Scheidenkrebs (Vaginalkarzinom) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Der Scheidenkrebs (Vaginalkarzinom) ist eine seltene bösartige Erkrankung, die vor allem ältere Frauen betrifft. Die überwiegende Mehrheit der primären Vaginalkarzinome (etwa 95 %) sind Plattenepithelkarzinome, die aus den Zellen der vaginalen Schleimhaut entstehen. Der Rest besteht aus Adenokarzinomen, malignen Melanomen und Rhabdomyosarkomen. Die Pathogenese des Vaginalkarzinoms wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, wobei humane Papillomviren (HPV) eine zentrale Rolle in der Entwicklung der meisten Plattenepithelkarzinome spielen.
Vorstufen des Vaginalkarzinoms: Vaginale intraepitheliale Neoplasie (VaIN)
- Die Entstehung eines Vaginalkarzinoms beginnt häufig mit Vorstufen, die als vaginale intraepitheliale Neoplasien (VaIN) bezeichnet werden. Diese werden in drei Ausprägungsgrade unterteilt, die je nach Schweregrad der Dysplasie klassifiziert werden:
- VaIN 1: Leichte Dysplasie oder kondylomatöse Läsion, die oft mit niedrigrisiko-HPV-Typen assoziiert ist und in vielen Fällen von selbst abheilt.
- VaIN 2: Mäßiggradige Dysplasie, die bereits eine signifikante Veränderung der Zellen in der vaginalen Schleimhaut zeigt.
- VaIN 3: Hochgradige Dysplasie, die als Carcinoma in situ gilt und das höchste Risiko für die Progression zu einem invasiven Karzinom darstellt.
Rolle von humanen Papillomviren (HPV)
- HPV-Infektion ist der zentrale pathogenetische Faktor in der Entwicklung des Vaginalkarzinoms, insbesondere bei den Plattenepithelkarzinomen. In 96 % der Fälle von VaIN 2 und VaIN 3, den Vorstufen des Vaginalkarzinoms, wird HPV-DNA nachgewiesen [1]. Die am häufigsten assoziierten Hochrisiko-HPV-Typen sind HPV 16, 18, 31 und 33.
- HPV 16 und 18 sind dabei die gefährlichsten Typen und sind auch die Hauptursache für Zervixkarzinome (Gebärmutterhalskrebs) und Analkarzinome. HPV-Infektionen führen zu einer viralen Integration in das Genom der Wirtszelle, was zu genetischen Veränderungen führt. Diese Veränderungen stören die Regulation des Zellzyklus, vor allem durch die Inaktivierung der Tumorsuppressorproteine p53 und pRb (Retinoblastomprotein), was zur unkontrollierten Zellproliferation und letztlich zur Entstehung von Karzinomen führt.
Entwicklung des Plattenepithelkarzinoms
- Das Plattenepithelkarzinom entwickelt sich durch die sukzessive Akkumulation genetischer und epigenetischer Veränderungen, die von einer anhaltenden HPV-Infektion ausgelöst werden. Die zervikalen und vaginalen Epithelzellen durchlaufen eine Reihe von prämalignen Stadien (Vorzeichen einer bösartigen (malignen) Entartung), beginnend mit der HPV-induzierten Dysplasie, die schließlich in ein invasives Karzinom übergeht.
- Die VaIN 1-3 Läsionen markieren diese Stadien der Dysplasie, wobei VaIN 3 als die direkte Vorstufe des invasiven Plattenepithelkarzinoms gilt. Ohne Behandlung kann VaIN 3 in ein invasives Karzinom übergehen, das tiefere Schichten der Vaginalwand infiltriert.
Andere Arten von Vaginalkarzinomen
- Adenokarzinome: Diese machen etwa 5 % der primären Vaginalkarzinome aus und entstehen aus den Drüsenzellen der Vaginalschleimhaut. Ein besonderes Subtyp ist das klarzellige Adenokarzinom, das bei Frauen auftritt, die im Mutterleib dem Hormon Diethylstilbestrol (DES) ausgesetzt waren.
- Malignes Melanom: Obwohl selten, kann sich ein malignes Melanom in der Vagina entwickeln. Dies geschieht durch eine bösartige Transformation von Melanozyten, pigmentbildenden Zellen in der Haut und Schleimhäuten.
