Amenorrhoe – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Amenorrhoe bezeichnet das Ausbleiben der Menstruation, das entweder primär oder sekundär auftreten kann:
- Primäre Amenorrhoe: Diese Form liegt vor, wenn bis zum 16. Lebensjahr keine Menstruation eingetreten ist. Häufige Ursachen sind genetische oder anatomische Entwicklungsstörungen, wie Gonadendysgenesie (z. B. Turner-Syndrom), Müller-Gang-Anomalien (fehlende oder unterentwickelte Gebärmutter), oder hormonelle Störungen im Bereich der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (z. B. hypothalamische Amenorrhoe, hypophysäre Störungen). Diese Störungen führen zu einer Unterbrechung der hormonellen Signalkette, die für den Menstruationszyklus erforderlich ist.
- Sekundäre Amenorrhoe: Die sekundäre Amenorrhoe tritt auf, wenn bei einer Frau, die zuvor regelmäßig menstruiert hat, die Regelblutung für mindestens drei Zyklen oder sechs Monate ausbleibt. Hier sind hormonelle Störungen die häufigste Ursache, wie zum Beispiel polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS), Hyperprolaktinämie oder Schilddrüsenfunktionsstörungen. Auch Stress, erheblicher Gewichtsverlust (z. B. durch Essstörungen), exzessiver Sport, oder chronische Erkrankungen können die hormonelle Balance stören und zu Amenorrhoe führen.
Physiologische Amenorrhoe
Schwangerschaft und Stillzeit gelten als physiologische Zustände, die zur Amenorrhoe führen. Während dieser Phasen unterdrücken hormonelle Veränderungen den Menstruationszyklus.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch die Eltern, Großeltern
- Genetische Erkrankungen
- Adrenogenitales Syndrom (AGS) – autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselkrankheit, die durch Störungen der Hormonsynthese in der Nebennierenrinde gekennzeichnet sind. Diese Störungen führen zu einem Mangel an Aldosteron und Cortisol
- Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang mit vermehrter Ablagerung von Eisen als Folge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut mit Gewebeschädigung
- Kallmann-Syndrom (Synonym: olfaktogenitales Syndrom): genetische Erkrankung, die sowohl sporadisch auftreten, als auch autosomal-dominant, autosomal-rezessiv und X-chromosomal-rezessiv vererbt werden kann; Symptomkomplex aus Hypo- bzw. Anosmie (verminderter bis fehlender Geruchssinn) in Verbindung mit Hoden- bzw. Ovarialhypoplasie (mangelhafte Entwicklung des Hodens bzw. der Eierstöcke); Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) bei Männern 1 : 10.000 und bei Frauen 1 : 50.000
- Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKH-Syndrom oder Küster-Hauser-Syndrom) − genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; angeborene Fehlbildung des weiblichen Genitals durch Hemmungsfehlbildung der Müller-Gänge im zweiten Embryonalmonat. Die Ovarialfunktion (Östrogen- und Gestagensynthese) ist nicht gestört, was die normale Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale erlaubt.
- Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom (LMBBS) – seltene genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; nach klinischer Symptomatik wird unterschieden in:
- Laurence-Moon-Syndrom (ohne Polydaktylie, d. h. ohne Auftreten überzähliger Finger oder Zehen, und Adipositas, dafür aber mit Paraplegie (Querschnittlähmung) und Muskelhypotonie/verminderte Muskelspannung) und
- Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) (mit Polydaktylie, Adipositas und Besonderheiten der Nieren)
- Genetische Erkrankungen
- Fehlbildungen bzw. Defekte (vaginale und uterine Fehlbildungen: s. u.)
- Intersexualität – Personen mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen
- Hormonelle Faktoren
- Präpubertät
- Prämature Menopause (vorzeitige Menopause; vor dem 40. Lebensjahr) – vorzeitige Ovarialinsuffizienz (POF, Premature Ovarian Failure): Eine Frau kann vorzeitig in die Menopause kommen, wenn die Eizellreserven vorzeitig aufgebraucht werden.
- Das durchschnittliche Lebensalter für den Eintritt in die Menopause (Wechseljahre) liegt derzeit bei circa 51 Jahren. Wenn jedoch die Eizellreserven (wegen Follikelatresie) vorzeitig aufgebraucht sind, bleibt die Ovulation aus und die Menstruationen können ebenfalls vorzeitig aufhören. Falls dieses bei Frauen unter 40 Jahren geschieht, spricht man von einer prämaturen Menopause. Diese kommt bei 1-4 % der Frauen vor.
- Postmenopause
- Katastrophensituationen
Verhaltensbedingte Ursachen
- Genussmittelkonsum
- Alkohol – Stört den Hormonhaushalt und kann zu Zyklusunregelmäßigkeiten führen.
- Drogenkonsum
- Amphetamine (indirektes Sympathomimetikum) – Beeinflussen die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse negativ.
- Heroin – Führt zu Hormonstörungen, die die Menstruation beeinträchtigen.
- LSD (Lysergsäurediäthylamid/Lysergid) – Psychotrope Effekte können hormonelle Dysbalancen auslösen.
- Körperliche Aktivität
- Leistungssport – Übermäßiges Training reduziert Körperfett, was zu hypothalamischer Amenorrhoe führen kann.
- Psycho-soziale Situation
- Psychosozialer Stress – Chronischer Stress erhöht Cortisolspiegel und hemmt die Hormonproduktion, die den Zyklus reguliert.
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
- Adipositas begünstigt Insulinresistenz und Hyperandrogenismus, die Zyklusausfälle verursachen können.
