Nahrungsmittelallergie – Allergene – Allergieauslöser
Nahrungsmittelallergene
Nahrungsmittelallergene sind tierischer oder pflanzlicher Herkunft. Sie können auch als Zutaten natürlichen Ursprungs in Lebensmitteln enthalten sein. Allergene werden vom Körper als „nicht eigen“ erkannt und lösen eine T-zell-abhängige Immunantwort mit Bildung von spezifischen Antikörpern der Klasse IgE durch B-Zellen aus [9].
Ein Allergenmolekül – meist ein wasserlösliches Glykoprotein mit stärkster immunogener Wirkung – besitzt mehrere Anknüpfungsfragmente beziehungsweise allergene Determinanten, die auch als Epitope bezeichnet werden. Gegen jedes dieser Epitope kann ein spezifischer Antikörper gebildet werden. Epitope sind art- beziehungsweise individualspezifisch.
Sequenzielle Epitope – Anordnung der Aminosäuren in der Peptidkette – sind bspw. Allergene aus Fisch (Hauptallergen ist Parvalbumin, aber auch Enolasen und Aldolasen), Haselnuss und Erdnuss. Diese sind gegen thermische Einflüsse, pH-Wert-Änderungen sowie Behandlung mit Proteasen relativ stabil. Sie verursachen häufig enterale oder systematische Symptome [6, 17, 18].
Sterische Epitope sind in vielen pollenassoziierten Obst- und Gemüsesorten, wie Stein- und Kernobst oder Karotten, zu finden und aufgrund ihrer dreidimensionalen Konformation relativ instabil. Demzufolge verlieren sterische Epitope durch thermische Einflüsse (bspw. bei der Trocknung, Lagerung, Proteolyse, Kochen) weitgehend ihre allergene Potenz und werden gekocht verzehrt oftmals vertragen. Bei der Aufnahme von rohem Obst oder Gemüse hingegen lösen die sterischen Epitope ein orales Allergiesyndrom aus [6, 17, 18]. Der immer häufigere Verzehr von Rohkost fördert damit das Auftreten von Nahrungsmittelallergien [1].
Kreuzreagierende Allergene
Patienten mit einer hohen Sensibilisierung auf Pollen (vor allem Birken- und Beifußpollen) tragen ein erhöhtes Risiko, auch eine Allergie auf pflanzliche Lebensmittel, wie Obst, Gemüse und Gewürze, zu entwickeln – pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie [7]. Einerseits liegt die Ursache in den pflanzlichen Lebensmittelallergenen, die häufig untereinander strukturelle Ähnlichkeiten aufweisen und so zu immunologischen Kreuzreaktionen führen. Andererseits sind Kreuzreaktionen zu Pollenallergenen an dem Pathomechanismus pollenassoziierter Nahrungsmittelallergien beteiligt. Bei einer Kreuzreaktion kommt es zu einer immunologischen Reaktion spezifischer Antikörper beziehungsweise sensibilisierter T-Lymphozyten mit ihrem „homologen“ Antigen. Die Antikörper beziehungsweise T-Zellen können auch mit Substanzen reagieren, die ähnliche oder identische antigene Determinanten besitzen [2]. Schließlich kann bei Pollenallergikern die Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs zu allergischen Symptomen (gleichzeitig auf Pollen und Nahrungsmittel) führen, die die Folge kreuzreagierender Allergene von verschiedenen Strukturen sind [20].
