Amenorrhoe – Differentialdiagnosen
Nachfolgend die Differentialdiagnosen getrennt nach primärer beziehungsweise sekundärer Amenorrhoe.
Primäre Amenorrhoe
Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)
- Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom (LMBBS) – seltene genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; nach klinischer Symptomatik wird unterschieden in:
- Laurence-Moon-Syndrom (ohne Polydaktylie, d. h. ohne Auftreten überzähliger Finger oder Zehen, und Adipositas, dafür aber mit Paraplegie (Querschnittlähmung) und Muskelhypotonie/verminderte Muskelspannung) und
- Bardet-Biedl-Syndrom (BBS; Synonym: Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom, LMBBS) (mit Polydaktylie, Adipositas und Besonderheiten der Nieren)
- Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKH-Syndrom oder Küster-Hauser-Syndrom) − genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; angeborene Fehlbildung des weiblichen Genitals durch Hemmungsfehlbildung der Müller-Gänge im zweiten Embryonalmonat. Die Ovarialfunktion (Östrogen- und Gestagensynthese) ist nicht gestört, was die normale Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale erlaubt.
- Ovarielle Hypoplasie − Minderentwicklung der Eierstöcke aufgrund verschiedener Erkrankungen wie dem Turner-Syndrom (Gonadendysgenesie)
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Adrenogenitales Syndrom (AGS) – autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselkrankheit, die durch Störungen der Hormonsynthese in der Nebennierenrinde gekennzeichnet sind. Diese Störungen führen zu einem Mangel an Aldosteron und Cortisol; mittlere Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) weltweit von 1 : 14.500; häufigstes Krankheitsbild unter den Störungen der sexuellen Differenzierung (DAD); weiblicher Karyotyp (46, XX) mit Virilisierung (Vermännlichung) des äußeren Genitale (wg. pränatalen Androgenüberschuss)
- Kallmann-Syndrom (Synonym: olfaktogenitales Syndrom) – genetische Erkrankung, die sowohl sporadisch auftreten, als auch autosomal-dominant, autosomal-rezessiv und X-chromosomal-rezessiv vererbt werden kann; Symptomkomplex aus Hypo- bzw. Anosmie (verminderter bis fehlender Geruchssinn) in Verbindung mit Hoden- bzw. Ovarialhypoplasie (mangelhafte Entwicklung des Hodens bzw. der Eierstöcke); Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) bei Männern 1 : 10.000 und bei Frauen 1 : 50.000
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Hymenalatresie (fehlende Öffnung des Jungfernhäutchens)
- Scheidenaplasie − embryonal nicht angelegte Vagina
Sekundäre Amenorrhoe
Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)
- Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom (s. o.)
- Ovarielle Hypoplasie − Minderentwicklung der Eierstöcke aufgrund verschiedener Erkrankungen wie dem Turner-Syndrom (Gonadendysgenesie)
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Adipositas (Übergewicht)
- Akromegalie – Hypersekretion von Somatotropin mit Größenzunahme der Körperendglieder bzw. der Akren
- Diabetes mellitus Typ 1
- Hashimoto-Thyreoiditis – Autoimmunerkrankung, die zu einer chronischen Schilddrüsenentzündung führt
- Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang mit vermehrter Ablagerung von Eisen als Folge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut mit Gewebeschädigung
- Hyperandrogenämie (Erhöhung der männlichen Geschlechtshormone im Blut)
- Hyperprolaktinämie (Erhöhung des Prolaktinspiegels im Blut)
- Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
- Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
- Morbus Addison (primäre Nebennierenrindeninsuffizienz)
- Morbus Cushing – Gruppe von Erkrankungen, die zum Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus) ‒ Überangebot von Cortisol ‒ führen
- Polyzystisches-Ovar-Syndrom (PCO-Syndrom) − Zystenbildung im Ovar, die zu einer gestörten hormonellen Funktion führt [ca. 25 % aller Frauen mit sekundärer Amenorrhoe]
- Post-Pill-Amenorrhoe − Ausbleiben der Menstruation nach Beendigung der Einnahme von Kontrazeptiva (Empfängnisverhütungsmittel)
- Sheehan-Syndrom − erworbene Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (HVL-Insuffizienz)/nicht ausreichende Hormonproduktion des Vorderlappens der Hirnanhangsdrüse (= "sekundäres Empty-Sella-Syndrom (SES))
- Vorzeitige Ovarialinsuffizienz − Erschöpfung der Eierstockfunktion mit fortschreitender Follikelatresie (Nicht-Anlage von Follikeln)
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Leberzirrhose – irreversible Schädigung der Leber, die zu einem schrittweisen bindegewebigen Umbau der Leber mit Einschränkung der Leberfunktion führt
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Arrhenoblastom – sehr seltener, meist unilateraler (einseitiger) Tumor des Ovars (Eierstocks), produziert Androgene und führt damit zu Androgenisierungserscheinungen (Hirsutismus/männliches Verteilungsmuster der Terminalhaare, Seborrhoe/Überproduktion von Hautfetten, Klitorishypertrophie/ungewöhnlich große Klitoris, Stimmveränderungen; hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz)
- Hypophysentumoren (Tumoren der Hirnanhangsdrüse)
- Ovarialtumoren (Eierstocktumoren), ohne nähere Angaben
- Prolaktinom – gutartige Neubildung des Hypophysenvorderlappens (Hirnanhangsdrüse)
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Anorexia nervosa (Magersucht)
- Bulimia nervosa (Essbrechsucht)
- Entzündungen im Bereich des Hypothalamus
- Hypophysentumoren (Tumoren der Hirnanhangsdrüse)
- Hypothalamustumoren (Tumoren des Zwischenhirns)
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Abnormer Gewichtsverlust (> 10 %)
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Asherman-Syndrom − Verlust des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut) durch schwere Entzündungen oder Traumata (z. B. nach forcierter Kürettage)
- Chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)
Medikamente
- Antipsychotika (Neuroleptika) wie beispielsweise Haloperidol
- Appetitzügler – wie beispielsweise Fenfluramin
- Hormone
- GnRH-Analoga (Goserelinacetat, Leuporelinacetat, Buderelinacetat, Nafarelinacetat, Triptorelinacetat)
- Hormonelle Kontrazeptiva (Minipille, Dreimonatsspritze, Intrauterinpessar mit Gestagen/Gestagenspirale)
- Progesteronrezeptor-Modulator (Ulipristal)
- Siehe unter Arzneimittelnebenwirkungen: "Hyperprolaktinämie durch Medikamente"
- Spironolacton (Aldosteronantagonist)
- Zytotoxische Substanzen (Zustand n. Chemotherapie)
Weiteres
- Exzessives Training/Leistungssport
- Klimawechsel
- Psychogene Reaktion wie beispielsweise nach schweren persönlichen oder sonstigen Katastrophen
- Gravidität (Schwangerschaft) → Schwangerschaftsamenorrhoe
- Laktationsperiode (Stillperiode) → Laktationsamenorrhoe
- Menopause (Zeitpunkt der letzten Regelblutung)