Hirsutismus – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Hirsutismus ist definiert als übermäßiges Wachstum terminaler (dicker, pigmentierter) Haare bei Frauen in einem männlichen Verteilungsmuster (z. B. im Gesicht, an Brust, Bauch, Rücken). Er stellt oft ein Symptom eines zugrunde liegenden hormonellen Ungleichgewichts oder einer erhöhten Empfindlichkeit der Haarfollikel auf Androgene dar. Die Pathogenese des Hirsutismus ist komplex und kann verschiedene Ursachen haben, darunter hormonelle, genetische und medikamentöse Faktoren.

Idiopathischer Hirsutismus

  • Definition: Diese Form des Hirsutismus tritt ohne erkennbare pathologische Ursachen oder offensichtliche endokrine Störungen auf. Insbesondere bei Frauen aus mediterranen oder nahöstlichen Regionen kommt es gehäuft zu familiär-idiopathischem Hirsutismus.
  • Pathogenese: Der idiopathische Hirsutismus beruht auf einer erhöhten Sensitivität der Haarfollikel gegenüber normalen Androgenspiegeln im Serum. Diese erhöhte Androgenrezeptoraktivität oder erhöhte Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron (DHT) in den Haarfollikeln führt zu einer verstärkten terminalen Haarbildung, ohne dass der Serumspiegel der Androgene pathologisch erhöht ist.

Androgenüberschuss

  • Ein Großteil der Fälle von Hirsutismus wird durch einen erhöhten Androgenspiegel im Blut verursacht. Hierbei handelt es sich um sogenannte Hyperandrogenämie-bedingte Formen, die u. a. folgende Ursachen haben können:
    • Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS): Das PCOS ist die häufigste Ursache für Hirsutismus und ist gekennzeichnet durch eine vermehrte Androgenproduktion in den Ovarien (Eierstöcke). Etwa 70-80 % der Frauen mit Hirsutismus haben PCOS.
    • Adrenogenitales Syndrom: Eine seltenere Ursache ist das kongenitale adrenogenitale Syndrom (AGS), bei dem es zu einer Enzymdefizienz in der Steroidbiosynthese kommt, was zu einer vermehrten Produktion von Androgenen in den Nebennieren führt.
    • Androgen-produzierende Tumoren: Selten können Tumoren der Ovarien oder Nebennieren für eine übermäßige Androgenproduktion verantwortlich sein.

Medikamentöse Ursachen

  • Anabolika oder androgenhaltige Medikamente: Die Einnahme von Medikamenten, die Androgene enthalten oder deren Spiegel erhöhen (z. B. Testosteronpräparate oder bestimmte anabole Steroide), kann zu Hirsutismus führen.
  • Andere Medikamente: Bestimmte Medikamente, wie z. B. Ciclosporin oder Minoxidil, können ebenfalls Hirsutismus begünstigen, indem sie die Haarfollikel stimulieren.

Genetische Faktoren

  • Wie bereits erwähnt, kann Hirsutismus familiär gehäuft auftreten, insbesondere bei Frauen aus ethnischen Gruppen mit einer höheren genetischen Prädisposition für verstärkte Körperbehaarung (z. B. mediterrane, nahöstliche, südasiatische Regionen). In diesen Fällen ist der Hirsutismus in der Regel idiopathisch und nicht mit einem erhöhten Androgenspiegel verbunden.

Periphere Umwandlung von Androgenen

  • Erhöhte Aktivität der 5α-Reduktase: Dieses Enzym konvertiert Testosteron in das biologisch aktivere Dihydrotestosteron (DHT), das eine stärkere Wirkung auf die Haarfollikel ausübt. Eine erhöhte Aktivität dieses Enzyms in der Haut und den Haarfollikeln kann zur Entstehung von Hirsutismus beitragen, auch wenn die Androgenspiegel im Blut normal sind.

Postmenopause

  • Verminderte Östrogenspiegel: Nach der Menopause (Wechseljahren) sinken die Östrogenspiegel, was das Gleichgewicht zwischen Androgenen und Östrogenen verschieben kann. Dies führt dazu, dass die Wirkung der Androgene stärker ausgeprägt ist, was zu Hirsutismus führen kann.

Insulinresistenz und Hyperinsulinämie

  • Bei Frauen mit Insulinresistenz (verringerte Antwort Insulin), wie sie beim polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) häufig vorkommt, führt die Hyperinsulinämie zu einer vermehrten Androgenproduktion durch die Ovarien (Eierstöcke) und zu einer erhöhten Expression von Androgenrezeptoren in den Haarfollikeln. Dies verstärkt die Entwicklung von Hirsutismus.

Nebennierenerkrankungen

  • Cushing-Syndrom: Bei dieser Erkrankung, die durch erhöhte Cortisolspiegel gekennzeichnet ist, kommt es ebenfalls zu einem Anstieg der Androgene, was Hirsutismus zur Folge haben kann.

