Brustkrebs (Mammakarzinom) – Strahlentherapie

Die Radiotherapie (Radiatio, Strahlentherapie) ist ein wesentlicher Bestandteil der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms und wird ergänzend zur operativen und medikamentösen Behandlung eingesetzt. Ihr Ziel ist die gezielte Zerstörung verbliebener Tumorzellen durch den Einsatz ionisierender Strahlung bei gleichzeitiger Schonung des gesunden Gewebes.

Durch die Strahlentherapie wird das Rezidivrisiko (Wiederauftreten des Tumors) signifikant reduziert und die tumorspezifische Mortalität gesenkt. Nach den Daten der Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG) kann die Radiatio die lokale Rezidivrate um etwa die Hälfte und die brustkrebsassoziierte Sterblichkeit um ein Sechstel verringern.

Die adjuvante Strahlentherapie wird in folgenden Situationen empfohlen [1, 2]:

Nach brusterhaltender Operation (BET)

Die adjuvante Strahlentherapie nach einer brusterhaltenden Operation (BET) ist ein etablierter Standard zur Reduktion des lokalen Rezidivrisikos. Sie erfolgt in der Regel als Radiatio der gesamten Brust mit einer Gesamtdosis von 40–50 Gy.

Standardverfahren

  • Normofraktionierte Strahlentherapie:
    • Einzeldosis: 1,8-2 Gy
    • Gesamtdosis: 50,0-50,4 Gy
    • Anzahl der Fraktionen: 25-28 Sitzungen
    • Vorteile: Langjährig etabliert, hohe Effektivität, erprobte Langzeitdaten
  • Hypofraktionierte Strahlentherapie (Standard in Kanada, England und zunehmend auch in Deutschland):
    • Gesamtdosis: 40 Gy
    • Höhere Einzeldosen mit biologisch äquivalenter Wirksamkeit
    • Bestrahlungsdauer: 3-5 Wochen (kürzere Gesamtbehandlungszeit)
    • Vorteile: Geringerer Zeitaufwand, gleiche Effektivität, vergleichbare Spättoxizität
    • Moderne moderate Hypofraktionierung erhöht nicht das Auftreten von Grad 2-3 Brustindurationen

Boost-Bestrahlung des Tumorbettes

  • Eine zusätzliche Dosisaufsättigung des Tumorbettes ("Boost") mit 10-16 Gy wird in allen Altersgruppen empfohlen.
  • Senkt das lokale Rezidivrisiko, insbesondere bei jungen Patientinnen oder ungünstigen histopathologischen Faktoren.

Teilbrustbestrahlung – Akzelerierte Verfahren

  • Multikatheter-Brachytherapie (beschleunigte Teilbrustbestrahlung):
    • Verkürzt die Gesamtbestrahlungsdauer auf 5 Tage
    • Vorteilhaft für ausgewählte Patientinnen mit günstigen Tumorcharakteristika

Einschränkungen und aktuelle Empfehlungen (S3-Leitlinie)

  • Aufgrund des Risikos kardialer Spättoxizität (> 10 Jahre) wird eine Teilbrustbestrahlung derzeit bevorzugt für:
    • Ältere Patientinnen
    • Patientinnen ohne Chemotherapie
    • Tumoren ≤ 2 cm (pT1)
    • Fehlende Lymphknotenbeteiligung (pN0)

Zusätzliche Überlegungen

  • Atmungsgesteuerte Bestrahlungstechniken (DIBH) zur Reduktion der Herzdosis, insbesondere bei linksseitigem Mammakarzinom.
  • IMRT (intensitätsmodulierte Radiotherapie) und VMAT (volumetric modulated arc therapy) zur besseren Schonung des gesunden Gewebes und Optimierung der Dosisverteilung.

Zusammenfassung

Die postoperative Strahlentherapie nach BET ist essenziell zur Reduktion des lokalen Rezidivrisikos. Während die hypofraktionierte Radiatio zunehmend als Standard etabliert wird, bleibt die Boost-Bestrahlung des Tumorbettes unabhängig vom Alter relevant. Akzelerierte Verfahren wie die Teilbrustbestrahlung gewinnen an Bedeutung, werden jedoch noch selektiv eingesetzt.