- Untergewicht
- Ein BMI < 18,5 beeinträchtigt die Östrogenproduktion und kann zur hypothalamischen Amenorrhoe führen.
Krankheitsbedingte Ursachen
- Erkrankungen endokriner Organe
- Nebenniere
- Adrenogenitales Syndrom (AGS) (s. u. "Genetische Erkrankungen")
- Cushing-Syndrom – Gruppe von Erkrankungen, die zum Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus) – Überangebot von Cortisol – führen
- Hyperandrogenämie (Erhöhung der männlichen Geschlechtshormone im Blut)
- Ovar (Eierstock)
- Ovarielle Hypoplasie − Minderentwicklung der Eierstöcke aufgrund verschiedener Erkrankungen wie dem Turner-Syndrom (Gonadendysgenesie)
- Prämature Menopause/vorzeitige Menopause)
- Pankreas (Diabetes mellitus)
- Schilddrüse (z. B. Hypothyreose/Schilddrüsenunterfunktion)
- Nebenniere
- Genitale Ursachen (uterine und/oder vaginale Fehlbildungen bzw. Defekte):
- Gynatresien (Fehlbildungen der inneren weiblichen Geschlechtsorgane zusammengefasst, bei denen durch Hemmungsfehlbildungen Hohlräume oder Gänge der inneren weiblichen Geschlechtsorgane verschlossen sind):
- Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom (LMBBS) (s. u. "Genetische Erkrankungen")
- Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKH-Syndrom oder Küster-Hauser-Syndrom) (s. u. "Genetische Erkrankungen")
- Asherman-Syndrom − Verlust des Endometriums durch schwere Entzündungen oder Traumata
- Genitaltuberkulose
- Gynatresien (Fehlbildungen der inneren weiblichen Geschlechtsorgane zusammengefasst, bei denen durch Hemmungsfehlbildungen Hohlräume oder Gänge der inneren weiblichen Geschlechtsorgane verschlossen sind):
- Hypothalamisch-hypophysäre Störungen
- genetische Defekte (Kallman-Syndrom) (s. u. "Genetische Erkrankungen")
- funktioneller Gonadotropinmangel (s. u. extragenitale Ursachen)
- Entzündungen im Bereich des Hypothalamus; Hypothalamustumoren
- Hypopituitarismus (Unterfunktion der Hypophyse): z. B.
- Sheehan-Syndrom (erworbene Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (nicht ausreichende Hormonproduktion des Vorderlappens der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse))
- Hypophysentumoren
- Sheehan-Syndrom (erworbene Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (nicht ausreichende Hormonproduktion des Vorderlappens der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse))
- Hyperprolaktinämie (Erhöhung des Prolaktinspiegels im Blut)/ Prolaktinom (gutartiger Tumor des Hypophysenvorderlappens, der Prolaktin produziert) – welche im Regelfall zu einer Störung der Follikelreifung (Eizellreifung) führt, mit der Folge einer Corpus luteum-Insuffizienz, einer Anovulation und einer Oligomenorrhoe/Regeltempostörung: das Intervall zwischen den Blutungen ist > 35 Tage und ≤ 90 Tage (bis zur Amenorrhoe/> 90 Tage); siehe auch unter "Hyperprolaktinämie durch Medikamente."
- Ovarielle Störungen
- Ovarialinsuffizienz (Funktionsverlust (Insuffizienz) des Ovars mit einer Störung der Ovulation; unterschiedlicher Genese/Entstehung)
- Polyzystisches-Ovar-Syndrom (PCO-Syndrom) – Symptomenkomplex, der durch eine hormonelle Funktionsstörung der Ovarien (Eierstöcke) gekennzeichnet ist. [ca. 25 % aller Frauen mit sekundärer Amenorrhoe]
- Ovarielle Hyperandrogenämie (eierstockbedingte Überproduktion von männlichen Hormonen)
- Postmenopause (Lebensabschnitt der Frau, der sich an die letzte Monatsblutung (Menopause) anschließt)
- Extragenitale Ursachen
- Stress
- Psychische Belastungen
- Leistungssport
- Krankheiten
- Adipositas(Übergewicht)
- Hämochromatose (s. u. "Genetische Erkrankungen")
- komplette Androgenresistenz (Erkrankung, bei der aufgrund einer Mutation im Erbgut des Erkrankten der Androgenrezeptor nur unzureichend funktioniert)
- konsumierende Krankheiten
- Untergewicht – beispielsweise wegen Essstörungen – Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimia nervosa (Ess-Brechsucht)
Operationen
- Nach forcierter Kürettage (traumatische Amenorrhoe) – Asherman-Syndrom wg. Destruktion der Basalis des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut)
Medikamente
- Antipsychotika (Neuroleptika) – wie Haloperidol
- Appetitzügler – wie beispielsweise Fenfluramin
- Hormone
- GnRH-Analoga (Goserelinacetat, Leuporelinacetat, Buderelinacetat, Nafarelinacetat, Triptorelinacetat)
- Hormonelle Kontrazeptiva (Minipille, Dreimonatsspritze, Intrauterinpessar mit Gestagen/Gestagenspirale)
- Progesteronrezeptor-Modulator (Ulipristal)
- Siehe unter Arzneimittelnebenwirkungen: "Hyperprolaktinämie durch Medikamente"
- Spironolacton (Aldosteronantagonist)
- Zytotoxische Substanzen (Zustand n. Chemotherapie)
Weitere Ursachen
- Gravidität (Schwangerschaft) → Schwangerschaftsamenorrhoe
- Laktationsperiode (Stillphase) → Laktationsamenorrhoe
- Zust. n. Radiatio (Strahlentherapie)