Pseudoallergie – Biogene Amine
Biogene Amine können direkt oder indirekt die Freisetzung von Histamin aus Mastzellen und anderen Immunzellen fördern. Hier sind einige der wichtigsten biogenen Amine, die für die Histaminfreisetzung bekannt sind:
Hypersensitivität auf biogene Amine
Zu den biogenen Aminen gehören beispielsweise:
- Histamin (wichtigster Vertreter, vor allem in Käse, Wein, Fisch, geräucherten Fleischprodukten, Spinat und Tomaten – beim Verderb dieser Lebensmittel steigt deren Histamingehalt)
- Cadaverin (überwiegend enthalten in Getreidekeimlingen und Sauerkraut)
- Feruloylputrescin (in Grapefruit)
- Phenylethylamin
- Putrescin* (vor allem in Getreidekeimlingen und Sauerkraut)
- Serotonin (bei Migränepatienten ist Serotonin zusammen mit Tyramin häufig für Kopfschmerzanfälle verantwortlich; vor allem enthalten in Walnüssen, Ananas, Bananen und Tomaten)
- Spermidin (in Getreidekeimlingen)
- Spermin (in Getreidekeimlingen)
- Synephrin (zu finden in Mandarinen und Orangen)
- Tryptamin
- Tyramin* (steigert durch Freisetzung von Noradrenalin den Blutdruck; insbesondere in Hefe, Fisch, Wurst, Käse, Himbeeren, Sauerkraut)
*Die biogenen Amine Putrescin und Tyramin sind kompetitive Hemmer der DAO (Diaminoxidase; Synonym: Histaminase).
Biogene Amine sind stickstoffhaltige Ab- und Umbauprodukte von Aminosäuren und können vor allem durch chemische Reaktionen, Einwirkungen von Enzymen und Mikroorganismen im Stoffwechsel vieler Pflanzen und Tiere, aber auch im menschlichen Körper entstehen. Biogene Amine kommen schließlich durch mikrobiellen Verderb und mikrobielle Verarbeitung (Fermentation) sowie das Zusetzen von Enzympräparaten in kleinen wie auch großen Mengen in Lebensmitteln vor. Fermentierte Nahrungsmittel, wie Hart- und Schnittkäse, Sauerkraut oder Wein, können besonders hohe Amin-Konzentrationen enthalten, wobei Histamin und Tyramin mengenmäßig im Vordergrund stehen.
Die Amine werden direkt aus der Nahrung im Darm resorbiert. Alkohol kann die Resorptionsrate erhöhen.
Ursachen einer Histaminintoleranz (HIT) sind:
- erhöhte diätetische Zufuhr an Histamin
- zu geringer Abbau des Histamin durch fehlende bzw. unzureichende Diaminoxidase (DAO): Personen mit einer nicht-immunologisch vermittelten Hypersensitivität auf biogene Amine fehlt das für den Amin-Abbau nötige Enzym (Diaminoxidasekonzentration (DAO) im Darmtrakt und Histaminmethyltransferase in der Leber) beziehungsweise weisen einen Enzymdefekt auf. Da biogene Amine vaso- oder psychoaktiv sind, lösen bei sehr empfindlichen Menschen – individuelle Reizschwelle – schon niedrige Amin-Konzentrationen in Nahrungsmitteln Beschwerden aus.
- Beeinträchtigung der DAO-Aktivität (z. B. andere biogene Amine oder Alkohol)
Sowohl spezielle Erkrankungen (vor allem Funktionsstörungen der Darmschleimhaut oder der Leber mit negativer Auswirkung auf die Aminooxidase-Aktivität) als auch Arzneimittel können die Reizschwelle beeinflussen. Das erklärt, warum die Reaktionen auf aminreiche Lebensmittel unterschiedlich stark sind. Insbesondere können Medikamente und psychische Faktoren (beispielsweise Stress) zu Additionseffekten führen.