Weitere Hinweise

  • Die adjuvante Strahlentherapie verringert das Lokalrezidivrisiko (Wiederauftreten einer Erkrankung (Rezidiv) am gleichen Ort) nach brusterhaltender Therapie des DCIS (duktales Carcinoma in situ) um bis zu 50 %.
  • Die Gesamtüberlebensrate war in einer rando­misierten Studie in den ersten Jahren nur leicht erhöht; nach allerdings insgesamt 30 Jahren war kein Unterschied mehr erkennbar [8]. 
  • Ganzbrustbestrahlung versus partielle Radiotherapie/postoperative Teilbrustbestrahlung (APBI) [10]: Die kumulative Inzidenz von
    • regionalen (Lymphknoten-)Metastasen nach zehn Jahren betrug 0,39 % in der Gruppe mit Ganzbrustbestrahlung und 1,19 % in der APBI-Gruppe,
    • die von Fernmetastasen 2,17 % bzw. 2,60 %
    Unerwünschte Nebenwirkungen traten wie folgt auf: Bei 60 % der Teilnehmerinnen in der Gruppe mit Ganzbrustbestrahlung und bei 67 % in der APBI-Gruppe nach 7,5 bzw. zehn Jahren Nachbeobachtung.
    Differenzen bei krankheitsfreien und Gesamtüberlebensraten verfehlten die statistische Signifikanz.
    Fazit: Die Ganzbrustbestrahlung mit Boost im Tumorbett muss nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen als Überbehandlung angesehen werden.
  • Bei Patientinnen ab einem Alter von 55 Jahren mit T1N0-Brustkrebs vom Luminal-A-Typ und vom Grad 1 oder 2 nach brusterhaltender Operation birgt der Verzicht auf die adjuvante Radiatio für Frauen, die an Brustkrebs mit diesen Merkmalen erkrankt sind, ein geringes Risiko für Lokalrezidive [11].
  • Scottish Breast Conservation Trial (SCT): Eine Strahlentherapie nach einer brusterhaltenden Operation kann Frauen mit frühem Mammakarzinom vor Rezidiven bewahren. Diese Effekte sind allerdings auf die ersten 10 Jahre beschränkt [13].

Nach Ablatio mammae (Brustamputation)

Die adjuvante Strahlentherapie nach Mastektomie dient der Reduktion der Lokalrezidivrate sowie der Verbesserung des krankheitsspezifischen Überlebens. Die Indikation zur Bestrahlung richtet sich nach dem individuellen Risikoprofil der Patientin.

Gesicherter Nutzen der postmastektomalen Strahlentherapie

  • T3- oder T4-Tumoren (große oder in die Umgebung infiltrierende Tumoren)
  • Mehr als drei befallene axilläre Lymphknoten (>3 N+)
  • Signifikante Senkung der Lokalrezidivrate (Reduktion um ca. 50 % bei Hochrisikopatientinnen)
  • Verbesserung des Gesamtüberlebens (Langzeitdaten aus Metaanalysen zeigen eine Überlebensverlängerung bei Hochrisikopatientinnen)

Fraglicher Nutzen bei intermediärem Risiko

  • T1- oder T2-Tumoren mit 1–3 befallenen axillären Lymphknoten (N1)
  • Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren:
    • Lymphgefäßinvasion
    • Blutgefäßinvasion
    • Hohes Grading (G3)
    • Ungünstige Hormonrezeptor-Status-Kombination
  • Tumoren ≥ pT2 ohne Lymphknotenbefall (pN0)

Daten der Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group (EBCTCG, Metaanalyse 2014 [3]) zeigen einen möglichen Benefit für diese Patientengruppe, die Indikationsstellung erfolgt jedoch individuell.

