Hirsutismus – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Hirsutismus (vermehrte Körper- und Gesichtsbehaarung bei Frauen) dar.

Familienanamnese 

  • Gibt es in Ihrer Familie gehäuft Fälle von hormonellen Störungen, z. B. polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO-Syndrom, Hormonstörung mit Zystenbildung an den Eierstöcken), Schilddrüsenerkrankungen (Störungen der Schilddrüsenfunktion) oder Nebennierenstörungen (Erkrankungen der Nebenniere)?
  • Leiden weibliche Familienmitglieder ebenfalls unter verstärktem Haarwuchs (z. B. an Oberlippe, Kinn oder Bauch)?
  • Gibt es in Ihrer Familie eine genetisch bedingte Neigung zu frühzeitigem Haarausfall (androgenetische Alopezie, erblich bedingter Haarausfall)?
  • Gibt es bekannte Erbkrankheiten, die mit hormonellen Veränderungen oder Stoffwechselstörungen (Störungen des körpereigenen Stoffwechsels) einhergehen, z. B. adrenogenitales Syndrom (AGS, angeborene Nebennierenüberfunktion)? Bestehen familiäre Häufungen von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder Übergewicht (Adipositas), die mit einem erhöhten Androgenspiegel (männlicher Hormonspiegel) verknüpft sein könnten?

Sozialanamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Besteht in Ihrem Beruf eine Exposition gegenüber hormonwirksamen oder chemischen Substanzen (z. B. in der Landwirtschaft, Kosmetikindustrie, Chemieproduktion)?
    • Sind Sie regelmäßig körperlich hoher Belastung ausgesetzt (z. B. Schichtarbeit, Nachtarbeit)?
  • Umgebungsbezogene Faktoren und psychosoziale Situation:
    • Haben Sie das Gefühl, gesellschaftlich oder beruflich durch das vermehrte Haarwachstum eingeschränkt oder stigmatisiert zu sein?
    • Bestehen aktuell psychische Belastungen im privaten oder beruflichen Umfeld, die sich auf Ihr Wohlbefinden auswirken?
    • Wurden Sie in der Vergangenheit aufgrund Ihres äußeren Erscheinungsbildes (z. B. vermehrte Körperbehaarung) diskriminiert oder gehänselt?
    • Liegen Hinweise auf Essstörungen oder exzessives Training vor (z. B. im Zusammenhang mit Körperbildveränderung oder Gewichtskontrolle)?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • An welchen Körperstellen besteht eine vermehrte Behaarung:
    • Kotelettenbereich (seitlich im Gesicht nahe den Ohren)?
    • Oberlippe und Kinn?
    • Brustbeinbereich?
    • Warzenhofregion?
    • Bauchmittellinie (vom Bauchnabel bis zur Schambehaarung)Besteht hier eine idealtypisch scharf begrenzte Dreiecksform oder eher eine breite Rhombusform?
    • Oberschenkel und Unterschenkel?
    • Unterarme?
  • Seit wann besteht dieses Behaarungsmuster?
  • Hat sich die Verteilung oder Intensität der Behaarung im Zeitverlauf verändert?
  • Liegen zusätzliche Hautveränderungen wie Akne oder Talgproduktion vor?
  • Besteht eine Glatzenbildung oder ein ausgedünntes Haarbild am Kopf (androgenetische Alopezie)?
  • Haben Sie Veränderungen an der Stimme bemerkt, z. B. eine tiefer werdende Stimme?
  • Haben Sie eine Vergrößerung der Klitoris bemerkt?
  • Hat sich Ihre Libido verändert (z. B. gesteigert)?
  • Haben sich Ihre Körperproportionen verändert (z. B. breitere Schultern, Rückbildung der Brust)?
  • Fühlen Sie sich psychisch belastet oder sozial beeinträchtigt durch die Veränderungen?
  • Leiden Sie unter Schlafstörungen oder übermäßiger Müdigkeit?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Gab es in letzter Zeit eine starke Gewichtsveränderung? Geben Sie bitte uns Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Hat sich ihr Appetit verändert?
  • Leiden Sie unter Heißhungerattacken?
  • Wann hatten Sie Ihre erste Regelblutung?
  • Ist Ihr Zyklus regelmäßig? Bestehen Blutungsunregelmäßigkeiten wie Ausbleiben, unregelmäßige Zyklen oder verlängerte Blutungen?
  • Trinken Sie ausreichend Flüssigkeit täglich?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?

Eigenanamnese

  • Haben Sie in der Vergangenheit an hormonellen Erkrankungen gelitten (z. B. Schilddrüsenerkrankungen, Nebennierenstörungen)?
  • Wurde bei Ihnen in der Vergangenheit ein erhöhter Testosteronwert oder andere Hormonveränderungen festgestellt?
  • Haben Sie bereits eine hormonelle Diagnostik oder Bildgebung (z. B. Ultraschall der Ovarien oder Computertomographie (CT) der Nebennieren) erhalten?
  • Haben Sie Operationen im Bereich der hormonproduzierenden Organe (z. B. Ovarien (Eierstöcke), Nebennieren, Hypophyse) hinter sich?
  • Wurden Sie bereits schwanger? Wenn ja, wie verlief die Schwangerschaft?
  • Besteht aktuell oder bestanden in der Vergangenheit ein unerfüllter Kinderwunsch?

Medikamentenanamnese

  • Anabolika – Substanzen, die den Aufbau von körpereigenem Gewebe vorwiegend durch eine verstärkte Proteinbiosynthese (Neubildung von Proteinen) fördern
  • Androgene – männliche Geschlechtshormone
  • Antikonzeptiva ("Pille") mit andogener Partialwirkung
  • Ciclosporin (Cyclosporin A) – Medikament aus der Gruppe der Immunsuppressiva
  • Danazol – Antigonadotropin, das zu einer reversiblen Hemmung der Synthese und/oder Ausschüttung der hypophysären Gonadotropine LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (follikelstimulierendes Hormon) führt; Danazol wird eingesetzt zur Behandlung der Endometriose (Besserung der Symptome wie: Dysmenorrhöe (Regelschmerzen), Unterleibsschmerzen und Dyspareunie, d. h. Schmerzen beim Verkehr)
  • Diazoxid – Medikament, welches als Antihypertensivum (Bluthochdruckmittel) eingesetzt wird
  • Minoxidil – Medikament, welches bei Bluthochdruck und Alopecia eingesetzt wird
  • Phenytoin – Medikament aus der Gruppe der Antiepileptika
  • Progestine – sind synthetische progesteronähnliche Substanzen (C21- Steroide)
  • Spironolacton (kaliumsparendes Diuretikum) – Medikament aus der Gruppe der Diuretika (dient der Ausschwemmung von Wasser)

Umweltanamnese

  • Besteht eine regelmäßige Exposition gegenüber hormonwirksamen Stoffen wie Pestiziden, Weichmachern (Phthalate), Kosmetika mit endokriner Wirkung oder Haarwuchsmitteln?
  • Leben Sie in einer Umgebung mit potenziell hormonaktiven Schadstoffen (z. B. Industriegebiet, Landwirtschaft mit hormonbehandelten Tieren)?
  • Verwenden Sie Kosmetika, Salben oder Salbenpräparate mit Steroiden oder hormonellen Zusätzen?

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.