Harninkontinenz (Blasenschwäche) – Symptome – Beschwerden

Folgende Symptome und Beschwerden können auf eine Harninkontinenz hinweisen:

Pathognomonische Symptome
Diese Symptome sind typisch und fast ausschließlich bei Harninkontinenz anzutreffen:

  • Imperativer Harndrang: Ein plötzliches, starkes Bedürfnis zu urinieren, das so intensiv ist, dass es unmöglich ist, den Harn willkürlich zurückzuhalten. Dies tritt bei einem Großteil der Betroffenen auf (Häufigkeit > 70 %).
  • Kontinuierlicher Harnabgang bei extraurethraler Harninkontinenz: Ständiger unkontrollierter Harnfluss, der nicht über die Harnröhre erfolgt. Dies ist ein selteneres Symptom, das aber charakteristisch für eine fistelbedingte Inkontinenz ist.

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf Harninkontinenz und werden oft zuerst bemerkt:

  • Belastungsinkontinenz: Harnverlust bei körperlicher Anstrengung, Husten, Niesen oder Lachen. Diese Form ist besonders bei Frauen nach der Geburt oder in den Wechseljahren häufig und tritt bei etwa 50 % der Betroffenen auf.
  • Dranginkontinenz: Plötzlicher, unkontrollierbarer Harndrang, der zu ungewolltem Harnabgang führt. Dies tritt bei 10-20 % der Betroffenen auf und ist häufig mit überaktiver Blase (s. u.) verbunden.

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild der Harninkontinenz:

  • Nykturie: Häufiges nächtliches Wasserlassen, das den Schlaf unterbricht. Dies tritt bei vielen Betroffenen auf, insbesondere bei älteren Menschen (Häufigkeit > 60 %).
  • Pollakisurie: Häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen, oft verbunden mit einem Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie): Tritt in einigen Fällen auf und kann mit Harnwegsinfektionen in Verbindung stehen
  • Hautirritationen: Durch den ständigen Kontakt mit Urin kann es zu Hautreizungen und Ausschlägen im Genital- und Perinealbereich kommen, insbesondere bei längerer Inkontinenz.

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Erhöhte Reizbarkeit und soziale Zurückgezogenheit: Inkontinenz kann zu psychischen Belastungen führen, die das soziale Leben einschränken.
  • Schlafstörungen: Bedingt durch häufiges nächtliches Wasserlassen (Nykturie) können Schlafprobleme auftreten. 

Überaktive Blase (ÜAB; "overactive bladder", OAB)

Pathognomonische Symptome
Diese Symptome sind typisch und fast ausschließlich bei einer überaktiven Blase anzutreffen:

  • Pollakisurie: Häufiges Wasserlassen (> 8-mal pro Tag und ≥ 2-mal pro Nacht). Diese Symptomatik tritt bei nahezu allen Betroffenen (über 90 %) mit einer überaktiven Blase auf.
  • Imperativer Harndrang: Ein plötzlich einsetzender, schwer zu verzögernder, starker Harndrang, der bei den meisten Betroffenen auftritt. Dieser Harndrang kann sich sowohl mit als auch ohne Harnverlust zeigen (Häufigkeit > 70 %).
  • Nykturie: Häufiges nächtliches Wasserlassen, das in den meisten Fällen ohne zugrunde liegende Erkrankungen auftritt (Häufigkeit > 60 %). Die Betroffenen müssen häufig mehrmals pro Nacht aufstehen, um Wasser zu lassen.

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine überaktive Blase und werden oft zuerst bemerkt:

  • Dranginkontinenz: Unkontrollierbarer Harndrang, der häufig zu ungewolltem Harnabgang führt. Dies tritt bei etwa 30-40 % der Betroffenen auf und ist ein charakteristisches Merkmal der überaktiven Blase.

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild einer überaktiven Blase:

  • Häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen: Betroffene müssen oft urinieren, entleeren jedoch nur kleine Mengen Urin.
  • Unvollständige Blasenentleerung: Gefühl, die Blase nicht vollständig entleeren zu können, obwohl mehrfaches Wasserlassen erforderlich ist

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen (Dysurie): Obwohl dies typischerweise nicht mit einer überaktiven Blase assoziiert ist, kann es in einigen Fällen auftreten, insbesondere wenn Harnwegsinfektionen hinzukommen.
  • Harnwegsinfekte: Wiederkehrende Infektionen der Harnwege können gelegentlich als sekundäre Komplikation auftreten.

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Schlafstörungen: Aufgrund der häufigen nächtlichen Toilettengänge (Nykturie) kann es zu Schlafstörungen kommen.
  • Erhöhte Reizbarkeit und Stress: Die ständige Notwendigkeit, eine Toilette aufzusuchen, kann zu psychischen Belastungen und Stress führen.

Beachte: Führt die OAB zu einer Dranginkontinenz, spricht man von einer "OAB wet", eine OAB ohne Inkontinenz wird als „OAB dry“ bezeichnet [1].

Weitere Hinweise

  • Männern haben im Zusammenhang mit der Harninkontinenz überwiegend Drangsymptome (92 %) und Frauen überwiegend belastungsassoziierte Symptome (78 %).
  • Der imperative Harndrang ist das Leitsymptom der Dranginkontinenz.

Warnzeichen (red flags)

  • Fieber → denken an: aufsteigende Infektionen, die zu schweren Pyelonephritiden (Nierenbeckenentzündungen) führen können.
  • Dysurie (schmerzhafter Harndrang mit Erschwernis des Wasserlassens) → denken an: Harnwegsinfekte (HWI)
  • Hämaturie (Blut im Urin) → denken an: s. u. Differentialdiagnosen zu Hämaturie
  • Anhaltende Inkontinenz  → denken an: Vorliegen einer Fistel (Z. n. OP?) oder neurologischen Störung
  • Reithosenanästhesie + Harninkontinenz → denken an: Kaudasyndrom

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Homma Y: Lower urinary tract symptomatology: its definition and confusion. Int J Urol 2008 Jan;15(1):35-43. doi: 10.1111/j.1442-2042.2007.01907.x.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Harninkontinenz der Frau. (AWMF-Registernummer: 015 - 091), Januar 2022 Langfassung