Strahlentherapie nach präinvasiven Läsionen

  • Duktales Carcinoma in situ (DCIS):
    • Indikation zur postoperativen adjuvanten Radiatio nach BET, da sie die Rate an invasiven und nicht-invasiven Lokalrezidiven signifikant senkt.
    • Eine Boost-Bestrahlung bringt keinen zusätzlichen Effekt.
    • Die Einnahme von Tamoxifen kann die Rate nicht-invasiver Rezidive reduzieren, hat aber keinen Einfluss auf invasive Karzinome.
    • Verzicht auf Radiotherapie nach individueller Abwägung möglich bei:
      • Älteren Patientinnen (≥ 70 Jahre)
      • DCIS mit niedrigem Grading
      • Geringem Risiko laut Genexpressionstest [12]
  • Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS) (Lobuläre Neoplasie, LIN):
    • Keine Indikation zur adjuvanten Radiatio
  • Intraduktale atypische Hyperplasie (ADH):
    • Keine Indikation zur adjuvanten Radiatio

Teilbrustbestrahlung (PBI/APBI)

  • Partial Breast Irradiation (PBI) und Accelerated Partial Breast Irradiation (APBI) sind kein Therapiestandard, können jedoch in speziellen Fällen in Betracht gezogen werden:
    • Wenn eine homogene Bestrahlung der gesamten Brust nicht durchführbar ist
    • Bei geringem In-Brust-Rezidivrisiko als mögliche Option

Intraoperative Radiotherapie (IORT)

Die IORT wird direkt nach der chirurgischen Tumorexstirpation als einzeitige Strahlenbehandlung durchgeführt. Sie erfolgt unter Beschränkung auf die Tumorresektionshöhle mit einer kurativen Gesamtdosis. Methoden:

  • Elektronenbestrahlung (IOERT) mittels Linearbeschleuniger
  • Orthovolttherapie (50 kV-Röntgenstrahlung)
  • Ballon-Brachytherapie-Technik

Vergleich: IORT vs. klassische externe Strahlentherapie (EBRT)

  • Eine prospektive Studie mit 8,6 Jahren medianer Nachbeobachtung zeigte vergleichbare Rückfall- und Mortalitätsraten zwischen IORT und EBRT [6].
  • Die intraoperative Radiotherapie, die für ausgewählte Patientinnen mit einzelnen Tumorherden in frühen Stadien infrage kommt, wurde der klassischen Bestrahlung der Brust von außen gegenübergestellt. Dabei zeigte sich, dass die Rückfallquote und die Mortalitätsrate aufgrund von Mammakarzinomen in beiden Gruppen nahezu gleich waren [6].
  • Die IORT wird jedoch nicht als Standardtherapie empfohlen, da Langzeitdaten zur Sicherheit begrenzt sind.

Radiotherapie bei fortgeschrittenem oder inoperablem Mammakarzinom

  • Strahlentherapie des locally advanced breast cancer (LABC) nur, wenn durch eine neoadjuvante Systemtherapie keine Operabilität erreicht werden kann.
  • Standardtherapie:
    • Primäre neoadjuvante Systemtherapie
    • Nachfolgend Operation und postoperative Radiatio

Lymphknotenbestrahlung

Die Strahlentherapie der infra- und supraklavikulären Lymphknoten wird empfohlen bei:

  • >3 befallenen axillären Lymphknoten (N2/N3)
  • Befall des Levels III der Axilla
  • Indikation zur Achselbestrahlung bei:
    • Resttumor in der Axilla
    • Eindeutigem klinischem Befall ohne erfolgte Axilladissektion

Zusätzliche Erkenntnisse zur Strahlentherapie nach BET bei älteren Patientinnen

  • Verzicht auf Radiotherapie nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung möglich bei:
    • Patientinnen über 65 Jahre
    • Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom ≤ 3 cm
    • Erhaltener adjuvanter Hormontherapie
  • Vergleich mit Radiotherapie [9]:
    • Lokalrezidivrate: 9,5 % (ohne Radiotherapie) vs. 0,9 % (mit Radiotherapie)
    • 10-Jahres-Inzidenz von Fernmetastasen: 1,6 % vs. 3,0 %
    • Brustkrebs-spezifisches Überleben: 97,4 % vs. 97,9 %
    • Gesamtüberleben: 80,8 % vs. 80,7 % (keine signifikanten Unterschiede)

Zusammenfassung

Die postmastektomale Strahlentherapie hat einen eindeutigen Benefit bei Hochrisikopatientinnen, insbesondere bei T3/T4-Tumoren und >3 befallenen Lymphknoten. Bei intermediären Risikokonstellationen sollte die Indikation individuell abgewogen werden. Während die IORT und Teilbrustbestrahlung noch nicht als Standard gelten, bleibt die Lymphknotenbestrahlung essenziell bei fortgeschrittener Erkrankung. Der Verzicht auf eine Radiotherapie kann unter bestimmten Voraussetzungen in Erwägung gezogen werden, insbesondere bei älteren, hormonrezeptor-positiven Patientinnen mit günstiger Prognose.

