Gebärmutterhalskrebs (Cervixkarzinom) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Cervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs) entsteht in der Regel durch eine Dysplasie-Karzinom-Sequenz, die mit Zellveränderungen in der zervikalen Schleimhaut beginnt. Diese Dysplasien entwickeln sich aus zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN) und können im Verlauf maligne (bösartig) entarten.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- CIN-Läsionen:
- CIN1: Leichte Dysplasie, die meist reversibel ist. Nur in 11 % der Fälle entwickelt sich eine CIN1-Läsion zu einer schwereren CIN3-Läsion oder einem invasiven Karzinom. Nur 1 % der CIN1-Läsionen schreiten zu einem invasiven Karzinom fort [4].
- CIN2: Mittelschwere Dysplasie, die in 50 % der Fälle innerhalb von zwei Jahren spontan zurückgeht. Etwa 18 % der CIN2-Läsionen schreiten zu CIN3 oder einem invasiven Karzinom fort. In vielen Fällen wird eine „aktive Überwachung“ empfohlen [6].
- CIN3: Schwere Dysplasie, die in 30-70 % der Fälle zu einem invasiven Karzinom führen kann. Es ist jedoch auch möglich, dass sich CIN3-Läsionen in bis zu 32 % der Fälle spontan zurückbilden [4].
- HPV-Infektion: Über 90 % der Cervixkarzinome sind mit einer high-risk HPV-Infektion (insbesondere HPV-16 und HPV-18) assoziiert. Diese Papillomaviren verursachen DNA-Schäden in den betroffenen Epithelzellen, was zur malignen Entartung führen kann. Ein kleiner Teil der Cervixkarzinome zeigt keine Hinweise auf eine HPV-Infektion (HPV-negative Karzinome), die genetisch eher dem Endometriumkarzinom (Gebärmutterschleimhautkrebs) ähneln [5].
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
- Chronische Entzündungen: Eine anhaltende Infektion mit HPV oder anderen Erregern kann zu chronischen Entzündungen im Bereich des Gebärmutterhalses führen. Diese Entzündungsprozesse erhöhen das Risiko der malignen Transformation.
- Metaplasie und Dysplasie: Die Zellveränderungen betreffen hauptsächlich die Transformationszone zwischen dem Plattenepithel des Gebärmutterhalses und dem Zylinderepithel des Gebärmutterkanals. Diese Zone ist besonders anfällig für HPV-Infektionen und die Entwicklung von Dysplasien.
Klinische Manifestation
- Frühsymptome: In den frühen Stadien bleibt das Cervixkarzinom häufig asymptomatisch, was die Diagnose erschwert. Leichte Blutungen, insbesondere postkoital, können ein erstes Anzeichen sein.
- Spätsymptome: In fortgeschrittenen Stadien treten Schmerzen im Beckenbereich, Gewichtsverlust, anhaltende vaginale Blutungen und Ausfluss auf. Das fortgeschrittene Karzinom kann umliegende Strukturen infiltrieren und zu Harnwegsproblemen und Darmstörungen führen.
Progression und Organbeteiligung
- Lokale Invasion: Das Cervixkarzinom wächst lokal invasiv und kann in benachbarte Organe wie die Vagina (Scheide), die Harnblase und das Rektum (Mastdarm) einwachsen. Die Tumorausbreitung in das umliegende Gewebe verschlechtert die Prognose.
- Metastasierung: In fortgeschrittenen Stadien metastasiert der Tumor häufig in die Lymphknoten, Leber und Lunge. Die lymphogene Streuung ist eine der häufigsten Formen der Metastasierung.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
- Cervikale Stenose: Das Wachstum des Tumors kann zu einer Verengung des Gebärmutterhalses führen, was den normalen Menstruationsfluss oder die Entleerung der Gebärmutter behindern kann.
- Infiltration von Harnwegen und Darm: In fortgeschrittenen Fällen kann die Infiltration der Blase oder des Rektums (Mastdarm) zu Blasenentleerungsstörungen und Darmbeschwerden führen.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
- Fehlende Regeneration: Durch die fortschreitende Tumorausbreitung und die Infiltration der umliegenden Gewebe bleibt die Regenerationsfähigkeit der betroffenen Cervixareale stark eingeschränkt.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Das Cervixkarzinom entwickelt sich meist aus Vorstufen wie CIN-Läsionen, die durch eine anhaltende HPV-Infektion verursacht werden. Die frühzeitige Erkennung dieser Vorstufen, insbesondere durch HPV-Impfung und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, ist entscheidend für die Prävention. Das Fortschreiten von Dysplasien zu invasiven Karzinomen kann durch genetische Mutationen und chronische Entzündungen begünstigt werden. Bei fortgeschrittener Tumorausbreitung verschlechtert sich die Prognose erheblich, weshalb eine frühzeitige Behandlung von großer Bedeutung ist.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
- Sozioökonomische Faktoren – niedriger sozioökonomischer Status
- Multiparität/hohe Parität (Zahl der Geburten)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Hohe Parität – Zahlreiche Geburten erhöhen das Risiko für das Cervixkarzinom.