- Rhabdomyosarkome: Diese bösartigen Tumoren treten vor allem bei Kindern und Jugendlichen auf und entwickeln sich aus Zellen des quergestreiften Muskels. Das embryonale Rhabdomyosarkom ist die häufigste Form und manifestiert sich als Botryoid-Typ, der meist als traubenförmige Tumormasse in der Vagina sichtbar wird.
Faktoren, die das Fortschreiten begünstigen
- Persistierende HPV-Infektion: Frauen mit einer anhaltenden Infektion mit Hochrisiko-HPV-Typen haben ein höheres Risiko, dass VaIN-Läsionen zu invasiven Karzinomen fortschreiten.
- Immunsuppression: Frauen, die immunsupprimiert sind, wie beispielsweise HIV-positive Frauen, haben ein erhöhtes Risiko, eine HPV-Infektion nicht zu klären, was die Progression zu einem Karzinom begünstigt.
- Nikotin: Rauchen kann die Immunabwehr gegen HPV schwächen und so das Risiko für präkanzeröse Läsionen und deren Fortschreiten erhöhen.
- Vorherige Krebserkrankungen: Frauen, die bereits an einem Zervix- oder Analkarzinom erkrankt sind, haben ein erhöhtes Risiko, auch ein Vaginalkarzinom zu entwickeln, was auf den gemeinsamen Risikofaktor HPV hinweist.
Molekulare Veränderungen
- Die HPV-Integration in das Wirtsgenom führt zu einer Überexpression der viralen Onkoproteine E6 und E7, die wichtige Tumorsuppressorproteine wie p53 und pRb inaktivieren. Dies führt zu einer unkontrollierten Zellproliferation, genomischer Instabilität und einer verminderten Apoptose der infizierten Zellen, was das Fortschreiten von präkanzerösen Läsionen zu invasiven Karzinomen begünstigt.
Zusammenfassung
Die Pathogenese des Vaginalkarzinoms, insbesondere des Plattenepithelkarzinoms, ist eng mit einer persistierenden Infektion mit Hochrisiko-HPV-Typen (wie HPV 16 und 18) verknüpft. Die HPV-Infektion führt zu präkanzerösen Läsionen (Krebsvorstufen), den vaginalen intraepithelialen Neoplasien (VaIN 1-3), die das Risiko für eine Progression zum invasiven Karzinom bergen. Molekulare Mechanismen wie die Inaktivierung der Tumorsuppressorproteine p53 und pRb durch die viralen Onkoproteine E6 und E7 sind zentrale Prozesse in der Karzinogenese (Krebsentstehung). Neben HPV spielen auch andere Faktoren wie Immunsuppression und Rauchen eine Rolle im Fortschreiten der Erkrankung.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
Verhaltensbedingte Ursachen (wg. möglicher Infektion mit humanen Papillomviren (HPV))
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen) – Rauchen erhöht die Wahrscheinlichkeit einer HPV-Persistenz und fördert die Entstehung präkanzeröser Läsionen (Veränderungen im Sinne von Krebsvorstufen) durch Schädigung der Immunabwehr.
- Drogenkonsum
- Cannabis (Haschisch und Marihuana) – Beeinträchtigt die Immunfunktion und erhöht die Infektionsanfälligkeit.
- Sexuelle Übertragung
- Promiskuität – Häufig wechselnde Sexualpartner erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit Hochrisiko-HPV-Typen.
- Prostitution – Erhöhte Exposition gegenüber HPV-Infektionen durch häufige sexuelle Kontakte ohne ausreichende Schutzmaßnahmen.
- Hygiene
- Unzureichende Intimhygiene – Begünstigt die lokale Persistenz von Viren und Keimen, die die Entstehung präkanzeröser Veränderungen fördern können.
- Übertriebene Intimhygiene – Schädigt die Vaginalflora und reduziert die lokale Immunabwehr.
- Weitere Faktoren
- Früher Beginn sexueller Aktivität – Erhöht das Risiko einer frühen Exposition gegenüber HPV-Infektionen.
- Verzicht auf Kondome – Reduziert den Schutz vor HPV-Infektionen und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen.
Literatur
- Alemany L et al.: Large contribution of human papillomavirus in vaginal neoplastic lesions: a worldwide study in 597 samples. Eur J Cancer 2014;50:2846-2854 doi: 10.1016/j.ejca.2014.07.018. Epub 2014 Aug 21.