Folgende Proteine zählen zu kreuzreagierenden Allergenen:
- Birkenpollenallergen Bet v 1 (Glykoprotein) – Hauptallergen der Birkenpollen; etwa 95 % aller Birkenpollenallergiker weisen IgE-Antikörper gegen Bet v 1 auf [3, 20]
- Profiline (allgegenwärtig vorkommende Proteine) – werden aufgrund ihres fast ubiquitären Vorkommens in der Pflanzenwelt als Panallergene bezeichnet; etwa 20 % aller Allergiker besitzen IgE gegen Profilin [3, 20]
- Lektine (Glykoproteine) [20]
Beispiele für pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien:
- Patienten mit einer Birkenpollen-Allergie reagieren häufig allergisch auf verschiedene Nüsse, Früchte und Wurzeln [4] sowie Gewürze, insbesondere Koriander, Kümmel, Cayenne-Pfeffer, Senf (dieser ist in vielen Fertigprodukten vorhanden; Spuren von Senf befinden sich häufig in Aufstrichen, Burgern, Bratlingen, Marinaden, sauer eingelegtem Gemüse, Curry sowie in Gewürzmischungen, -soßen und -pasten), weißer Pfeffer und Paprika [14]
- Kinder mit einer Allergie auf Graspollen weisen oftmals allergische Reaktionen nach der Aufnahme von Tomaten, Erdnüssen, grüne Erbsen und Weizen auf [11]
- Bei Patienten mit einer Sellerie-Allergie wird relativ häufig eine Sensibilisierung gegen Karotten, Gewürze und Beifußpollen („Sellerie-Karotten-Beifuß-Gewürz-Syndrom“) beobachtet [19]
Daneben gibt es weitere Kreuzreaktionen, wie eine Allergengemeinschaft zwischen Naturlatex und verschiedenen Früchten beziehungsweise Gemüse (wie Banane, Kiwi, Feige, Avocado und Spinat) [8, 10], Hausstaubmilben und Krusten- und Weichtieren [8, 10], Vogelfedern und Hühnerei sowie zwischen bienenspezifische Enzyme und Honig [8] (siehe nachfolgende Tabelle).
Nahrungsmittelsensibilisierungen auf Grund von Kreuzreaktionen [25]
Inhalative Allergene (Allergieauslöser, die über die Atemwege in den Organismus gelangen) |
Nahrungsmittelallergene |
Häufig | |
Baumpollen | Apfel, Aprikose, Feige, Haselnuss, Karotte, Kartoffel, Kirsche, Kiwi, Nektarine, Pfirsich, Pflaume, Sellerie, Soja |
Weniger häufig | |
Beifußpollen | Gewürze, Karotte, Mango, Sellerie, Sonnenblumenkerne |
Naturlatex | Acerola-Kirsche, Ananas, Avocado, Banane, Esskastanie, Kartoffel, Kiwi, Mango, Papaya, Pfirsich, Sellerie, Tomate |
Selten | |
Birkenfeige (Ficus benjamina/"Ficus-Frucht-Syndrom") | Ananas, Avocado, Banane, (getrocknete) Feige, Kiwi, Papaya, möglicherweise Brotfrucht, Jackfrucht |
Vogelfedern | Ei, Geflügel, Innereien |
Hausstaubmilben | Schalentiere, Weichtiere |
Tierepithelien | Fleisch |
Nicht bestätigt | |
Ambrosiapollen | Banane, Gurke, Melone, Zucchini |
Gras-/Getreidepollen | Hülsenfrüchte, Kleie, Mehl, Tomate |
Allergieauslöser
Im Säuglings- und Kleinkindesalter treten zu 90 % Allergien auf Grundnahrungsmittel auf [16]. Zu den häufigsten Allergieauslösern gehören Kuhmilch und Hühnerei, gefolgt von Erd- und Walnuss, Soja, Fisch und Weizen [13, 15]. Eine tierexperimentelle Studie zeigte, dass das Rösten von Erdnüssen mit einem höheren Allergierisiko einhergeht. So haben Menschen in Ostasien, wo Erdnüsse gekocht, frittiert oder roh gegessen werden, signifikant seltener Erdnussallergien [22]. Bei Jugendlichen und Erwachsenen überwiegen eindeutig die pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien. Dabei stehen insbesondere die Nahrungsmittelallergene von Gemüse (Sellerie, Karotte), Früchten (Apfel), Getreide, Gewürzen, Kräutern, Soja, Nüssen (Haselnuss) und Samen im Vordergrund [5, 12]. Das vermehrte Auftreten der Sensibilisierung gegen Soja ist möglicherweise auf die häufigere Verwendung von Soja als Zusatzstoff in der industriellen Verarbeitung zurückzuführen [2].
