Entzündung des äußeren Genitales (Vulvitis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Vulvitis ist eine Entzündung des äußeren weiblichen Genitalbereichs (Vulva) und kann durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden. Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen gibt es keine einheitliche Pathophysiologie. Die Pathogenese ist komplex und variiert je nach Ursache, die von Infektionen, Allergien, Hauterkrankungen (Dermatosen) bis zu Dysplasien (Krebsvorstufen) reichen kann.

Infektiöse Vulvitis

  • Infektionen sind eine der häufigsten Ursachen der Vulvitis, wobei bakterielle, virale, mykotische (Pilze, z. B. Candida) und parasitische Erreger beteiligt sein können.
  • Die genaue Entstehung der Symptome hängt von der Virulenz des Erregers, der Individuellempfindlichkeit und anderen prädisponierenden Faktoren ab, wie z. B. Störungen der vaginalen Mikroflora (Scheidenflora). Ein Beispiel ist die Candida-Infektion, bei der ein Ungleichgewicht in der mikrobiellen Flora der Vulva oder Vagina, beispielsweise durch Antibiotika, zu einer Überwucherung von Pilzen führen kann. Wann genau eine Infektion Symptome verursacht, bleibt oft unklar und kann von weiteren Faktoren wie dem Immunstatus und hormonellen Schwankungen abhängen.

Nicht-infektiöse Ursachen

  • Allergische Reaktionen: Vulvitis kann durch Kontaktallergien auf Produkte wie Seifen, Duftstoffe, Textilien oder Hygieneprodukte verursacht werden. In solchen Fällen ist die Pathogenese durch eine allergische Entzündungsreaktion auf irritierende Substanzen geprägt.
  • Dermatosen: Verschiedene Hauterkrankungen, wie Lichen sclerosus, Psoriasis (Schuppenflechte) oder Ekzeme, können die Vulva betreffen. Hierbei handelt es sich um chronische entzündliche Hauterkrankungen, die zu Reizungen, Rötungen und Juckreiz führen.

Mechanische und chemische Reizungen

  • Hautbeschädigungen durch mechanische Reize wie enge Kleidung, übermäßiges Reiben oder falsche Hygiene können ebenfalls eine Vulvitis auslösen. Die resultierende Entzündungsreaktion ist meist unspezifisch, aber häufig durch eine gestörte Hautbarriere charakterisiert, die anfälliger für Infektionen und Irritationen ist.

Dysplasien (Krebsvorstufen)

  • Dysplasien wie die Vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN), eine Krebsvorstufe, können ebenfalls Entzündungszeichen hervorrufen. Die genaue Pathogenese dieser Veränderungen ist mit HPV-Infektionen (Humanes Papillomavirus) assoziiert. Eine chronische HPV-Infektion kann zur Entstehung prämaligner Läsionen und in späteren Stadien zu Krebs führen.

Immunsystem und lokale Bedingungen

  • Das Immunsystem und die lokalen Bedingungen der Vulva, wie die Feuchtigkeit, pH-Wert-Veränderungen oder die Hautflora, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf der Entzündung. Veränderungen in diesen Faktoren können die Anfälligkeit für Infektionen und Entzündungen erhöhen, ohne dass eine spezifische äußere Ursache vorhanden ist.

Zusammenfassung

Die Pathogenese der Vulvitis ist aufgrund der vielfältigen Ursachen schwer einheitlich darzustellen. Häufige Ursachen wie Infektionen, Allergien, Dermatosen, und mechanische Reizungen führen jeweils über unterschiedliche Mechanismen zur Entzündung der Vulva. Oft bleibt unklar, unter welchen Bedingungen ein bestimmter Erreger oder Auslöser tatsächlich zu einer symptomatischen Erkrankung führt.

