Harninkontinenz (Blasenschwäche) – Prävention

Zur Prävention der Harninkontinenz (Blasenschwäche) muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol – Kann die Blasenkontrolle negativ beeinflussen.
    • Koffeinkonsum – Koffein wirkt diuretisch und kann zu Dranginkontinenz führen.
    • Tabak (Rauchen) – Nikotinabusus ist mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Dranginkontinenz assoziiert [3].
  • Körperliche Aktivität
    • Körperliche Belastungen – Schwere körperliche Tätigkeiten oder stark belastender Sport können den Beckenboden schwächen und Inkontinenz begünstigen.
  • Psycho-soziale Situation
    • Psychische Belastungen – Chronischer Stress kann die Blasenfunktion beeinträchtigen.
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
    • Adipositas erhöht das Risiko für verschiedene Inkontinenzformen [2]:
      • Gemischte Harninkontinenz (+52 % Risiko).
      • Belastungsinkontinenz (SUI) und Dranginkontinenz (OAB) (+33 % bzw. +26 % Risiko pro 5 BMI-Punkte).
    • Ein BMI ≥ 24 kg/m² vor der Schwangerschaft erhöht das Risiko für postpartale Belastungsinkontinenz bei Erstgebärenden (OR 2,1) [4].

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

  • Geburtsmodus und Beckenbodenbelastung
    • Kaiserschnitt (Sectio caesarea):
      • Senkt das Risiko für Beckenbodenstörungen und damit verbundene Inkontinenzprobleme in den ersten 15 Jahren nach der Geburt [1].
      • Vergleich zwischen natürlicher Geburt und Kaiserschnitt:
        • Natürliche Geburt:
          • 34,3 % Belastungsinkontinenz (SUI),
          • 21,8 % Reizblase (OAB),
          • 30,6 % Stuhlinkontinenz (AI),
          • 30,0 % Uterusprolaps (POP).
        • Kaiserschnitt:
          • 17,5 % SUI,
          • 14,6 % OAB,
          • 25,8 % AI,
          • 9,4 % POP.
  • Beckenbodentraining
    • Regelmäßiges Training stärkt die Beckenbodenmuskulatur und kann sowohl präventiv als auch therapiebegleitend wirken.
  • Gewichtskontrolle
    • Senkung des BMI in den Normalbereich reduziert das Risiko für Belastungs- und Dranginkontinenz.

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention richtet sich an Personen mit ersten Anzeichen von Inkontinenz, um das Fortschreiten zu verhindern.

  • Früherkennung und Diagnostik
    • Regelmäßige ärztliche Kontrollen bei Symptomen wie Dranggefühl, nächtlichem Wasserlassen oder unfreiwilligem Urinverlust.
    • Beurteilung des Beckenbodens und eventuelle Abklärung einer Beckenbodenschwäche.
  • Lebensstilinterventionen
    • Ernährungsanpassung – Vermeidung von blasenreizenden Substanzen wie Kaffee und scharfen Gewürzen.
    • Reduktion von Alkohol und Nikotin – Fördert die Blasengesundheit.
  • Beckenbodentherapie
    • Anleitung durch Physiotherapie zur gezielten Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur.
  • Medikamentöse Therapie
    • Einsatz von Anticholinergika oder Beta-3-Adrenozeptoragonisten bei Dranginkontinenz nach ärztlicher Verordnung.

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention zielt darauf ab, die Lebensqualität bei bestehender Harninkontinenz zu verbessern und Folgeschäden zu minimieren.

  • Langzeittherapie
    • Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Therapie bei chronischer Inkontinenz.
    • Eventueller Einsatz von Hilfsmitteln wie Inkontinenzvorlagen oder Kathetersystemen.
  • Rehabilitation und Bewegungstherapie
    • Beckenbodenrehabilitation zur langfristigen Verbesserung der Blasenkontrolle.
    • Individuelle Programme zur Stärkung der Beckenmuskulatur.
  • Operationen
    • Operative Maßnahmen wie Schlingenoperationen (z. B. TVT-Band) bei schwerer Belastungsinkontinenz.
  • Psychologische Unterstützung
    • Hilfe bei psychosozialen Belastungen durch Inkontinenz, z. B. in Selbsthilfegruppen oder durch psychologische Beratung.

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Blomquist JL et al.: Association of Delivery Mode With Pelvic Floor Disorders After Childbirth. JAMA. 2018;320(23):2438-2447. doi:10.1001/jama.2018.18315
  2. Aune D et al.: Body mass index, abdominal fatness, weight gain and the risk of urinary incontinence: A systematic review and dose response meta-analysis of prospective studies. BJOG 2019 https://doi.org/10.1111/1471-0528.15897
  3. Hannestad YS, Rortveit G, Daltveit AK, Hunskaar S. Are smoking and other lifestyle factors associated with female urinary incontinence? The Norwegian EPINCONT Study. BJOG. 2003; 110: 247-54.
  4. Gao J et al.: Risk factors of postpartum stress urinary incontinence in primiparas. What should we care. Medicine 2021 doi: 10.1097/MD.0000000000025796