Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Endometriumkarzinoms (Gebärmutterschleimhautkrebs) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie häufig Tumorerkrankungen, insbesondere Kolonkarzinom (Darmkrebs), Mammakarzinom (Brustkrebs) oder Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs)?
- Gab es in Ihrer Familie Fälle eines HNPCC-Syndroms (Hereditary Non-Polyposis Colon Cancer, auch Lynch-Syndrom genannt)?
- Wurde in Ihrer Familie eine erbliche Form des Endometriumkarzinoms oder anderer gynäkologischer Tumoren diagnostiziert?
Soziale Anamnese
- Beruf:
- Welchen Beruf üben Sie aus?
- Sind Sie in Ihrem Beruf schädigenden Arbeitsstoffen oder hormonaktiven Substanzen ausgesetzt?
- Sind Sie aktuell arbeitslos oder planen Sie aufgrund von gesundheitlichen Beschwerden eine Frührente?
- Bestehen psychosoziale Belastungen, wie chronischer Stress, familiäre oder berufliche Probleme, die sich auf Ihre Gesundheit auswirken könnten?
Aktuelle Anamnese / Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Welche Symptome haben Sie bemerkt:
- Atypische vaginale Blutungen?*
- Postmenopausale Blutungen?*
- Verlängerte (> 6 Tage) und verstärkte Regelblutungen?
- Vaginale Blutungen, die außerhalb der Menstruationszyklen auftreten?
- Wässriger, blutiger oder übelriechender Ausfluss aus der Scheide?*
- Unterbauchschmerzen?
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr?*
- Druckgefühle im Beckenbereich?
- Seit wann bestehen diese Beschwerden?
- Sind bei Ihnen unerklärliche Blasen- oder Darmbeschwerden aufgetreten?
- Bestehen Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder ein allgemeines Krankheitsgefühl?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Wann trat Ihre erste Regelblutung auf?
- Wann war Ihre letzte Regelblutung? Falls Sie bereits in den Wechseljahren sind: Haben Sie danach erneut Blutungen bemerkt?
- Gab es jemals Zyklusanomalien (z. B. sehr unregelmäßige Zyklen)?
- Haben Sie eine Hormonspirale oder andere hormonelle Verhütungsmethoden verwendet?
- Wurde bei Ihnen eine hormonelle Therapie (z. B. Östrogenersatztherapie in den Wechseljahren) durchgeführt? Falls ja: Wie lange und mit welchen Präparaten?
- Sind Sie übergewichtig? Bitte geben Sie Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
- Haben Sie eine ungewollte Gewichtszunahme oder -abnahme bemerkt? Geben Sie bitte uns Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
- Hat sich Ihr Appetit verändert?
- Trinken Sie ausreichend Flüssigkeit? Wie viel trinken Sie täglich?
- Treiben Sie regelmäßig Sport? Falls ja: Welche Sportarten und wie oft pro Woche?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Tumorerkrankungen (z. B. Mammakarzinom (Brustkrebs), Kolonkarzinom (Darmkrebs), Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs), Endometriumkarzinom (Gebärmutterkrebs))?
- Diabetes mellitus?
- Hypertonie (Bluthochdruck)?
- Metabolisches Syndrom?
- Endometriose oder Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO-Syndrom)?
- Chronische Leber- oder Nierenerkrankungen?
- Gerinnungsstörungen oder Thrombosen in der Vergangenheit?
- Operationen:
- Gynäkologische Eingriffe oder Hysterektomie (Gebärmutterentfernung)?
- Eingriffe an den Eierstöcken oder Eileitern
- Wurde in der Vergangenheit eine Bestrahlung im Beckenbereich durchgeführt?
- Schwangerschaften:
- Wie viele Schwangerschaften hatten Sie? Gab es Fehlgeburten oder Schwangerschaftskomplikationen?
- Stillen oder haben Sie gestillt?
Medikamentenanamnese
- Hormonersatztherapie (HET; engl.: hormone replacement therapy (HRT))
- alleinige Hormontherapie mit Östrogenen ohne Gestagenschutz bei nicht hysterektomierten Frauen (Frauen, deren Gebärmutter nicht entfernt wurde)
- bei nicht-hysterektomierten postmenopausalen Frauen besteht unter Östrogenmonotherapie nach 3 Jahren Einnahmedauer bereits ein 5-faches, nach 10 Jahren ein 10-faches Erkrankungsrisiko (Lit. s. u. Klimakterium/Menopause: Malignome mit erhöhtem Erkrankungsrisiko)
- Sequenziell-kombinierte HRT: erhöhtes Endometriumkarzinom-Risiko im Vergleich zu keiner Therapie.
- Die Langzeitanwendung einer kontinuierlich-kombinierten Hormonersatztherapie > 6 Jahre bzw. > 10 Jahre kann zu einem erhöhten Endometriumkarzinomrisiko führen.
- Hinweis: kontinuierlich-kombiniertes HRT mit konjugierten equinen Östrogenen (0,625 mg CEE) und Medroxyprogesteronacetat (2,5 mg MPA) als Gestagen führte nach 13 Jahren Nachbeobachtungszeit zu einem signifikant reduzierten Endometriumkarzinom-Risiko (Women’s-Health-Initiative(WHI)-Studie)
- Eine sequenziell-kombinierte Hormonersatztherapie mit einer Anwendungsdauer unter fünf Jahren und unter Verwendung eines synthetischen Gestagens wird hinsichtlich des Endometriumkarzinom-Risikos als sicher anzusehen [S3-Leitlinie].
- Die Verwendung von mikronisiertem Progesteron oder Dydrogesteron im Rahmen einer kontinuierlich-kombinierten Hormontherapie kann das Risiko der Entstehung eines Endometriumkarzinoms erhöhen (wg. unzureichender Endometriumprotektion)
- alleinige Hormontherapie mit Östrogenen ohne Gestagenschutz bei nicht hysterektomierten Frauen (Frauen, deren Gebärmutter nicht entfernt wurde)
- Tamoxifen-Therapie beim Mammakarzinom (Brustkrebs) – gering erhöhtes Risiko, wenn die Einnahmedauer > 5 Jahre ist
- Tamoxifen erhöhte bei koreanischen Frauen, die vor der Menopause im Rahmen einer Hormontherapie des Mammakarzinoms mit Tamoxifen behandelt wurden das Risiko auf ein Endometriumkarzinom: Hazard Ratios betrugen 5,56 (5,06-6,12) für eine Hyperplasie, 3,77 (3,04-4,66) für ein Endometriumkarzinom, 2,27 (1,54-3,33) für andere Uteruskarzinome [2].
- Langzeiteinnahme von Tibolon (östrogener Wirkstoff, der zur Behandlung der Symptome des Östrogenmangels infolge der Menopause eingesetzt wird)
Umweltanamnese
- Chemische Haarglätter (endokrine Disruptoren: Parabene und Bisphenol A; Metalle und Formaldehyd – Prävalenz bis zum Alter von 70 Jahren wird mit 4,05 % angegeben gegenüber 1,64 % bei den Frauen, die nie Haarglätter benutzten [1].
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.
Literatur
- Chang CJ et al.: Use of Straighteners and Other Hair Products and Incident Uterine Cancer Journal of the National Cancer Institute 17 October 2022, djac165, https://doi.org/10.1093/jnci/djac165
- Ryu KJ et al.: Risk of Endometrial Polyps, Hyperplasia, Carcinoma, and Uterine Cancer After Tamoxifen Treatment in Premenopausal Women With Breast Cancer JAMA Netw Open. 2022;5(11):e2243951. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.43951