Ätiologie (Ursachen)

 Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung kann Ursache atrophischer Veränderungen im Vulvabereich sein (Kraurosis vulvae)
  • Lebensalter – Während die Kindheit weitgehend frei von Erkrankungen der Vulva sind (Oxyuren/Madenwürmer, Vulvitis durch Streptokokken der Gruppe A) treten während der Geschlechtsreife die meisten Infektionen, Hauterkrankungen und Präneoplasien (Tumorvorstufen) auf, im Klimakterium und Senium ("Greisenalter") sind es bevorzugt atrophische und Karzinomerkrankungen.
  • Hormonelle Faktoren – Mykosen (Pilzinfektionen) treten bevorzugt in Phasen des Östrogeneinflusses (Schwangerschaft, Geschlechtsreife) auf

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) kann die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) von HPV Infektionen erhöhen
  • Körperliche Aktivität
    • mechanische Belastung z.. B. durch Fahrradfahren, Reiten u.a.
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) (Schwitzen)
  • Intimhygiene
    • falsche (Abwischen nach dem Stuhlgang von hinten nach vorn)
    • übertriebene Verwendung/Maßnahmen (Deodorantien, Desinfektionsmittel, Spülungen, Waschungen etc.)
    • Verletzung der Vulva durch ein übertriebene Reinlichkeit (übertriebenes Waschen)
    • Unsauberkeit
  • Sexualpraktiken 
    • Geschlechtsverkehr (z. B. Wechsel von vaginalem zu analem oder oralem Koitus)
    • Promiskuität (sexueller Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern)
  • Varia: Selbsterkundsdrang beim kleinen Mädchen; zu enge Kleidung

Krankheitsbedingte Ursachen

 Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten 

  • Adipositas
  • Diabetes mellitus
  • Östrogenmangel (vor allem bei Kindern, postmenopausal, Stillzeit)  
  • Schilddrüsenerkrankungen (Hyper-, Hypothyreose/Schilddrüsenüber- bzw. -unterfunktion)

Haut und Unterhaut

  • Abszess
  • Akne conglobata, inversa
  • Allergien
  • Dermatitis (entzündliche Reaktion der Haut)
  • Ekzem
  • Lichen ruber planus (Knötchenflechte)
  • Lichen sclerosus (LS) (et atrophicus) (Synonyme: Lichen albus; Lichen atrophicus; Lichen sclerosus; Lichen sclerosus et atrophicans; Lichen sclerosus et atrophicus; Morphoeid scleroderma; Weißfleckenkrankheit; White spot diseas) – eine chronisch, entzündliche, vernarbende Hauterkrankung, die durch eine lymphatische Reaktion gekennzeichnet ist und beide Geschlechter bevorzugt im Genitalbereich betrifft.
  • Pemphigus vulgaris (blasenbildende Hautkrankheit)
  • Pemphigoid (blasenbildende Hautkrankheit)
  • Psoriasis (Schuppenflechte)
  • Toxische Reaktion
  • Verletzung 

Infektiöse und parasitäre Krankheiten

  • Bakterien
    • Bartholinitis (bes. Kolibakterien, Neisseria gonorrhoeae, Staphylococcus aureus, Anaerobier): Abszess, bzw. Pseudoabszess der Bartholinischen Drüse durch Verschluss der Ausführungsgänge
    • Lymphogranuloma venereum (inguinale) (Chlamydia trachomatis)
    • Gonorrhoe (Neisseria gonorrhoeae)
    • Hidradenitis (Pyodermia fistulans) (bes. Staphylococcus epidermidis, Streptokokken
    • Pyodermien (eitrige Entzündung der Haut):
      • Abszess (bes. Staphylococcus aureus)
      • Erysipel (bes. A-Streptokokken)
      • Erythrasma (Corynebacterium minutissimum)
      • Folliculitis (Staphylococcus aureus)
      • Furunkel und Karbunkel (Staphylococcus aureus)
      • Impetigo contagiosa (Borkenflechte; Eiterflechte) – durch Streptokokken der Serogruppe A (GAS, Gruppe A-Streptokokken) ausgelöste hochinfektiöse, nicht an die Hautanhangsgebilde (Haarfollikel, Schweißdrüsen) gebundene, eitrige Infektion der Haut (Pyodermie).
      • Vulvitis durch A-Streptokokken (bes. bei Kindern)
      • Vulvitis pustulosa (Staphylococcus aureus)
    • Syphilis (Treponema pallidum)
    • Ulcus molle (Haemophilus ducreyi)
    • Vulvitis plasmazellularis (unbekanntes Bakterium)
  • Mykosen/Pilze (bes. Candida) [Mykosen sind präpubertär eine Seltenheit]
  • Parasiten:
    • Endoparasiten:
      • Oxyuren (Madenwürmer)
      • Trichomonaden
    • Ektoparasiten:
      • Filzläuse (Pediculi pubis)
      • Scabies (Krätze)
    • Viren
      • AIDS-Viren
      • HPV (Human Papillomaviren)
        • Kondylome
        • Neoplasien/Präneoplasien
      • Herpes-Viren
        • Herpes genitalis
        • Herpes zoster
      • Pockenvirus (Molluscum contagiosum)
      • Varizella-Zoster-Virus (Windpocken)

