Histaminintoleranz – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Histamin ist ein biogenes Amin, das im Körper durch die Decarboxylierung der Aminosäure Histidin unter dem Einfluss des Enzyms Histidindecarboxylase synthetisiert wird. Es fungiert als wichtiger Mediator in verschiedenen physiologischen und pathophysiologischen Prozessen, einschließlich der Immunantwort, der Regulation der Magensäuresekretion und als Neurotransmitter im Zentralnervensystem.

Histamin wird primär in Mastzellen und basophilen Granulozyten gespeichert und bei Bedarf freigesetzt. Seine Freisetzung spielt eine zentrale Rolle bei IgE-vermittelten allergischen Reaktionen sowie bei nicht-IgE-vermittelten Prozessen. Diese duale Bedeutung als Mediator immunologischer und nicht-immunologischer Reaktionen ist essenziell für das Verständnis der Histaminintoleranz.

Überproduktion und Freisetzung von Histamin

Histamin kann entweder endogen durch allergische Reaktionen und Entzündungsprozesse oder exogen über die Nahrung in den Körper gelangen. Insbesondere histaminreiche Lebensmittel (z. B. gereifte Käse, Rotwein, Fisch) und bakterielle Fermentation tragen zur Aufnahme bei.

Histaminintoxikationen können je nach Menge der aufgenommenen Substanz unterschiedlich schwere Symptome auslösen:

  • Dosen über 100 mg Histamin können milde Symptome verursachen (Kopfschmerzen, Hautrötungen).
  • Dosen über 1.000 mg können zu schweren Intoxikationen führen (Blutdruckabfall, anaphylaktoide Reaktionen).

Unzureichender Abbau von Histamin

Der Abbau von Histamin im Körper erfolgt über zwei zentrale Enzyme:

  • Diaminoxidase (DAO) – Dieses Enzym ist hauptsächlich im Darm lokalisiert und baut exogen aufgenommenes Histamin, insbesondere aus der Nahrung, ab. Eine verminderte DAO-Aktivität (z. B. durch genetische Defekte, Darmerkrankungen oder Medikamente) führt zur Akkumulation von Histamin im Körper und ist eine häufige Ursache der Histaminintoleranz.
  • Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) – Dieses Enzym ist vorwiegend im Zentralnervensystem, der Leber und den Nieren aktiv und baut intrazelluläres Histamin ab. Störungen der HNMT-Aktivität beeinflussen den Histaminspiegel innerhalb der Zellen und können ebenfalls zur Histaminintoleranz beitragen, sind jedoch seltener die alleinige Ursache.

Pathophysiologisches Ungleichgewicht

Die Histaminintoleranz entsteht durch ein Ungleichgewicht zwischen der Produktion und Aufnahme von Histamin einerseits und der Fähigkeit des Körpers, dieses abzubauen, andererseits. Die Kombination aus einer erhöhten Histaminexposition (endogen oder exogen) und einer eingeschränkten Abbaukapazität führt zu einer übermäßigen Ansammlung von Histamin, was die typischen Symptome wie Kopfschmerzen, Hautrötungen, Magen-Darm-Beschwerden und kardiovaskuläre Reaktionen verursacht.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
  • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
    • Genetische Varianten (Polymorphismen) in den Genen, die für DAO und HNMT kodieren, können die Aktivität dieser Enzyme beeinflussen und so zur Histaminintoleranz beitragen.
  • Die genetische Prädisposition spielt eine Rolle bei der individuellen Empfindlichkeit gegenüber Histamin.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Histaminreiche Nahrungsmittel

      • Gereifte Käsesorten wie Cheddar, Gouda und Blauschimmelkäse.
      • Fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, Sojasoße und fermentierte Sojaprodukte (z. B. Miso, Tempeh)
      • Geräucherte Fleischprodukte wie Salami, Schinken und Wurstwaren.
      • Bestimmte Fischarten (Sardine, Sardelle, Sprotten, Heringe, Makrelen oder Thunfisch), besonders wenn sie konserviert oder geräuchert sind.
    • Lebensmittel, die Histamin freisetzen (Histaminliberatoren)

      • Zitrusfrüchte wie Orangen und Zitronen.
      • Zwiebeln und Knoblauch
      • Tomaten, Spinat und Auberginen.
      • Schokolade und andere kakaohaltige Produkte.
    • Weitere Nahrungsmittel