Zusammenfassung

Die Entstehung von Hirsutismus ist multifaktoriell. Die meisten Fälle lassen sich auf eine Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber Androgenen (idiopathischer Hirsutismus) oder auf erhöhte Androgenspiegel zurückführen, wie sie bei PCOS oder anderen hormonellen Störungen vorkommen. Der therapeutische Ansatz orientiert sich an der zugrunde liegenden Ursache und kann von medikamentöser Therapie (z. B. Antiandrogene) bis zu kosmetischen Maßnahmen reichen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Hormonelle Faktoren – Menopause (Wechseljahre der Frau): idiopathischer Hirsutismus 

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Unausgewogene Ernährung – Kann die hormonelle Balance stören und die Insulinempfindlichkeit negativ beeinflussen.
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) – Kann die Stoffwechselregulation beeinträchtigen und hormonelle Dysbalancen fördern.
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel – Kann Insulinresistenz und Adipositas begünstigen, wodurch die Androgenproduktion steigen kann.
  • Psycho-soziale Situation
    • Chronischer Stress – Kann die Cortisol- und Androgenspiegel erhöhen, was Hirsutismus begünstigen kann.
  • Übergewicht (BMI ≥ 25, Adipositas)
    • Adipositas – Kann die Insulinresistenz fördern, die mit erhöhten Androgenspiegeln und Hirsutismus assoziiert ist.

Krankheitsbedingte Ursachen

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Hermaphroditismus verus (Zwitterbildung; hier: gleichzeitige Vorhandensein von Ovar- und Hodengewebe)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Abnormer Cortisolmetabolismus
  • Adrenogenitales Syndrom (AGS) – autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselkrankheit, die durch Störungen der Hormonsynthese in der Nebennierenrinde gekennzeichnet ist; diese Störungen führen zu einem Mangel an Aldosteron und Cortisol; bei Mädchen zur Virilisierung (Vermännlichung) beziehungsweise zur Pubertas praecox (vorzeitige Geschlechtsentwicklung) beim Jungen
  • Adipositas (Übergewicht)
  • Akromegalie – Erkrankung, die durch eine Überproduktion des Wachstumshormons (somatotropes Hormon (STH), Somatotropin) hervorgerufen wird; mit ausgeprägter Vergrößerung der Körperendglieder
  • Morbus Cushing/Cushing-Syndrom – Erkrankung, bei der ein Tumor in den ACTH-produzierenden Zellen der Hypophyse zu viel ACTH produziert, wodurch es zu einer vermehrten Stimulation der Nebennierenrinde und als Folge davon zu einer übermäßigen Cortisolproduktion kommt.
  • Hyperprolaktinämie – Erhöhung des Prolaktinspiegels im Blut
  • Ovarielle Hyperandrogenämie – zu hohe Androgenproduktion in den Eierstöcken
  • Syndrom der polyzystischen Ovarien (PCO-Syndrom) – Symptomenkomplex, der durch eine hormonelle Funktionsstörung der Ovarien (Eierstöcke) gekennzeichnet ist [50 % aller Frauen mit Hirsutismus]
  • Syndrome einer extremen Insulinresistenz (verminderte Wirksamkeit des körpereigenen Insulins an den Zielorganen Skelettmuskulatur, Fettgewebe und Leber)
  • Vorzeitige Andrenarche – vorzeitiger Beginn der Nebennierenreifung, die beim Mädchen durch einen Anstieg der adrenalen 17-Ketosteroid-Produktion (normalerweise: ab etwa dem neunten Lebensjahr) gekennzeichnet ist. Zu diesem Zeitpunkt steigt das Prohormon Dehydroepiandrosteron (DHEA) und seine sulfatierte Form (DHEAS) messbar an.

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Adrenale Neubildungen, nicht näher bezeichnet – Neubildungen, die von der Nebenniere ausgehen
  • Ovarielle Neubildungen, nicht näher bezeichnet – Neubildungen, die von den Ovarien (Eierstöcke) ausgehen
  • Thekom – seltener, meist (benigner) gutartiger Tumor, der von den Thekazellen der Ovarien ausgeht

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)

  • Schwangerschaftsassoziierte Hyperandrogenämie (Überproduktion männlicher Geschlechtshormone) wie bei der Hyperreaktion des Corpus luteum (Gelbkörper)

Medikamente

  • Anabolika – Substanzen, die den Aufbau von körpereigenem Gewebe vorwiegend durch eine verstärkte Proteinbiosynthese (Neubildung von Proteinen) fördern
  • Androgene – männliche Geschlechtshormone
  • Antikonzeptiva ("Pille") mit androgener Partialwirkung
  • Ciclosporin (Cyclosporin A) – Medikament aus der Gruppe der Immunsuppressiva
  • Danazol – Antigonadotropin, das zu einer eversiblen Hemmung der Synthese und/oder Ausschüttung der hypophysären Gonadotropine LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (follikelstimulierendes Hormon) führt; Danazol wird eingesetzt zur Behandlung der Endometriose (Besserung der Symptome wie: Dysmenorrhöe (Regelschmerzen), Unterleibsschmerzen und Dyspareunie, d. h. Schmerzen beim Verkehr)
  • Diazoxid – Medikament, welches als Antihypertensivum (Bluthochdruckmittel) eingesetzt wird
  • Minoxidil – Medikament, welches bei Bluthochdruck und Alopecia eingesetzt wird
  • Phenytoin – Medikament aus der Gruppe der Antiepileptika
  • Progestine – sind synthetische progesteronähnliche Substanzen (C21- Steroide)
  • Spironolacton (kaliumsparendes Diuretikum) – Medikament aus der Gruppe der Diuretika (dient der Ausschwemmung von Wasser)