Gestationsdiabetes mellitus (GDM) nicht in klassische Subtypen unterteilt wird, können verschiedene Kategorien oder Klassifikationen basierend auf diagnostischen Kriterien und Schweregraden in Betracht gezogen werden:

  • Gestationsdiabetes ohne Insulintherapiebedarf (Diätetisch behandelbarer GDM)
    • Diese Form des GDM kann durch Ernährungsumstellung und körperliche Aktivität kontrolliert werden. Hierbei bleibt der Blutzuckerspiegel in einem akzeptablen Bereich ohne den Einsatz von Insulin oder oralen Antidiabetika.
  • Gestationsdiabetes mit Insulintherapiebedarf
    • Wenn diätetische Maßnahmen und körperliche Aktivität nicht ausreichen, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren, ist eine Insulintherapie notwendig. Dies betrifft eine schwerere Form des GDM, bei der eine engmaschige Überwachung erforderlich ist.
  • Gestationsdiabetes mit multiplen Risikofaktoren
    • Diese Kategorie umfasst Frauen mit zusätzlichen Risikofaktoren wie Übergewicht, positive Familienanamnese für Diabetes, vorherige Schwangerschaften mit GDM, oder bereits bestehende Glukosetoleranzstörungen.

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Der Gestationsdiabetes (GDM) manifestiert sich meist im 2. oder 3. Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) der Gravidität (Schwangerschaft).

Bedingt durch die zunehmende Insulinresistenz im dritten Trimenon entwickelt rund jede zehnte Schwangere ein Gestationsdiabetes (GDM).

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Weltweit bei ca. 1-20 % – mit steigender Tendenz. Die 1-Jahres-Prävalenz in Deutschland zeigt einen Anstieg mit zunehmendem Alter von 8 % auf 26 % (≥ 45 Jahre); die Gesamtprävalenz liegt bei 13,2 % [1].

Die Diagnose GDM wurde in Deutschland im Jahr 2022 bei knapp 10 % der Schwangerschaften dokumentiert.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Normalisierung nach Geburt: Beim typischen Gestationsdiabetes (GDM) normalisiert sich bei den meisten Frauen nach der Geburt der Glucosestoffwechsel wieder.
  • Erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus: Das Risiko, später an einem Diabetes mellitus zu erkranken, bleibt erhöht. Binnen eines Jahres nach Gestationsdiabetes erkrankten 11,8 Prozent der jungen Mütter an Typ-2-Diabetes versus 0,6 % der Mütter ohne GDM.
  • Stoffwechseleinstellung: Eine gute Stoffwechseleinstellung des Typ-2-Diabetes (HbA1c < 7 Prozent) erreichten 15 Prozent weniger Frauen mit GDM in der Vorgeschichte [2].

Prognose

  • Langfristiges Risiko: 35-60 % der Frauen mit Gestationsdiabetes entwickeln innerhalb von 10 Jahren eine Glukosetoleranzstörung. Zudem haben Frauen mit einem Gestationsdiabetes ein erhöhtes Risiko (35-50 %) für ein wiederholtes Auftreten einer Diabetes-Erkrankung in weiteren Schwangerschaften.
  • Mortalitätsrisiko: Nach Gestationsdiabetes haben Frauen im weiteren Leben ein leicht erhöhtes Mortalitätsrisiko (Sterberisiko; 28 %) durch kardiovaskuläre Erkrankungen (Herzkreislauferkrankungen) [3].

Literatur

  1. Melchior H, Kurch-Bek D, Mund M: The prevalence of gestational diabetes – a population-based analysis of a nationwide screening program. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 412-8. doi: 10.3238/arztebl.2017.0412
  2. McCarthy KJ et al.: Influence of Gestational Diabetes Mellitus on Diabetes Risk and Glycemic Control in a Retrospective Population-Based Cohort Diabetes Care Diabetes Care dc221676 June 21 2023 https://doi.org/10.2337/dc22-1676
  3. Wang YX et al.: Association of Gestational Diabetes With Subsequent Long-Term Risk of Mortality JAMA Intern Med. Published online September 11, 2023. doi:10.1001/jamainternmed.2023.4401

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. (AWMF-Registernummer: 057-008), Februar 2018 Langfassung