      • Essig und essighaltige Produkte wie Salatdressings und eingelegtes Gemüse.
      • Bestimmte Nüsse wie Walnüsse und Cashewnüsse.
      • Linsen enthalten andere biogene Amine, wie Tyramin, die bei einigen Personen ähnliche Reaktionen wie Histamin auslösen können. Bei Personen mit einer allgemeinen Empfindlichkeit gegenüber biogenen Aminen oder mit bestimmten Enzymdefiziten (wie DAO-Mangel) könnten Linsen daher möglicherweise Beschwerden verursachen, obwohl sie nicht direkt Histamin freisetzen.
    • Gewürze und Lebensmittelzusätze
      • Chili und Cayennepfeffer: Diese scharfen Gewürze können bei manchen Menschen Histamin freisetzen und zu Symptomen führen.
      • Zimt: Zimt kann in einigen Fällen histaminfreisetzende Eigenschaften haben.
      • Curry: Curry ist eine Mischung verschiedener Gewürze, von denen einige histaminfreisetzend wirken können.
      • Paprika: Einige Personen mit Histaminintoleranz berichten über Reaktionen auf Paprika.
      • Tomatenbasierte Gewürze und Soßen: Tomaten können Histamin freisetzen und sind häufig in Gewürzmischungen und Soßen enthalten.
      • Künstliche Zusatzstoffe: Bestimmte Zusatzstoffe wie Mononatriumglutamat (MSG), künstliche Farb- und Konservierungsstoffe können ebenfalls histaminfreisetzend wirken (s. u.).
      • Essig und essighaltige Würzmittel: Essig ist in vielen Würzmitteln und Dressings enthalten und kann für Menschen mit Histaminintoleranz problematisch sein.
      • Alkoholhaltige Gewürze: Alkohol kann Histamin freisetzen und ist in einigen Gewürzextrakten enthalten.
    • Künstliche Zusatzstoffe

      • Konservierungsstoffe und Farbstoffe, die in verarbeiteten Lebensmitteln häufig vorkommen:
        • Konservierungsstoffe
          • Benzoate (E210-E219): Diese werden häufig in Getränken, Soßen und verpackten Lebensmitteln verwendet. Sie können die Freisetzung von Histamin im Körper fördern.
          • Sulfite (E220-E228): Sulfite sind häufig in getrockneten Früchten, Wein und einigen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten. Sie können bei empfindlichen Personen allergieähnliche Reaktionen hervorrufen und die DAO-Aktivität hemmen.
          • Nitrite (E249-E252): In Fleischwaren wie Würstchen und Schinken zur Haltbarmachung eingesetzt. Nitrite können Histamin im Körper freisetzen und somit Symptome bei Personen mit Histaminintoleranz auslösen.
        • Farbstoffe
          • Tartrazin (E102): Ein gelber Farbstoff, der in Getränken, Süßigkeiten und verarbeiteten Lebensmitteln zu finden ist. Er kann allergische Reaktionen und Histaminfreisetzung hervorrufen.
          • Chinolingelb (E104): Wird in verschiedenen Lebensmitteln und Getränken verwendet und kann ähnliche Reaktionen wie Tartrazin hervorrufen.
          • Gelborange S (E110): Kann in einigen Getränken, Desserts und Gewürzmischungen enthalten sein und allergische Reaktionen auslösen.
          • Azorubin (E122), Amaranth (E123), Cochenillerot A (E124) und Erythrosin (E127): Diese Farbstoffe können in Süßwaren, Getränken und einigen Konserven vorkommen. Sie sind bekannt dafür, allergische Reaktionen und Histaminfreisetzung zu begünstigen.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (chronischer Konsum) – Besonders Rotwein und Bier, da sie sowohl Histamin enthalten als auch die Freisetzung von Histamin im Körper fördern können.
  • Körperliche Aktivität
    • Körperliche Inaktivität
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Schlafqualität
    • Verminderte Schlafdauer 

