Verhütungsmethode und spätere Fruchtbarkeit
Im Jahr 2020 ist die Pille 60 Jahre alt geworden. Es wurde viel geforscht und noch heute wird kontinuierlich an der Entwicklung gearbeitet, um die Wirksamkeit bei möglichst geringen Nebenwirkungen zu gewährleisten. Die Vielfalt hormoneller Verhütungsmethoden erlaubt eine immer individuellere Einsatzmöglichkeit. Obwohl sich Patientinnen heutzutage über Wirkungen und Nebenwirkungen der Verhütungsmethoden im Internet informieren können, ist die wichtigste Informationsquelle noch immer der Arzt, insbesondere der Gynäkologe. Dies bestätigt eine Veröffentlichung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über das Verhütungsverhalten Erwachsener aus dem Jahre 2018 [1]. Dabei handelt es sich um eine Neuauflage zum Kontrazeptionsverhalten in Deutschland, das zuvor in den Jahren 2003, 2007 und 2011 untersucht wurde.
Verhütungstrend
Die im Jahr 2018 durchgeführte Umfrage zeigt: Pille und Kondom sind nach wie vor die am häufigsten verwendeten Verhütungsmittel in Deutschland, gefolgt von der Spirale.
Allerdings zeichnet sich ein deutlicher Trend ab, der da heißt: weg von hormonellen Verhütungsmethoden.
Eine Befragung sexuell aktiver Männer und Frauen im Alter von 18-49 Jahren ergab, Doppelnutzungen sind möglich.
- Kondomnutzer 46 % → Anstieg: 9 % seit 2011
- Pille 47 % → Abfall: 6 % seit 2011
- Spirale 10 % → +/-
- andere Methoden – z. B. Kalender-, Temperaturmethode, Vaginalring (" Verhütung": biegsamer Ring, der in die Scheide eingeführt wird), perkutane Applikationen (Medikamente zum Auftragen auf die Haut), Depotpräparate – etwa 2 %
Verhütungsverhalten ist altersabhängig
Beeinflusst wird das Verhütungsverhalten durch die Familienplanung und die Angst vor gesundheitlichen Problemen durch die Hormone. Dies betrifft vorwiegend jüngere Patientinnen, auch dann, wenn sie aus Gründen der Sicherheit die Pille einnehmen. Immerhin sehen 55 % der Befragten eine langfristige Einnahme von Hormonen als problematisch an [1].
In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen wird die Pille in 56 % und das Kondom in 58 % zur Verhütung benutzt, mit einem Rückgang der Pillennutzung um 16 %. Das Kondom wird genauso häufig wie die Pille als alleiniges Verhütungsmittel verwendet (35 %/34 %). Die Spirale wird von 5 % (2 % Zunahme) bevorzugt [1].
In der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen werden Pille und Kondom (45 %/44 %) etwa gleich häufig angewendet, Spirale 6 %, Sterilisation 3 %.
Im Alter von 40-49 Jahren nimmt die Anzahl der Spiralenanwenderinnen (20 %) und der Sterilisationen (13 %) zu – Pillenanwenderinnen 39 %, Kondombenutzung 34 % [1].
Auch im übrigen Europa und in den USA sind Pille und Kondom die am meisten genutzten Verhütungsmittel. Allerdings sind lang wirksame reversible Verhütungsmethoden (Intrauterinpessare, Implantate, Depotpräparate) in den vergangenen Jahren im Kommen. USA 2015-2017 13 % gegenüber 2 % im Jahre 1995, 9 % in Europa 2019 [2].
Eine wenig untersuchte Frage unter den vielen Forschungsvorhaben und Erhebungen zu Verhütungsmitteln ist die Frage:
Inwieweit beeinflussen verschiedene Verhütungsmethoden die spätere Fruchtbarkeit bzw. wie lange dauert es bei Kinderwunsch bis zum Eintritt der Schwangerschaft?
Obwohl sich die Fragestellung auf alle Verhütungsmethoden bezieht, steht im Fokus der Diskussion die sogenannte Post-Pill-Amenorrhoe, definitionsgemäß „das Ausbleiben der Periode länger als 3 Monate nach Absetzen der Pille“. Als Ursache wird eine Irritation des Zentralnervensystems angenommen, die durch die plötzliche Hormonumstellung in Abhängigkeit von den hohen Dosierungen früherer Zeiten induziert wird [3].
Die Fragestellung des Zeitraumes bis zur Wiedererlangung der Fruchtbarkeit nach Unterbrechung verschiedener Verhütungsmethoden ist in der Literatur eine relativ seltene, obwohl es in der täglichen Praxis eine häufige ist. Die meisten Untersuchungen beziehen sich auf die Fertilität (Fruchtbarkeit) nach Absetzen der Pille, wobei andere Verhütungsmethoden nicht berücksichtigt werden.
