Renale Anämie – Medikamentöse Therapie

Therapieziel

  • Erythrozytenproliferation (Förderung des Wachstums der roten Blutkörperchen)

Therapieempfehlungen

  • Gabe von Erythropoetine  (kausale Therapie/ursächliche Therapie)
    Beachte: Solange der Hb-Wert > 10,0 g/dl liegt, sollten keine Erythropoetine gegeben werden.
    Siehe unten neue Therapieform: Roxadustat kann künftig zur Therapie der renalen Anämie eingesetzt werden, sodass regelmäßige Injektionen von Erythropoetin oder seinen Analoga nicht mehr erforderlich sind.
  • Hb (Hämoglobin; Blutfarbstoff) sollte in einem Bereich von 10-12 g/dl gehalten werden.

Erythropoetin (EPO)

Erythropoetin ist ein Wachstumsfaktor, der für die Bildung der Erythropoese (Bildung der roten Blutkörperchen) während der Hämatopoese (Blutbildung) von Bedeutung ist. Es wird beim Menschen überwiegend in der Niere gebildet. Da es bei Nierenerkrankungen wie beispielsweise Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) und anderen Erkrankungen wie Tumorleiden nicht mehr ausreichend gebildet werden kann, muss es dem Körper bei Zeichen einer renalen Anämie von außen zugeführt werden. Dabei werden rekombinante Präparate (Biopharmazeutika) benutzt.
Erythropoetine steigern nicht nur die Erythropoese (Bildung von Erythrozyten/rote Blutkörperchen), sondern verringern auch die linksventrikuläre Hypertrophie (krankhafte Vergrößerung der linken Herzkammer) und verbessern die CKD-Progression (Fortschreiten der Nierenerkrankung) [1].
Nebenwirkung der Therapie ist vor allem die Entwicklung eines Hypertonie (Bluthochdruck).
Cave (Achtung)! Die EPO-Gabe kann zu einer arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) führen bzw. diese verschlechtern.

Roxadustat

Der HIF-PH-Inhibitor Roxadustat verhindert, dass Zellen auf einen Sauerstoffmangel mit der vermehrten Produktion des Hypoxie-induzierenden Faktors (HIF) reagieren. Der HIF fördert die Produktion verschiedener Proteine, darunter auch die von Erythropoetin in den Nieren. Der HIF wird bei ausreichender Sauerstoffversorgung durch eine Prolylhydroxylase (PH) inaktiviert. Roxadustat verhindert dieses, sodass es zur Produktion von Ery­thropoetin kommt, und in infolgedessen zu einer vermehrten Bildung von Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Der Wirkstoff kann den Hämo­globinwert (roter Blutfarbstoff) von nicht dialysepflichtigen Patienten im Vergleich zu Placebo steigern. Bei dialyse­pflichtigen Patienten hat dieser Wirkstoff eine vergleichbare Wirkung wie Epoetin alfa erzielt [2].
2021 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) grünes Licht für die Zulassung von Roxadustat gegeben.

Der orale HIF-PH-Inhibitor Daprodustat hat in zwei randomisierten Phase-III-Studie in den Hb-Wert von Patienten mit realer Anämie – ohne Auftreten von kardiovaskulären Risiken – ebenso gut gesteigert wie eine Standardbehandlung mit erythropoesestimulierenden Agenzien (ESA) [3].

Eisen

  • Die Eisensubstitution sollte oral mit zweiwertigem Eisen erfolgen → bessere Resorption als dreiwertiges Eisen (dies wird bei der parenteralen Substitution eingesetzt; nur in Ausnahmefällen indiziert) und geringere Nebenwirkungen
  • Wirkformen 
    • orale Therapie: Eisen-II-Sulfat, Eisen-II-Gluconat, Eisen-II-Succinat, Eisen-II-Glycin-Sulfat-Komplex 
    • parenterale Therapie: Eisen-III-Hydroxid-Dextran-Komplex, Eisen-III-Natrium-Gluconat-Komplex, Eisen-III-Chlorid; nur wenn der Hb-Wert unter oraler Eisensubstitution nicht ansteigt, d. h. Eisen durch einen Malabsorptionssyndrom oral schlecht resorbiert wird.
  • Cave!
    • Die parenterale Therapie hat das Risiko schwerer Unverträglichkeiten und anaphylaktische Reaktionen.
    • Eisenintoxikation bei Kindern schon durch das 5-fache der therapeutischen Dosis eines Erwachsenen! Typische Symptome sind Nausea, Erbrechen, Diarrhoe, toxische Hepatitis (Lebernekrosen), Herzinsuffizienz und metabolische Azidose.
  • Eisenüberladung (vor allem bei parenteraler Eisensubstitution): Gabe von Deferoxamin oder Deferasirox
  • Nebenwirkungen: vor allem gastrointestinale Symptomatik; Schwarzfärbung des Stuhls
  • Therapiedauer: 3-6 Monate
  • Therapiekontrolle anhand der Ferritinwerte; eine erfolgreiche Eisensubstitution führt zu einem Anstieg der Retikulozyten innerhalb von einer Woche nach Therapiebeginn. Zielparameter (nach > 7 d nach Eisensubstitution bestimmen):
    • Serum-Ferritin: 200-500 μg/l
    • Transferrinsättigung (TFS; engl. transferrin saturation, TSAT): > 20-40 %

Literatur

  1. Rossert J, McClellan WM, Roger SD et al.: Epoetin treatment: What are the arguments to expect a beneficial effect on renal disease progression? Nephrol Dial Transplant 2002;17:359-362
  2. Chen N et al.: Roxadustat for Anemia in Patients with Kidney Disease Not Receiving Dialysis. N Engl J Med 2019; 381:1001-1010 doi: 10.1056/NEJMoa1813599
  3. Singh AK et al.: Daprodustat for the Treatment of Anemia in Patients Undergoing Dialysis N Engl J Med 2021; 385:2325-2335 doi: 10.1056/NEJMoa2113379