Strahlentherapie der parasternalen Lymphknoten 

Die elektive Bestrahlung der parasternalen Lymphknoten (Internal Mammary Node Irradiation, IMNI) bleibt ein kontrovers diskutiertes Thema. Während einige Studien eine potenzielle Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) bei bestimmten Patientengruppen nahelegen, wird ihre routinemäßige Anwendung weltweit uneinheitlich gehandhabt.

Nutzen und aktuelle Studienlage

  • Eine randomisierte klinische Studie zeigte, dass die Aufnahme von IMNI in die regionale Lymphknotenbestrahlung das krankheitsfreie Überleben (DFS) bei Patientinnen mit Lymphknoten-positivem Mammakarzinom nicht signifikant verbesserte.
  • Patientinnen mit medial oder zentral gelegenen Tumoren scheinen jedoch von der IMNI zu profitieren [7].

Weitere Hinweise zur Strahlentherapie nach brusterhaltender Operation (BET)

  • Europäische Langzeitstudie (EORTC):
    • Eine Boost-Bestrahlung des Tumorbettes nach brusterhaltender Operation kann die Lokalrezidivrate signifikant senken.
    • Besonders Patientinnen unter 50 Jahren und Frauen mit duktalem Carcinoma in situ (DCIS) profitieren von einer höheren Strahlendosis.
    • Reduktion der Lokalrezidivrate von 31 % auf 15 %, insbesondere bei Patientinnen mit High-grade-Tumoren [4].
  • Vergleich partielle vs. gesamte Brustbestrahlung:
    • Eine verminderte Dosis und eine partielle Brustbestrahlung erzielten eine vergleichbare Tumorkontrolle hinsichtlich Lokalrezidiven und Gesamtmortalität [5].

Zusammenfassung

Die elektive IMNI bleibt eine individuell abzuwägende Option, insbesondere bei Patientinnen mit medial oder zentral gelegenen Tumoren. Während die Boost-Bestrahlung nach BET das Lokalrezidivrisiko deutlich senkt, zeigen neuere Daten, dass auch partielle Brustbestrahlung mit reduzierter Dosis eine vergleichbare Effektivität aufweisen kann.

Solitäre Hirnmetastasen

Die Strahlentherapie solitärer Hirnmetastasen hat das Ziel, eine lokale Tumorkontrolle zu erreichen und neurologische Symptome zu reduzieren. Die Wahl der Bestrahlungstechnik hängt von der Anzahl, Größe und Lage der Metastasen sowie vom allgemeinen Gesundheitszustand der Patientin ab.

Strahlentherapeutische Optionen

  • Stereotaktische Radiochirurgie (SRS, „Single-Shot-Technik“) für solitäre oder oligometastatische Hirnläsionen (< 3 cm, max. 4 Läsionen)
    • Hochpräzise, einmalige Bestrahlung mit hoher Dosis
    • Schonung des umliegenden gesunden Hirngewebes
    • Geringeres Risiko für kognitive Nebenwirkungen im Vergleich zur Ganzhirnbestrahlung (WBRT)
    • Hohe lokale Kontrolle, insbesondere bei kleinen Metastasen (< 2 cm)
    • In Kombination mit systemischer Therapie möglich
  • Fraktionierte stereotaktische Strahlentherapie (FSRT) für Metastasen > 3 cm oder ungünstige Lokalisation
    • Mehrere Fraktionen mit reduzierter Einzeldosis zur Minimierung der Nebenwirkungen
    • Geeignet für Metastasen mit kritischer Nähe zu eloquenten Hirnarealen
  • Ganzhirnbestrahlung (WBRT, „Whole Brain Radiation Therapy“) als palliative Maßnahme
    • Indikation bei multiplen Hirnmetastasen (> 4 Läsionen) oder diffuser Beteiligung
    • Erhöhtes Risiko für kognitive Defizite
    • In ausgewählten Fällen mit Hippocampus-Sparing-Technik zur Reduktion kognitiver Beeinträchtigungen möglich

