Brustkrebs (Mammakarzinom) – Adjuvante Therapie ‒ bei der Frau ab dem 65. Lebensjahr
Bei Patientinnen ohne wesentliche Begleiterkrankungen sollte nach einer brusterhaltenden Therapie (BET) sowie nach einer Mastektomie bei fortgeschrittenem Tumorstadium routinemäßig eine adjuvante Strahlentherapie erfolgen. Studien zeigen, dass auch ältere Patientinnen von der Radiatio profitieren, insbesondere hinsichtlich der Reduktion der Lokalrezidivrate und Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens.
- Nach BET:
- Eine hypofraktionierte Strahlentherapie (40-42,5 Gy in 15-16 Fraktionen) wird zunehmend als Standard empfohlen, da sie die gleiche Wirksamkeit bei kürzerer Behandlungsdauer aufweist.
- In ausgewählten Fällen mit sehr niedrigem Risiko (hormonrezeptorpositiv, niedriger Proliferationsindex, kein Lymphknotenbefall) kann nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung auf eine Radiatio verzichtet werden.
- Nach Mastektomie:
- Die postmastektomale Radiatio ist bei Patientinnen mit T3/T4-Tumoren oder > 3 befallenen Lymphknoten indiziert.
- Bei intermediärem Risiko (1-3 Lymphknoten, zusätzlicher Risikofaktoren wie Lymphgefäßinvasion, G3-Grading) sollte eine individuelle Entscheidung getroffen werden.
- Eingeschränkte Therapie bei Komorbiditäten:
- Reduktion der Gesamtstrahlendosis oder Fraktionszahl kann erwogen werden.
- In ausgewählten Fällen kann eine alleinige endokrine Therapie als Alternative in Betracht gezogen werden.
Endokrine Therapie
Die systemische endokrine Therapie (Hormontherapie) bleibt auch für ältere Patientinnen mit Begleiterkrankungen eine effektive Therapieoption.
- Standardoptionen:
- Aromatasehemmer (Anastrozol, Letrozol, Exemestan) bei postmenopausalen Patientinnen
- Tamoxifen als Alternative, insbesondere bei Kontraindikationen für Aromatasehemmer
- Dauer der Therapie: mindestens 5 Jahre, bei hohem Rezidivrisiko bis zu 10 Jahre
- Besondere Aspekte bei älteren Patientinnen:
- Nebenwirkungen berücksichtigen (z. B. Osteoporose unter Aromatasehemmern → ggf. Bisphosphonate oder Denosumab ergänzen)
- Endokrine Therapie als Alternative zur Operation in Fällen mit erheblichen Komorbiditäten oder reduzierter Lebenserwartung
Chemotherapie
Die adjuvante Chemotherapie wird bei hormonrezeptornegativen, triplenegativen oder HER2-positiven Mammakarzinomen empfohlen.
- Standardindikation für Chemotherapie:
- Patientinnen bis 70 Jahre ohne wesentliche Begleiterkrankungen sollten eine standardmäßige adjuvante Chemotherapie erhalten.
- Ältere Patientinnen mit Komorbiditäten (Begleiterkrankungen):
- Individualisierte Entscheidung
- Möglichst Teilnahme an klinischen Studien
- Eventuell Reduktion der Dosis oder modifiziertes Regime (z. B. wöchentliches Paclitaxel statt dreiwöchentliches Docetaxel)
- Triple-negatives Mammakarzinom (TNBC):
- Neue Therapieansätze mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (z. B. Atezolizumab, Pembrolizumab) verbessern die Prognose.
- Kombination aus Chemotherapie + Immuntherapie wird zunehmend als neuer Standard geprüft.
Monoklonale Antikörper
Bei HER2-positiven Mammakarzinomen sollte eine zielgerichtete Therapie mit monoklonalen Antikörpern erfolgen, insbesondere bei älteren Patientinnen mit guter Allgemeinverfassung.
- Standardtherapie:
- Kombination von Chemotherapie + Trastuzumab
- Bei Patientinnen mit guter Verträglichkeit: Kombination mit Pertuzumab
- Bei älteren, komorbiden Patientinnen kann eine alleinige Trastuzumab-Therapie erwogen werden.
- Besonderheiten bei älteren Patientinnen:
- Kardiotoxizität beachten (regelmäßige Echokardiographie zur Kontrolle der linksventrikulären Funktion)
- Alternativen bei Unverträglichkeit: T-DXd (Trastuzumab-Deruxtecan) in späteren Therapielinien
Studienoptionen für ältere Patientinnen
- Allen älteren Patientinnen sollte die Teilnahme an klinischen Studien erläutert werden, insbesondere wenn eine Standardtherapie aufgrund von Begleiterkrankungen nicht vollständig durchgeführt werden kann.
- Neue Therapieansätze (Immuntherapie, zielgerichtete Substanzen, individualisierte Chemotherapieprotokolle) können die Prognose verbessern.
Zusammenfassung
Die adjuvante Therapie älterer Patientinnen sollte individuell angepasst werden. Während die Strahlentherapie nach BET und Mastektomie weiterhin empfohlen wird, kann in ausgewählten Fällen mit niedrigem Risiko auf eine Radiatio verzichtet werden. Die endokrine Therapie bleibt eine tragende Säule, auch bei multimorbiden Patientinnen. Chemotherapie und zielgerichtete Antikörpertherapien sind weiterhin indiziert, jedoch sollten Dosisanpassungen oder der Einschluss in klinische Studien erwogen werden, um das bestmögliche Nutzen-Risiko-Profil zu erreichen.
Literatur
- Empfehlungen gynäkologische Onkologie Kommission Mamma: Diagnostik und Therapie von Patientinnen mit primären und metastatischem Brustkrebs. Version 2017, AGO-Online-Mamma
- S3-Leitlinie: Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. (AWMF-Registernummer: 032-045OL), Juni 2021 Kurzfassung Langfassung
- Sautter-Bihl M-L., Souchon R.,; Gerber, B.: Adjuvante Therapie des Mammakarzinoms bei Patientinnen über 65 Jahre. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(21): 365-71; doi: 10.3238/arztebl.2011.0365
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. (AWMF-Registernummer: 032-045OL), Juni 2021 Kurzfassung Langfassung