Leber

  • Lebererkrankungen  

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99) 

  • Morbus Behçet (Synonym: Morbus Adamantiades-Behçet; Behçet-Krankheit; Behçet-Aphthen) – Multisystemerkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis, die mit einer rezidivierenden, chronischen Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen und großen Arterien sowie mit Schleimhautentzündungen einhergeht; als typisch für die Erkrankung wird in der Literatur die Trias (das Auftreten von drei Symptomen) aus Aphthen (schmerzhafte, erosive Schleimhautveränderungen) im Mund und aphthösen Genitalulzera (Geschwüre in der Genitalregion) sowie einer Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut, die aus der Aderhaut (Choroidea), dem Strahlenkörper (Corpus ciliare) und der Regenbogenhaut (Iris) besteht) angegeben; man vermutet einen Defekt der zellulären Immunität

Neubildungen – Tumorerkrankungen

  • Klitoriskarzinom ‒ bösartige Neubildung der Klitoris
  • Morbus Bowen Hauterkrankung, die zu den Präkanzerosen (Krebsvorstufen) gehört
  • Morbus Hodgkin – maligne Neoplasie (bösartige Neubildung) des lymphatischen Systems
  • Vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN I, II, III) (Vorstufe eines Vulvakarzinoms)
  • Vulvakarzinom ‒ bösartige Neubildung im Bereich der Vulva

Psyche – Nervensystem

  • Depression
  • Partnerkonflikt
  • Psychosomatische Störungen – vor allem bei sexuellen Konflikten (Sexualstörung)
  • Vulväres Vestibulitis Syndrom (VVS) (Synonyme: Burning Vulva, schmerzhafte Vulva, Vestibulodynie, Vestibulitis, Vulvodynie, Vestibulitissyndrom, Vestibulitis Vulvae Syndrom) – Missempfindungen und Schmerzen der äußeren primären Geschlechtsorgane, die länger als drei Monate ohne identifizierbarer Ursache andauern; Beschwerden sind lokalisiert bzw. generalisiert über den gesamten Perinealbereich (Gewebebezirk zwischen dem Anus und den äußeren Geschlechtsorganen); ggf. auch als gemischte Form vorliegend; Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) der essenziellen Vulvodynie: 1-3 %

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

  • Infektionen  des Genitaltraktes in der Schwangerschaft 
  • Infektionen des Genitaltraktes im Wochenbett 
  • Infektionen nach operativen geburtshilflichen Eingriffen (z. B. Episiotomie (Dammschnitt), Dammriss)

Symptome und abnorme klinische Befunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind

  • Hyperhidrosis
  • Stuhlinkontinenz

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane)  

  • Blasen-Scheidenfistel
  • Harninkontinenz
  • Nierenerkrankungen
  • Rektum-Scheidenfistel
  • Zystitis

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen  

  • Fremdkörper in der Vulva (z. B. Piercing) und in der Vagina
  • Sexueller Missbrauch
  • Spezielle Sexualpraktiken
  • Traumen/Verletzungen im Genitalbereich (z. B. Defloration, Kohabitation, Masturbation, Pruritusfolgen (Kratzen, Reiben, Scheuern), Verletzungen (Fall, Stoß, Instrumente u.a.)

Medikamente

  • Allergische- oder Unverträglichkeitsreaktionen auf Medikamente (lokal und/oder systemisch)

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen) 

  • Epithelschädigung durch:
    • chemische Einwirkungen z. B. Deodorantien, Desinfektionslösungen, Intimspray Scheidenspülungen, Waschungen
    • Mazeration (Aufweichung des Gewebes) der Haut z. B. Fluor (Ausfluss), Fisteln, Menstrualblut, Schweiß, Sekret (Harn-, Stuhlinkontinenz (Unfähigkeit Harn bzw. Stuhl zu halten), Karzinomsekret)
    • mechanische Irritation: z. B. enge Hosen, Monatsbinden, Wäsche

Weitere Ursachen

  • Sitzendes Radfahren (mittelbar – chronisch)
  • Vulvovaginaler Reflux beim kleinen Mädchen