Vaskulitiden – Einleitung

Als Vaskulitiden bezeichnet man entzündlich-rheumatische Erkrankungen, die durch eine Neigung zu Entzündungen der Blutgefäße, meist arteriellen Gefäßen, gekennzeichnet sind. Vaskulitis ist eine immunreaktiv ausgelöste Entzündung der Blutgefäße, die durch verschiedene Mechanismen das Gefäßsystem schädigen und zu unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbildern führen kann.

Formen der Vaskulitiden 

  • Primäre Formen der Vaskulitis ‒ ohne erkennbare Ursache
    • Anti-GBM (Glomeruläre Basalmembran)-Krankheit (Synonym: Goodpasture-Syndrom; ICD-10-GM M31.0: Hypersensitivitätsangiitis) – glomeruläre (die Niere betreffende) und pulmonale (die Lunge betreffende) Kapillaren sind befallen oder anders gesagt: Es handelt sich um eine Kombination einer Glomerulonephritis (Entzündung der Glomeruli (Nierenkörperchen) der Nieren) mit Lungenblutungen
    • Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA), ehemals Churg-Strauss-Syndrom (CCS) (Synonyme: allergische granulomatöse Angiitis; Churg-Strauss-Granulomatose; Churg-Strauss-Syndrom; CSS; ICD-10-GM M30.1: Panarteriitis mit Lungenbeteiligung) – granulomatöse (etwa: "körnchenbildende") Entzündung der kleinen bis mittelgroßen Blutgefäße, bei der das betroffene Gewebe von eosinophilen Granulozyten (Entzündungszellen) infiltriert ("durchwandert") wird.
    • Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), ehemals Wegenersche Granulomatose (Synonyme: Allergische Angiitis und Granulomatose; Glomeruläre Krankheit bei Wegener-Granulomatose; Glomeruläre Störung bei Wegener-Granulomatose; Glomerulonephritis bei Wegener-Granulomatose; Granuloma gangraenescens; granulomatöse Polyangiitis; Granulomatosis Wegener; Klinger-Wegener-Churg-Syndrom; Lungengranulomatose; McBride-Stewart-Syndrom [Granuloma gangraenescens]; Morbus Wegener; Nekrotisierende Granulomatose im Bereich der Atemwege; rhinogene Granulomatose; Riesenzellengranuloarteriitis; Riesenzellgranuloarteriitis Wegener-Klinger-Churg; Wegener-Granulomatose; Wegener-Klinger-Churg-Syndrom; Wegener-Klinger-Churg-Syndrom mit Lungenbeteiligung; Wegener-Krankheit; Wegener-Krankheit mit Lungenbeteiligung; Wegenersche Granulomatose (oder in anderer Reihenfolge Wegener-Klinger-Churg-Syndrom); Wegener-Syndrom; ICD-10-GM M31.3: Wegener-Granulomatose)nekrotisierende (Gewebe absterbende) Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen bis mittelgroßen Gefäße (Kleingefäßvaskulitiden), welche mit einer Granulombildung (Knötchenbildung) in den oberen Atemwegen (Nase, Nasennebenhöhlen, Mittelohr, Oropharynx) sowie den unteren Atemwegen (Lunge) einhergeht.
    • Isolierte leukozytoklastische Hautvaskulitis (ICD-10-GM L95.9: Vaskulitis, die auf die Haut begrenzt ist, nicht näher bezeichnet) – ist definitionsgemäß auf die Haut beschränkt; tritt überwiegend in Zusammenhang mit Infektionen oder anderen auslösenden Ereignissen (z. B. Medikamenteneinnahmen) auf
    • Kawasaki-Syndrom (KS) (Synonym: mukokutanes Lymphknoten-Syndrom, MCLS; ICD-10-GM M30.3: Mukokutanes Lymphknotensyndrom [Kawasaki-Krankheit]) ‒ akute, fieberhafte, systemische Erkrankung, die durch eine nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittleren Arterien gekennzeichnet ist
    • Mikroskopische Polyangiitis (MPA) (Synonyme: mPAN; ICD-10-GM M31.7: Mikroskopische Polyangiitis) – nekrotisierende (Gewebe absterbende) Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen ("mikroskopischen") Blutgefäße, wobei auch größere Gefäße betroffen sein können; sie ist ähnlich der Granulomatose mit Polyangiitis und eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis mit ANCA-Autoantikörpern assoziiert [s. u. "Mikroskopische Polyangiitis"]
    • Polyarteriitis nodosa (PAN, Synonyme: Kussmaul-Maier-Krankheit, Panarteriitis nodosa; ICD-10-GM M30.0: Panarteriitis nodosa) – ist eine nekrotisierende Vaskulitis der mittleren Arterien, die zur Gruppe der Autoimmunerkrankungen gehört; PAN kann durch Virusinfektionen (z. B. Hepatitis-B- [HBV], Hepatitis‑C [HCV] oder humanes Immundefizienzvirus [HIV]) getriggert werden.
    • Purpura Schönlein-Henoch [neu: IgA-Vaskulitis (IgAV)] (Synonyme: anaphylaktoide Purpura; akutes infantile hämorrhagisches Ödem; Morbus Schönlein-Henoch; Purpura anaphylactoides; Purpura anaphylactoides; Purpura anaphylactoides; Purpura Schönlein-Henoch (PSH); Seidlmayer Kokardenpurpura; Schönlein-Henoch-Purpura; Vasculitis allergica; ICD-10-GM D69.0: Purpura anaphylactoides) ‒ immunologisch vermittelte Vaskulitis der Kapillaren sowie prä- und postkapillären Gefäße, die meist komplikationslos verläuft; als Multisystemerkrankung betrifft sie bevorzugt Haut, Gelenke, Darm und Nieren.
    • Riesenzellarteriitis mit Arteriitis temporalis und Takayasu-Arteriitis (ICD-10-GM M31.5: Riesenzellarteriitis bei Polymyalgia rheumatica) ‒ Vaskulitis großer und mittelgroßer Arterien
  • Sekundäre Formen der Vaskulitis ‒ treten im Rahmen einer anderen Erkrankung auf, v. a. bei
    • Bösartige Neubildungen, nicht näher bezeichnet
    • Infektionserkrankungen wie Hepatitis B, Hepatitis C, Cytomegalie-Virus-Infektion, HIV
    • Rheumatoide Arthritis (Vaskulitis tritt bei 5-10 % der Fälle auf)
    • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
    • Durch Medikamente gegen Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion), Antibiotika, Antirheumatika