Zusätzliche Therapieoptionen

  • Chirurgische Resektion bei einzelner, gut lokalisierbarer Metastase, insbesondere bei Raumforderung mit Masseneffekt oder drohender Einklemmungssymptomatik
  • Kombination aus chirurgischer Entfernung und postoperativer Bestrahlung (SRS oder WBRT) zur Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle
  • Systemische Therapie (z. B. HER2-gerichtete Antikörper bei HER2-positivem Mammakarzinom), abhängig vom Primärtumorstatus

Zusammenfassung

Die Stereotaktische Radiochirurgie (SRS) ist die bevorzugte Therapie für maximal vier solitäre Hirnmetastasen < 3 cm und bietet eine hohe lokale Kontrolle bei gleichzeitigem Schutz des gesunden Hirngewebes. Bei größeren oder ungünstig gelegenen Metastasen kann eine fraktionierte stereotaktische Radiotherapie (FSRT) indiziert sein. Die Ganzhirnbestrahlung (WBRT) wird vorrangig bei multiplen Metastasen oder diffuser Infiltration eingesetzt, birgt jedoch ein erhöhtes Risiko für kognitive Defizite. Die optimale Therapieentscheidung erfolgt individuell unter Berücksichtigung der Größe, Anzahl und Lokalisation der Metastasen sowie des Gesamtzustands der Patientin.

Knochenmetastasen

Knochenmetastasen treten bei Mammakarzinom-Patientinnen häufig auf und betreffen in absteigender Häufigkeit die Wirbelkörper, den Oberschenkelknochen (Femur), das Becken, die Rippen, das Brustbein (Sternum), die Schädelkalotte und den Oberarmknochen (Humerus).

Die Strahlentherapie ist eine etablierte palliative Maßnahme, um Schmerzen zu lindern, die Bruchgefahr zu reduzieren und neurologische Symptome zu behandeln.

Indikationen zur Strahlentherapie (Radiatio) bei Knochenmetastasen

  • Lokale Schmerzen (häufigste Indikation, analgetische Radiotherapie)
  • Hohe Bruchgefahr (drohende pathologische Fraktur)
  • Mobilitäts- und Funktionseinschränkungen (Vermeidung von Immobilisation und Dekonditionierung)
  • Neurologische Symptome bei vertebralen Metastasen (Notfall: drohende oder manifeste Rückenmarkskompression!)
  • Pathologische Frakturen, wenn eine operative Stabilisierung nicht möglich ist
  • Postoperative Radiatio nach chirurgischer Stabilisierung, wenn keine R0-Resektion (tumorfreie Resektion) erreicht wurde

Strahlentherapeutische Konzepte

  • Analgetische Strahlentherapie (Schmerzlinderung innerhalb von Tagen bis Wochen)
    • Standard: Einzelfraktion mit 8 Gy (vergleichbare Schmerzlinderung wie multifraktionierte Schemata, aber höhere Refrakturrate)
    • Alternativ: Fraktionierte Bestrahlung (20-30 Gy in 5-10 Fraktionen)
    • Bei Refraktärem Schmerz: erneute Bestrahlung möglich
  • Bestrahlung bei instabilen oder operierten Metastasen (postoperative Stabilisierung und Schmerzreduktion)
    • Dosis: 30-40 Gy in 10-15 Fraktionen
    • Ziel: Verhinderung des Tumorwachstums, Stabilisierung der Knochenstruktur
  • Radiotherapie bei Rückenmarkskompression (Notfallindikation!)
    • Hochdosierte Bestrahlung (z. B. 8 Gy einmalig oder 30 Gy in 10 Fraktionen)
    • Schnellstmögliche Entlastung durch Bestrahlung oder notfalls chirurgische Dekompression