In einer großen prospektiven Untersuchung aus Dänemark, Kanada und den USA an knapp 18.000 Frauen wurde dieser erweiterten Fragestellung nachgegangen [4], wobei besonders interessant die Ausführungen zu den lang wirksamen reversiblen Verhütungsmethoden sind, sprich Intrauterinpessaren (Kupfer- oder Hormonspirale), Implantate, Depotspritzen und auch Vaginalringe.
Ergebnisse
Eine dauerhafte Beeinträchtigung der Fertilität bei den unterschiedlichen Verhütungsmethoden tritt nicht ein.
Allerdings ist der Zeitabstand bis zum Eintritt der Schwangerschaft abhängig von der Verhütungsmethode.
Durchschnittliche Zeitdauer bis zum Eintritt einer Schwangerschaft im Vergleich zu Barrieremethoden (Kondom, Diaphragma, Schwamm, Schaum, Gelees, Cremes, Zäpfchen [4])
- Depotpräparate: 5-8 Zyklen
- Pflaster: 4 Zyklen
- Kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK): 3 Zyklen
- Minipille: 3 Zyklen*
- Vaginalring: 3 Zyklen
- Intrauterinpessare (IUP; Spirale)
- Kupfer IUP: 2 Zyklen
- Hormonspirale: 2 Zyklen
- Implantate: 2 Zyklen
Bei den Pillenanwenderinnen gibt es wegen der Seltenheit der Anwendung keine Differenzierung in Kombinationspräparate (2 Stufen-, 3 Stufen-, 4 Stufen- und Langzyklus-Präparate) und rein Gestagen-haltige Minipillen. Dies zeigen auch Daten eines Reviews aus dem Jahre 2018 [5].
Zur Vertiefung
Im Gegensatz zu früher, als die Höhe der Östrogendosis offensichtlich für die Post-Pill-Amenorrhoe, die bis zu einem Jahr dauern konnte, verantwortlich war [3], ist heute, nach Reduktion der Östrogendosis, die Rückkehr zur Fruchtbarkeit wohl in erster Linie abhängig von der Höhe der Ovulationshemmdosis (Hemmdosis für die Unterdrückung des Eisprungs/Ovulation) der Gestagene:
Je höher die Dosierung, desto länger ist das Zeitintervall bis zur Rückkehr zur Fruchtbarkeit. Dies wird am besten sichtbar bei den Gestagen-haltigen Depotpräparaten mit einem Zeitabstand von einem halben bis zu einem dreiviertel Jahr. Die Rote Liste weist darauf hin, dass der Zeitabstand auch bis zu einem Jahr betragen kann [6].
Kombinationspräparate
- orale Kontrazeptiva, Vaginalring, transdermales Pflaster/Darreichungsform für die systemische Verabreichung von Arzneistoffen in Pflasterform
Sie haben einen ähnlichen Wirkmechanismus: Östrogene und Gestagene blockieren die Gonadotropin-Freisetzung im Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns) und damit die Produktion von FSH und LH, die die Follikelreifung, die Ovulation (Eisprung) sowie die Corpus luteum-Bildung (Gelbkörper-Bildung) beeinträchtigen. Auch wenn sie eine kurze Halbwertszeit haben, kann dieser Mechanismus in Verbindung mit Veränderung des Cervixschleims (Schleimsekretion am Muttermund) und der Reduktion der Endometriumdicke (Dicke der Gebärmutterschleimhaut) nach dem Absetzen einige Monate in Anspruch nehmen.
Gestagene
- Minipille (oral), Implantate (subkutan), Depotinjektionspräparate (subkutan, intramuskulär)
Sie wirken wie die Kombinationspräparate auf der Hypophysen-Hypothalamusebene und unterdrücken die Follikelreifung und die Ovulation. Sie antagonisieren die Östrogenwirkung auf das Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) → Nidationshemmung (Hemmung der Einnistung) durch Reduktion der Endometriumdicke und -physiologie, Verdickung des Cervixschleims → Undurchlässigkeit für Spermien (Samenzellen), Veränderung der Tubenbeweglichkeit (Beweglichkeit der Eileiter) → Behinderung des Eitransports
Minipille*: In Deutschland sind Präparate mit unterschiedlichen Gestagenen (Levonorgestrel, DesogestrelI) im Handel- Levonorgestrel wirkt nicht ovulationshemmend – kann bis 12 Stunden verzögert eingenommen werden. Die ovulationshemmende Dosis von Desogestrel ist 0,06 mg/d. Die in Deutschland zugelassenen Minipillen setzen 0,75 mg/d frei, eine deutlich höhere Dosierung.