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis

  • Anti-GBM (Glomeruläre Basalmembran)-Krankheit: Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
  • Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis: Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer.
  • Granulomatose mit Polyangiitis und mikroskopische Polyangiitis: Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
  • Polyarteriitis nodosa (PAN): Männer sind etwa dreimal so häufig betroffen wie Frauen.
  • Riesenzellarteriitis: Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Häufigkeitsgipfel

  • Die Häufigkeit der Vaskulitis allgemein steigt mit dem Alter an und tritt in nördlichen Ländern häufiger auf als in südlichen.
  • Anti-GBM-Krankheit: Häufigkeitsgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
  • Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis: Häufigkeitsgipfel zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr.
  • Granulomatose mit Polyangiitis: Kann in jedem Lebensalter auftreten.
  • Kawasaki-Syndrom: Häufigkeitsgipfel fast ausschließlich im Kindesalter (80 % der Fälle).
  • Purpura Schönlein-Henoch: Häufigkeitsgipfel fast ausschließlich im Kindesalter.
  • Riesenzellarteriitis: Häufigkeitsgipfel jenseits des 60. Lebensjahres.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Vaskulitis allgemein: Circa 200 Erkrankungen pro 1.000.000 Personen.
  • Granulomatose mit Polyangiitis: Circa 5 Erkrankungen pro 100.000 Personen.
  • Polyarteriitis nodosa (PAN): Unter 5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)

  • Anti-GBM-Krankheit: Ca. 0,5-1 Erkrankung pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr.
  • Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis: Ca. 1-2 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr.
  • Granulomatose mit Polyangiitis: Ca. 0,9 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
  • Isolierte leukozytoklastische Hautvaskulitis: Ca. 15 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr.
  • Mikroskopische Polyangiitis: Ca. 4 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr.
  • Purpura Schönlein-Henoch: Ca. 15-25 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
  • Riesenzellarteriitis (RZA): Ca. 15-20 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Nordeuropa.

Verlauf und Prognose

Anti-GBM (Glomeruläre Basalmembran)-Krankheit

  • Verlauf: Rasch progredient, was eine frühzeitige Diagnosestellung entscheidend macht.
  • Prognose: Rezidive sind selten.

Isolierte leukozytoklastische Hautvaskulitis

  • Verlauf: Heilt in der Regel folgenlos aus.
  • Prognose: Günstig, mit vollständiger Genesung.

ANCA-assoziierte Vaskulitiden (AAV)

  • Granulomatose mit Polyangiitis
  • Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
  • Mikroskopische Polyangiitis
    • Verlauf: Dank immunsuppressiver Therapie hat sich die Lebenserwartung der Betroffenen deutlich verbessert.
    • Prognose: Häufige Rezidive, engmaschige Kontrolle notwendig. Risikofaktoren für Rezidive beinhalten PR3-ANCA, frühes Ende der Glucocorticoidtherapie und geringere Cyclophosphamid-Gesamtdosis/Therapiedauer. Infekte können Rezidive triggern.

Kawasaki-Syndrom

  • Verlauf: Akut und fieberhaft.
  • Prognose: Letalität beträgt ca. 1 %.

Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis

  • Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei über 80 % unter optimaler Therapie. Häufigste Todesursachen sind Myokardinfarkt und Herzversagen.

Granulomatose mit Polyangiitis

  • Prognose: Ohne adäquate Therapie beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate wenige Monate (< 6 Monate). Mit adäquater Therapie liegt die Überlebensrate bei > 85 %.

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Zerebrale Vaskulitis und zerebrale Beteiligung bei systemischen Vaskulitiden und rheumatischen Grunderkrankungen. (AWMF-Registernummer: 030-085). Mai 2018 Langfassung