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Gastrointestinale Erkrankungen können eine Histaminintoleranz fördern oder bedingen, da sie die Fähigkeit des Körpers, Histamin abzubauen oder darauf zu reagieren, beeinflussen können.
    • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED): Zu diesen Erkrankungen gehören Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Die chronische Entzündung und daraus resultierende Schäden an der Darmschleimhaut können die Produktion und Aktivität der Diaminoxidase (DAO) beeinträchtigen.
    • Darmdysbiose: Ein Ungleichgewicht in der Darmmikrobiota kann zu einer veränderten Histaminproduktion und -verarbeitung im Darm führen.
    • Gastritis (Magenschleimhautentzündung): Diese Erkrankungen können die Histaminproduktion im Magen erhöhen und somit die Symptome einer Histaminintoleranz verschlimmern.
    • Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD): GERD und andere Erkrankungen, die mit einer erhöhten Magensäureproduktion einhergehen, können die Freisetzung von Histamin im Magen-Darm-Trakt beeinflussen.
    • Leaky-Gut-Syndrom (Durchlässiger Darm): Eine gesteigerte Durchlässigkeit der Darmwand kann zur Freisetzung von Histamin in den Blutkreislauf und zu einer systemischen Histaminreaktion führen.
    • Reizdarmsyndrom (RDS): Obwohl der Zusammenhang zwischen RDS und Histaminintoleranz nicht vollständig geklärt ist, können bei RDS auftretende Veränderungen in der Darmfunktion und -flora die Freisetzung und Verarbeitung von Histamin beeinflussen.
    • Zöliakie: Bei Zöliakie kann die durch Gluten verursachte Entzündung der Dünndarmschleimhaut zu einer verringerten Produktion von DAO führen, was zu einer Anhäufung von Histamin im Körper und damit zu einer Histaminintoleranz führen kann.

Medikamente

  • Anästhetika: Einige Anästhetika können während und nach operativen Eingriffen zu einer erhöhten Histaminfreisetzung führen.
  • Antibiotika: Bestimmte Antibiotika, insbesondere solche, die die Darmflora beeinträchtigen, können die DAO-Produktion reduzieren und somit die Histaminintoleranz beeinflussen.
  • Antidepressiva: Einige Antidepressiva, insbesondere trizyklische Antidepressiva, können die Freisetzung von Histamin beeinflussen und die Symptome einer Histaminintoleranz verschlimmern.
  • Diuretika: Einige Diuretika können die DAO-Aktivität verringern und so zu einer Erhöhung des Histaminspiegels im Körper beitragen.
  • Magen-Darm-Medikamente: Medikamente, die zur Reduzierung der Magensäure eingesetzt werden, wie Protonenpumpenhemmer und H2-Blocker, können die DAO-Aktivität beeinflussen.
  • Muskelrelaxantien: Bestimmte Muskelrelaxantien können ebenfalls die Histaminaufnahme oder -verarbeitung im Körper beeinträchtigen.
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR): Medikamente wie Ibuprofen und Aspirin können die Freisetzung von Histamin im Körper erhöhen und die Symptome einer Histaminintoleranz verstärken.
  • Opiate: Opiatbasierte Schmerzmittel können die Freisetzung von Histamin fördern und die Symptome einer Histaminintoleranz verstärken.

Zusätzlich zu diesen Medikamentengruppen gibt es spezifische Medikamente wie Acetylcystein, Metamizol, Verapamil, Metronidazol oder Metoclopramid, die ebenfalls einen Einfluss auf die DAO-Aktivität haben und die Histaminintoleranz beeinflussen können.

Siehe dazu auch unter: Diaminoxidase (DAO)

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Pestizide und Insektizide: Häufige Verwendung in der Landwirtschaft und im häuslichen Bereich; diese Chemikalien können das Immunsystem beeinträchtigen und die Freisetzung von Histamin im Körper fördern.
  • Schwermetalle: Langfristige Exposition gegenüber Schwermetallen wie Blei, Quecksilber, Arsen und Cadmium kann zu einer Störung des Immunsystems und der Enzymfunktion führen, was indirekt die Histaminintoleranz beeinflussen kann.
  • Luftschadstoffe: Verschiedene Luftschadstoffe, einschließlich Stickoxide und Ozon, können entzündliche Reaktionen im Körper auslösen und die Histaminfreisetzung verstärken.
  • Industriechemikalien: Langfristige Exposition gegenüber bestimmten Industriechemikalien, wie Lösungsmitteln, Formaldehyd und anderen flüchtigen organischen Verbindungen, kann die Sensibilität des Immunsystems erhöhen.
  • Mykotoxine (Schimmelpilzgifte): Diese von bestimmten Schimmelpilzen produzierten Toxine können, insbesondere bei Langzeitexposition, zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems und zu einer gestörten Histaminregulation führen.
  • Kunststoffweichmacher (Phthalate): Diese in vielen Kunststoffprodukten enthaltenen Chemikalien können hormonähnliche Wirkungen haben und das Immunsystem beeinflussen.