- Desogestrel wirkt ovulationshemmend – Die in der Minipille enthaltene Levonorgestrel-Dosis beträgt 0,03 mg/d (Ovulationshemmdosis 0,06 mg/d). Dies bedeutet, dass Levonorgestrel immer zur selben Tageszeit eingenommen werden sollte. Eine Verzögerung darf nicht mehr als 3 Stunden betragen (die Dosis in den KOK beträgt alternativ 0,100/0,125/0,150 mg/d). Unter Fertilitätsgesichtspunkten wäre demnach die Levonorgestrel-haltige Minipille am ehesten mit dem Gestagen-haltigen Intrauterinpessar vergleichbar.
- Implantat: Das in Deutschland erhältliche Implantat enthält Etonogestrel, der biologisch aktive Metabolit von Desogestrel. Die Wirkung beruht auf einer Hemmung der Ovulation, der Veränderung des Cervixschleims, der Nidationshemmung durch Reduktion der Endometriumdicke und der Beeinträchtigung der Tubenmotilität (Beweglichkeit der Eileiter). Die Freisetzung beträgt etwa 0,06-0,07 mg/d und sinkt am Ende des 1. Jahres auf 0,035-0.045 mg/d, am Ende des 3. Jahres auf 0,025-0,030 mg/d. Die Normalisierung des Zyklus tritt sehr schnell nach Entfernung des Implantats ein [6].
- Depotpräparat intramuskulär bzw. subkutan: Die höchste Gestagen-Dosierung haben die intramuskulär (150 mg) oder subkutan (104 mg) injizierbaren Substanzen mit Medroxyprogesteronacetat mit einer Halbwertszeit von etwa 40-50 Tagen. Diese, im Verhältnis zu anderen Methoden, lange Halbwertszeit ist wahrscheinlich für die verringerte Fruchtbarkeit und längere Verzögerung dieses Verhütungsmittels verantwortlich (etwa dreifach längere Zeit bis zum Eintritt der Schwangerschaft). Hinweis der Hersteller [6]: Es sollte jedoch beachtet werden, dass sich das Eintreten der Fruchtbarkeit bis zu einem Jahr nach Absetzen verzögern kann. Serumspiegel von Medroxyprogesteronacetat lassen sich bis zu 6 Monaten nach der letzten Injektion oder noch länger im Serum nachweisen. Außerdem gibt es Hinweise, dass sich die Spiegel bei Langzeitgabe kumulieren. Die durchschnittliche Zeitspanne bis zum Eintritt der Ovulation betrug 30 Wochen. Es gibt Unterschiede zwischen einer intramuskulären und subkutanen Applikation (s. Hinweise Rote Liste [6]).
- Hormonelle Intrauterinpessare: Sie setzen Levonorgestrel frei. Dieses Gestagen verhindert nicht die Ovulation (Eisprung), da der Serumspiegel deutlich unterhalb der Ovulationshemmdosis liegt. Es hat eine spermizide Wirkung, verdichtet den Cervixschleim und verhindert eine Implantation durch Abbau des Endometriums. Die gemessenen Serumspiegel liegen im Pikogramm-Bereich und sinken zeitabhängig.
- Kupferhaltige Intrauterinpessare behindern die Befruchtung und Implantation (Einpflanzung) eines Eis. Sie haben keinen Einfluss auf die Ovulation. Der genaue Mechanismus ist bisher nicht geklärt.
Literatur
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung_Verhütung 2018
- United Nations DoEaSA, Population Division: Contraceptive use by method 2019: data booklet. (ST/ESA/SERA/435)
- Girum T, Wasie A: Return of fertility after discontinuation of contraception: a systematic review and meta-analysis. Contracept Reprod Med. 2018 Jul 23; 3:9. doi: 10.1186/s40834-018-0064-y
- Yland JJ, Bresnick KA, Hatch EE, Wesselink AK et al.: Pregravid contraceptive use and fecundability: prospective cohort study. BMJ. 2020; 371: m3966. Published online 2020 Nov 11. doi: 10.1136/bmj.m3966
- Bracken MB, Hellenbrand KG, Holford TR: Conception delay after contraceptive use: the effect of estrogen dose. Fertil Steril. 1990; 53: 21-27. doi: 10.1016/S0015-0282(16)53210-5
- Rote Liste Fachinformationen
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Nicht hormonelle Empfängnisverhütung. (AWMF-Registernummer: 015 - 095), Januar 2024 Langfassung