Zusätzliche therapeutische Maßnahmen

  • Bisphosphonate (z. B. Zoledronsäure) oder Denosumab zur Hemmung der osteoklastären Knochenresorption
  • Chirurgische Stabilisierung bei drohenden Frakturen oder spinaler Instabilität
  • Systemische Therapie (endokrine Therapie, Chemotherapie, zielgerichtete Therapie) je nach Tumorbiologie

Zusammenfassung

Die Strahlentherapie ist eine effektive Maßnahme zur Schmerzlinderung, Stabilisierung und Behandlung von Knochenmetastasen. Besonders bei lokalen Schmerzen, drohenden Frakturen und neurologischen Symptomen ist die Radiatio ein wesentlicher Bestandteil des palliativen Therapiekonzepts. Neben der Strahlentherapie spielen Bisphosphonate, chirurgische Stabilisierung und systemische Therapie eine entscheidende Rolle in der multimodalen Behandlung.

Literatur

  1. Empfehlungen gynäkologische Onkologie Kommission Mamma: Diagnostik und Therapie von Patientinnen mit primären und metastatischem Brustkrebs. Version 2017, AGO-Online-Mamma
  2. S3-Leitlinie: Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. (AWMF-Registernummer: 032-045OL), Juni 2021 Kurzfassung Langfassung
  3. Ebctcg Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group. Effect of radiotherapy after mastectomy and axillary surgery on 10-year recurrence and 20-year breast cancer mortality: meta-analysis of individual patient data for 8135 women in 22 randomised trials. Lancet. 2014 Mar 19. pii: S0140-6736(14)60488-8. doi: 10.1016/S0140-6736(14)60488-8
  4. Vrieling C et al.: Prognostic Factors for Local Control in Breast Cancer After Long-term Follow-up in the EORTC Boost vs No Boost Trial A Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol. 2017;3(1):42-48. doi:10.1001/jamaoncol.2016.3031
  5. Coles CE et al.: Partial-breast radiotherapy after breast conservation surgery for patients with early breast cancer (UK IMPORT LOW trial): 5-year results from a multicentre, randomised, controlled, phase 3, non-inferiority trial. Lancet Published Online August 2, 2017 http://dx.doi.org/10.1016/ S0140-6736(17)31145-5
  6. Vaidya JS et al.: Long term survival and local control outcomes from single dose targeted intraoperative radiotherapy during lumpectomy (TARGIT-IORT) for early breast cancer: TARGIT-A randomised clinical trial. BMJ 2020; 370 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m2836
  7. Kim YB et al.: Effect of Elective Internal Mammary Node Irradiation on Disease-Free Survival in Women With Node-Positive Breast Cancer A Randomized Phase 3 Clinical Trial JAMA Oncol. 2022;8(1):96-105. doi:10.1001/jamaoncol.2021.6036
  8. Williams L et al.: Randomised controlled trial of breast conserving therapy: 30 year analysis of the Scottish breast conservation trial 13th European Breast Cancer Confernce November 2022 Barcelon, Span Presentation number: PTT-140
  9. Kunkler IH et al.: Breast-Conserving Surgery with or without Irradiation in Early Breast Cancer N Engl J Med 2023; 388:585-594 doi: 10.1056/NEJMoa2207586
  10. Strnad V et al.: Accelerated partial breast irradiation using sole interstitial multicatheter brachytherapy compared with whole-breast irradiation with boost for early breast cancer: 10-year results of a GEC-ESTRO randomised, phase 3, non-inferiority trial Lancet Oncology February 01, 2023 doi:https://doi.org/10.1016/S1470-2045(23)00018-9
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  12. Khan SA et al.: Skipping Adjuvant Radiotherapy May Not Impact Risk of Recurrence or Progression in Patients with Low-risk DCIS American Assoziation for Cancer Research Pressemitteilung der American Association of Cancer Research 2023
  13. Williams LJ et al.: Postoperative radiotherapy in women with early operable breast cancer (Scottish Breast Conservation Trial): 30-year update of a randomised, controlled, phase 3 trial The Lancet Oncology 2024;25(9):1213-1221

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. (AWMF-Registernummer: 032-045OL), Juni 2021 Kurzfassung Langfassung