Drohende Frühgeburt – Folgeerkrankungen

Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch eine Frühgeburt mit bedingt sein können:

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Offener Ductus arteriosus (Synonyme: Ductus arteriosus Botalli, Ductus Botalli oder Ductus arteriosus Harvey genannt; stellt im fetalen (vorgeburtlichen) Blutkreislauf eine Verbindung zwischen Aorta (der Hauptschlagader) und Truncus pulmonalis (Lungenarterie) her). Inkl.: Offener Ductus Botalli, Persistierender Ductus arteriosus (PDA) als Folge der Frühgeburt

Atmungssystem (J00-J99)

  • Lungenödem (Wasseransammlung in der Lunge) unter Tokolyse (Wehenhemmung) mit Betamimetika, besonders in Kombination mit Glucocorticoiden 

Augen und Augenanhangsgebilde (H00-H59)

  • Retinopathia praematurorum (RPM; Synonyme: retrolentale Fibroplasie (RLF) oder Frühgeborenen-Retinopathie, Retinopathy of prematurity (ROP) – Netzhauterkrankung bei Frühgeborenen

Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00-P96)

  • Atemnotsyndrom [Respiratorydistress syndrome] des Neugeborenen
  • Brochopulmonale Dysplasie (BPD): chronische Lungenkrankheit, die auftritt, wenn Kinder über längere Zeit künstlich beatmet werden (postnatale Beatmung oder Sauerstofftherapie (> als 28 Tage)); ca. 15-30 % der Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht < 1.000 g oder < 32 Schwangerschaftswochen erkranken an einer BPD, bei Frühgeborenen oberhalb von 32 Schwangerschaftswochen tritt BPD kaum auf [1]; mit einer BPD gehen diverse Komplikationen einher: Risikoanstieg für Atemwegsinfekte, asthmaähnliche Symptome, pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck) und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD; progrediente (fortschreitende), nicht vollständig reversible (umkehrbare) Obstruktion (Verengung) der Atemwege) als Erwachsene, des Weiteren Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung und damit der Intelligenz
  • Enterocolitis necroticans (nekrotisierende Enterokolitis, NEC, NEK; Darmentzündung) beim Feten und Neugeborenen
  • Neugeborenes mit extremer Unreife, infolge Gestationsalter (Schwangerschaftsalter) von weniger als 28 vollendeten Wochen (von weniger als 196 vollendeten Tagen)
  • Schädigung des Fetus und Neugeborenen durch:
    • Cervixinsuffizienz (Muttermundschwäche)
    • Chorioamnionitis (Entzündung der inneren Eihaut und der äußeren Schicht der Fruchthüllen um den Embryo bzw. Fetus/ungeborene Kind). Inkl.: Amnionitis (Entzündung der inneren Eihaut), Chorionitis (Entzündung der Eihäute), Plazentitis (Entzündung des Mutterkuchens)
    • Geburtsgewichtes unter 2.500 Gramm (erhöhte perinatale Morbidität/Krankheitshäufigkeit und Mortalität/Sterblichkeit)
    • Oligohydramnion (Fruchtwassermenge < 500 ml) unter Tokolyse (Wehenhemmung) mit Prostaglandin-Antagonisten
    • vorzeitigen Blasensprung
    • sonstige und nicht näherbezeichnete morphologische und funktionelle Plazentaanomalien (Anomalien des Mutterkuchens), inkl.: Plazenta-Dysfunktion (-Fehlfunktion), -Infarkt (Gewebeuntergang infolge einer Sauerstoffunterversorgung), -Insuffizienz (-Schwäche)
  • Sonstige vor dem Termin geborene, infolge: Gestationsalter von 28 oder mehr vollendeten Wochen, jedoch weniger als 37 vollendeten Wochen (ab 196 vollendete Tage bis unter 259 vollendete Tage). Inkl.: Frühgeburt o.n.A.