Lebensmittel, die reich an biogenen Aminen sind und Histaminfreisetzung fördern können:
- Gereifte und fermentierte Lebensmittel: Käse, Sauerkraut, Joghurt, Kefir, Sojasoße, Miso.
- Fleischprodukte: Gepökelte oder geräucherte Fleischwaren, wie Salami und Schinken.
- Fisch und Meeresfrüchte: Insbesondere solche, die nicht frisch sind oder schlecht gelagert wurden.
- Alkoholische Getränke: Rotwein, Bier, Sekt.
- Bestimmte Gemüse und Früchte: Tomaten, Spinat, Avocados, Bananen.
- Schokolade und kakaohaltige Produkte.
Mechanismus der Histaminfreisetzung:
Die biogenen Amine können verschiedene Mechanismen zur Freisetzung von Histamin nutzen:
- Direkte Wirkung auf Mastzellen: Einige biogene Amine wirken direkt auf Mastzellen und verursachen die Freisetzung von Histamin.
- Verdrängung von Histamin aus Speichergranula: In Zellen, die Histamin speichern, können biogene Amine das gespeicherte Histamin verdrängen und es so in den Blutkreislauf freisetzen.
Hypersensitivität auf biogene Amine – Häufigkeit
Insbesondere weisen Patienten mit chronischer Urtikaria häufig eine Unverträglichkeit auf Histamin aufgrund eines Defekts der Diamino-Oxidase auf. Untersuchungen zur Folge wurde bei 64 % der Patienten nach duodenaler Applikation von 120 mg Histamin eine chronische Urtikaria ausgelöst. Im Vergleich dazu blieb die Kontrollgruppe symptomlos [1].
Auch bei Patienten mit atopischen Ekzem ist die Enzymaktivität vermindert.
Hypersensitivität auf biogene Amine – Symptome
- Asthma bronchiale
- atopisches Ekzem (Neurodermitis)
- Atemnot
- Chronische Kopfschmerzen
- Chronische Urtikaria – häufig mit Quaddeln und starken Juckreiz einhergehend
- Durchfall
- Erbrechen
- Hautrötungen
- Juckreiz
- Migräneanfälle
- Übelkeit
Achtung!
Alkohol mindert die Enzymaktivität der DAO (Diaminoxidase) und verstärkt die Resorption von Histamin! Dieses führt gleichzeitig zu einer nicht IgE-vermittelten Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen und basophilen Granulozyten.
Medikamente, die Hemmer der DAO sind:
- Acetylcystein (ACC)
- Ambroxol
- Aminoglykoside (Framycetin, Neomycin, Paromomycin)
- Aminophyllin
- Amitriptylin
- Chloroquin
- Clavulansäure
- Dihydralazin
- Gelatine (Plasmaexpander)
- Metoclopramid (MCP)
- N-Acetylcystein (NAC)
- Isoniazid
- Pentamidin
- Pirenzepin
- Promethazin
- Verapamil
Patienten, die mit den oben aufgeführten Medikamenten behandelt werden, sollten histaminhaltige Speisen (siehe oben Liste: biogene Amine) meiden, da Histamin aufgrund der DAO-Hemmung nicht genügend abgebaut wird.
Nachfolgend aufgeführte nicht-steroidale Analgetika bzw. Antiphlogistika können bei Personen mit allergischer Disposition zusätzlich zu einer Histamin-Ausschüttung führen, sodass es zu einer verstärkten Histaminwirkung kommen kann:
- Acetylsalicylsäure (ASS)
- Diclofenac
- Indometacin
- Flurbiprofen
- Ketoprofen
- Meclofenaminsäure
- Mefenaminsäure
- Naproxen
Für Allergiker geeignete analgetisch bzw. antiphlogistisch wirkende Medikamente, die die allergenspezifische Histamin-Freisetzung hemmen, sind:
- Fenbufen
- Levamisol
- Ibuprofen
Literatur
- Askar A: Biogene Amine in Lebensmitteln und ihre Bedeutung. Ern Umschau 29, 143-148, 1982