- Ernährung
- Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – Mangel an antioxidativen Vitaminen (z. B. Vitamin C, Vitamin E) und Folsäure kann die zelluläre DNA-Reparatur beeinträchtigen und die Entstehung von HPV-induzierten Läsionen fördern.
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen) [1, 2]
- Sexuelle Risikofaktoren
- Früher Beginn sexueller Aktivität – Erhöht die Wahrscheinlichkeit einer frühen Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV), einem Hauptauslöser des Cervixkarzinoms.
- Multiple Sexualpartner – Erhöht die Exposition gegenüber HPV-Infektionen.
- Hygienestandards
- Schlechte Genitalhygiene – Kann die Infektionsgefahr mit HPV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten erhöhen.
- Psycho-soziale Situation
- Stress – Kann das Immunsystem schwächen und die Eliminierung von HPV-Infektionen beeinträchtigen
- Impfstatus
- Fehlende HPV-Impfung – Eine unzureichende Durchimpfungsrate erhöht das Risiko für eine persistierende HPV-Infektion und somit für Präkanzerosen (Krebsvorstufen) und Cervixkarzinome.
- Übergewicht (BMI ≥ 25, Adipositas)
- Erhöht das Risiko für hormonelle Dysbalancen, die das Karzinomrisiko begünstigen können.
Krankheitsbedingte Ursachen
- Immundefizienz
- Infektion mit den humanen Papillomaviren HPV-6, 16, 18, 31, 33, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 66, 68, 70, 73, 82 (durch konsequente Verwendung von Kondomen wird das Übertragungsrisiko einer HPV-Infektion vermindert)
N. B.: Die HPV-Impfung gegen die beiden häufigsten Hochrisiko-HPV-Typen 16 und 18 kann circa 70 % der Cervixkarzinome verhindern! - Frühe und häufige virale genitale Infektionen, vorwiegend mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV), oder dem HI-Virus (HIV)
- HIV – Risiko, an Cervixkarzinom zu erkranken, ist bei Frauen, die mit HIV infiziert sind, 6-mal höher [7]
Medikamente
- Immunsuppression
- Immunsuppressiva: Azathioprin – das höchste Risiko war frühestens 5 Jahre nach einer Hochdosistherapie (Gefährdungsrisiko 3,3; 95 % KI 1,5-7,1) [3]
- Langzeiteinnahme oraler Kontrazeptiva ("Pille")
Hinweis: Unabhängig von der Dauer der Einnahme normalisiert sich das Risiko nach Absetzen oraler Kontrazeptiva.
Weitere Ursachen
- Positiver HPV-Test (insbesondere bei Frauen über 30 Jahren) – erhöhtes Risiko für eine Cervixdysplasie (cervikale intraepitheliale Neoplasie/CIN)
- Prostitution
Literatur
- Deutsches Krebsforschungszentrum. Tabakatlas Deutschland 2015. Heidelberg
- Secretan B, Straif K, Baan R et al.: A review of human carcinogens – Part E: tobacco, areca nut, alcohol, coal smoke, and salted fish. Lancet Oncol. 2009 Nov;10(11):1033-4.
- Dugue PA et al.: Risk of cervical cancer in women with autoimmune diseases, in relation with their use of immunsuppressants and screening: population-based cohort study. Int J Cancer 2015; 136:E711-E719
- Ostor AG. Natural history of cervical intraepithelial neoplasia: a critical review. International journal of gynecological pathology: official journal of the International Society of Gynecological Pathologists 1993;12:186-92
- The Cancer Genome Atlas Research Network: Integrated genomic and molecular characterization of cervical cancer. Nature (2017) doi:10.1038/nature21386
- Tainio K et al.: Clinical course of untreated cervical intraepithelial neoplasia grade 2 under active surveillance: systematic review and meta-analysis. BMJ 2018;360:k499 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.k499 (Published 27 February 2018)
- Stelzle D et al.: Estimates of the global burden of cervical cancer associated with HIV The Lancet Global Health, 16.11.2020 doi: 10.1016/S2214-109X(20)30509-X