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Hypokaliämie (Kaliummangel) unter Tokolyse mit Betamimetika

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Hypertonie (Bluthochdruck) – Frauen haben in den ersten Jahren nach einer Frühgeburt – unabhängig von Prä­eklampsie oder Schwangerschaftshypertonie – ein erhöhtes Risiko, eine arterielle Hypertonie zu entwickeln; in den ersten zehn Jahren war das Risiko am höchsten und ließ danach langsam nach [2].
  • Hypotonie (niedriger Blutdruck) durch Arzneimittel unter Tokolyse mit Betamimetika, Calciumantagonisten, Magnesiumsulfat
  • Intrazerebrale Blutung (ICB; Hirnblutung)

 Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Arzneimittelinduzierter Tremor (Zittern) unter Tokolyse mit Betamimetika
  • Arzneimittelinduzierter Kopfschmerz, anderenorts nicht klassifiziert, unter Tokolyse mit Betamimetika, Oxytocin-Antagonisten (Atosiban), Calciumantagonisten (Nifedipin), Magnesiumsulfat
  • Nichtorganische Schlafstörung, nicht näher bezeichnet, unter Tokolyse mit Betamimetika

 Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)

  • Thromboembolie (Verschluss eines Blutgefäßes durch einen losgelösten Blutpfropf) während der Gestationsperiode
  • Tiefe Venenthrombose (TVT; vollständiger oder teilweiser Verschluss einer tiefen Vene) in der Schwangerschaft (wg. Bettruhe infolge vorzeitiger Wehentätigkeit)

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Hyperglykämie (Überzuckerung), nicht näher bezeichnet, unter Tokolyse mit Betamimetika
  • Ödem (Wassereinlagerung), nicht näher bezeichnet. Inkl.: Flüssigkeitsretention o.n.A, unter Tokolyse mit Betamimetika  
  • Palpitationen (Herzklopfen), inkl.: Herzklopfen unter Tokolyse mit Betamimetika oder Calciumantagonisten
  • Ruhelosigkeit und Erregung unter Tokolyse mit Betamimetika
  • Tachykardie (zu schneller Herzschlag; > 100 Schläge pro Minute), nicht näher bezeichnet unter Tokolyse mit Betamimetika
  • Übelkeit und Erbrechen unter Tokolyse mit Betamimetika, Oxytocin-Antagonisten (Atosiban), Prostaglandin-Antagonisten, Magnesiumsulfat

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz (Nierenschwäche), inkl.: Niereninsuffizienz, nicht als akut oder chronisch bezeichnet, Niereninsuffizienz o.n.A., Urämie (Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut oberhalb der Normwerte) o.n.A. (verminderte Ausscheidung unter Betamimetika und

Weiteres 

  • Erhöhtes Sterberisiko des frühgeborenen Kindes: nicht nur während der gesamten Kindheit über, sondern auch noch als junger Erwachsener [4].
  • Kognitive Defizite in den Bereichen geschriebene Sprache, Mathematik und Intelligenz (Frühgeborene im Alter von < 34. Schwangerschaftswoche) [3]
  • Vorzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus Botalli (Verbindung zwischen der Hauptschlagader (Aorta) und der Lungenschlagader (Arteria pulmonalis)) unter Tokolyse (medikamentöse Wehenhemmung) mit Prostaglandinantagonisten

Literatur

  1. Christou H, Brodsky D: Lung injury and bronchopulmonary dysplasia in newborn infants. J Intensive Care Med 2005 Mar-Apr;20(2):76-87
  2. Crump C et al.: Preterm Delivery and Long-term Risk of Hypertension in Women. JAMA Cardiol. Published online October 13, 2021. doi:10.1001/jamacardio.2021.4127
  3. Husby A et al.: Gestational age at birth and cognitive outcomes in adolescence: population based full sibling cohort study BMJ 2023;380:e072779
  4. Ahmed A M et al.: Short-Term and Long-Term Mortality Risk After Preterm Birth. JAMA Netw Open 2024;7(11):e2445871; https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.45871