Tabakkonsum in der Stillzeit
50 % der Frauen, die sich vor oder während der Schwangerschaft dazu durchgerungen haben mit dem Rauchen aufzuhören, fangen bis zum 9. Monat nach der Entbindung wieder zu Rauchen an [1]. Man schätzt, dass jede dritte bis vierte Stillende raucht [2].
Das Kind nimmt die Inhaltsstoffe der Zigarette zum einen über seine Lungen auf, zum anderen treten viele Substanzen in die Muttermilch über. Über 5.000 schädigende Substanzen wie beispielsweise Kohlenmonoxid, Nitrosamine, Benzo(e)pyren (Benzpyren), Benzol, Cyanwasserstoff, Aldehyde, Cadmium und Polonium sind im Zigarettenrauch enthalten. Die negativen Effekte sind dosisabhängig.
Nikotin ist der mit Abstand am besten untersuchte Inhaltsstoff. Es reichert sich in der Muttermilch an. Die Konzentration in dieser ist dreimal höher als die im mütterlichen Plasma [3]. Die Länge der Rauchpause vor dem Stillen ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Nikotinkonzentration in der Muttermilch [4].
Hervorzuhebende Auswirkungen des Rauchens auf die Stillende und auf das Kind sind:
- Schlechtere Stillfähigkeit – nichterfolgender Stillbeginn, kürzere Stillzeit
- Nikotin erniedrigt den Prolaktin-Serumspiegel der Mutter, wodurch es zu einer verminderten Milchproduktion kommt [5].
- Der erniedrigte Prolaktin-Serumspiegel geht mit einer verminderten Aktivität der Lipoproteinlipase einher, wodurch der Fettgehalt der Muttermilch sinkt. Das erklärt, warum bei Kindern von rauchenden Stillen eine geringere Gewichtszunahme zu beobachten ist [3].
- Raucherinnen haben geringere Konzentrationen von Omega-3-Fettsäuren in der Muttermilch [3].
- Die Konzentration des Spurenelements Jod in der Muttermilch ist erniedrigt, was zu einer eingeschränkten Synthese (Bildung) von Schilddrüsenhormonen führt. Die Folge können verminderte kognitive Leistungen beim Kind sein [3]. Je mehr geraucht wird, desto niedriger fällt der Intelligenzquotient des Kindes aus.
Plötzlicher Kindstod
Raucht die Mutter in der Stillzeit bis zu neun Zigaretten am Tag, steigt die Gefahr des Auftretens eines plötzlichen Kindstodes um das Fünffache, wobei das neugeborene Kind zwischen dem achten Lebenstag und dem Ende des ersten Lebensjahres verstirbt [6]. Erhöht die Mutter die Zigarettendosis – mehr als zehn Zigaretten täglich –, verzehnfacht sich das Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) des Säuglings [6]. Demzufolge beeinträchtigt Nikotin als Nervengift die Funktionen der Andockstellen im Gehirn, die bei der Kontrolle der Atmung und des Aufwachens eine wichtige Rolle spielen. Es dämpft die Empfindlichkeit eines Proteinkomplexes, welcher die Aufgabe hat, bei schlechter Sauerstoffversorgung während des Schlafs Alarm zu schlagen und eine Art Aufwachreflex auszulösen. Hoher Tabakkonsum der Mutter bewirkt damit beim Kind eine Fehlsteuerung der Atemfunktion.
Des Weiteren können Störungen der Gehirnfunktion auftreten, die die Herz- und Kreislaufregulation oder bestimmte Aufwachmechanismen beeinflussen. Häufig kommt es unter diesen Umständen zu einer verlangsamten Herzfrequenz und schließlich zum Aussetzen der Atmung. Da sich zwischen dem 3. und 4. Lebensmonat der Säuglinge die Hirnreifung vollzieht, kann verstärkter Zigarettenkonsum diese in Form von Veränderungen und Entwicklungsstörungen erheblich beeinträchtigen.
Somit gilt: Während der Stillzeit nicht Rauchen!
Wenn dieses nicht gelingt, sollte:
- so wenig wie möglich geraucht werden.
- nie in der Nähe des Kindes geraucht werden.
- vor dem Stillen eine Rauchpause eingehalten werden.
Weitere Informationen zum Thema „Tabakkonsum“ finden Sie unter "Genussmittel" im Oberthema "Mikronährstoffmedizin".
Literatur
- Rebhan B, Kohlhuber M, Schwegler U, Koletzko B, Fromme H (2009): Rauchen, Alkoholkonsum und koffeinhaltige Getränke vor, während und nach der Schwangerschaft – Ergebnisse aus der Studie „Stillverhalten in Bayern“. Gesundheitswesen 71: 391-398
- Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, Weber-Schöndorfer C (2012): Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit. Urban & Fischer, München, S 1-808
- Dahlstrom A, Lundell B, Curvall M, Thapper L (1990): Nicotine and cotinine concentrations in the nursing mother and her infant. Acta Paediatr Scand 79: 142-147
- Dahlstrom A, Ebersjo C, Lundell B (2004): Nicotine exposure in breastfed infants. Acta Paediatr 93: 810-816
- Napierala M, Mazela J, Merritt TA, Florek E (2016): Tobacco smoking and breastfeeding: effect on the lactation process, breast milk composition and infant development. A critical review. Environ Res 151: 321-338
- Hoffmann P: Plötzlicher Kindstod (SIDS); PANAP Selbsthilfe e.V.