Für die Zunahme des Auftretens von Nahrungsmittelallergien wird die Erweiterung der Allergenpalette.
pflanzlicher Lebensmittel, insbesondere Kiwis, Mangos, andere exotische Früchte, Nüsse, Getreide, Hülsenfrüchte, Pflanzensamen, Gewürze und vor allem Äpfel verantwortlich gemacht. Eine wesentliche Bedeutung erhält der Reifegrad der Früchte bei der Ernte [2].
Auswahl möglicher Auslöser einer nahrungsmittelabhängigen, anstrengungsinduzierten Anaphylaxie (schwerste Form einer allergischen Reaktion, die schnell lebensbedrohlich werden kann). (Mod. nach [23, 24])
Pflanzliche Allergenquellen
- Gemüse und Salate: Bohnen, Erbsen, Knoblauch, Sellerie, Tomaten
- Getreide: Hafer, Roggen, Weizen
- Nüsse: Erdnuss, Haselnuss
- Obst: Pfirsich
- Soja
Nichtpflanzliche Allergenquellen
- Kuhmilch
- Rindfleisch
- Schweinefleisch
- Schalentiere
- Weichtiere (Mollusken)
Panallergene
Als Panallergene (= Allergene, die in mehreren Allergenquellen vorkommen) können Lipid-Transfer-Proteine (LTP), die in vielen pflanzlichen Nahrungsmitteln vorkommen, allergische Reaktionen (orales Allergiesyndrom) bis hin zur Anaphylaxie auslösen. Das klinische Bild anaphylaktischer Reaktionen reicht dabei von leichten Hautreaktionen über Störungen von Organfunktionen bis zum anaphylaktischen Schock.
Die Lipidtransferproteine (LTP) gehören zu den stressassoziierten Proteinen der Pflanzen, die die Pflanze wahrscheinlich zur Abwehr von Schädlingen, Erregern etc. produziert. Bei den nichtspezifischen Lipid-Transfer-Proteinen (nsLTP) handelt es sich um eine Gruppe von Allergenen, die in Obst (Pfirsiche, Äpfel, Weintrauben), Gemüse (z. B. Kohl), Nüssen und Pollen (z. B. Beifuß, Olivenbaum) vorkommt.
Personen im Mittelmeerraum sind vorwiegend von einer LTP-Sensibilisierung betroffen. Die Sensibilisierungsrate in Mittel- und Nordeuropa ist deutlich geringer.
Folgende Merkmale sollten an eine Allergie gegen LTP denken lassen [26]:
- Allergische Reaktionen auf Nahrungsmittel, die nicht zur Bet v 1-Gruppe (Hauptallergen der Hänge-Birke (Betula pendula; Synonym: B. verrucosa) und der Auslöser der Birkenpollenallergie), wie z. B. Heidelbeeren, Weintrauben, Zitrusfrüchte oder Kohlgemüse
- Unklare Anamnese, bei der eine birkenpollenassoziierte Nahrungsmittelallergie als Ursache ausgeschlossen werden kann.
Hinweise für Patienten mit LTP-Sensibilisierung
- Beachte: Die Allergenität kann nicht durch Erhitzen von Nahrungsmitteln reduziert werden. LTP sind zudem stabil gegenüber Säure.
- Schälen von Apfel oder Pfirsich reduziert den LTP-Gehalt
- Trigger wie körperliche Anstrengung, Alkoholgenuss oder Einnahme nichtsteroidaler antiinflammatorischer Medikamente (NSAID) können auch bei Personen mit symptomfreier LTP-Sensibilisierung zu klinischen Reaktionen führen.
Kreuzreaktivität: Das Protein Pru p 3 aus dem Pfirsich ist das am stärksten allergene Nahrungsmittel-LTP und zeigt zugleich eine ausgeprägte IgE-Kreuzreaktivität. Daneben sind des Weiteren die Proteine aus Steinfrüchten wie Aprikose Kirsche und Pflaume stark kreuzreaktiv.
Literatur
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Leitlinien
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