Immundefekt – Infektanfälligkeit (Immundefizienz) – Symptome – Beschwerden

Eine Immundefizienz/Immundefekt/Infektanfälligkeit kann sich wie folgt äußern:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine Immundefizienz und werden oft zuerst bemerkt:

  • Rezidivierende (wiederkehrende) bakterielle und/oder virale Infektionen: Häufig Infektionen der Atemwege, Haut oder anderer Organsysteme (60-80 %)
  • Hepatomegalie (Lebervergrößerung) bzw. Hepatosplenomegalie (Leber- und Milzvergrößerung): Typisch bei Immundefekten (30-50 %)

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild einer Immundefizienz:

  • Chronische oder schwer verlaufende Infektionen: Infektionen, die auf normale Therapien schlecht ansprechen (50-70 %)
  • Verzögerte Wundheilung: Besonders bei bakteriellen Infektionen (20-40 %)

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Autoimmunerkrankungen: Beispielsweise systemischer Lupus erythematodes oder rheumatoide Arthritis (20-30 %)
  • Enteropathien (Erkrankungen der Magen-Darm-Schleimhaut): Z. B. chronische Diarrhoen (Durchfälle) (20-30 %)
  • Allergien: Häufig verstärkte Reaktionen auf Umweltallergene (15-25 %)
  • Malignome (Krebserkrankungen): Vor allem lymphatische Krebserkrankungen (10-20 %)

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Allgemeine Schwäche und Müdigkeit: Bei anhaltenden Infekten und systemischen Erkrankungen (20-30 %)
  • Entwicklungsverzögerungen: Körperliche oder geistige Entwicklungsdefizite bei Kindern (10-20 %)

Angeborene (primäre Immundefekte) zeigen sich im frühen Säuglingsalter: Z. B. als spontan auftretende Graft vs. Host Reaktion (GvHR). Darunter versteht man eine Spender-gegen-Empfänger-Reaktion, wie sie bei Stammzelltransplantationen auftritt. Des Weiteren rezidivierende systemische Infektionen mit atypischen Mykobakterien oder andere schwere Majorinfektionen.

Monotope rezidivierende Infektionen, das heißt immer wieder an einem Ort auftretende Infektionen, sprechen eher für ein lokales Problem als für einen primären Immundefekt.

Lokale Ursachen für monotope rezidivierende Infektionen:

Infektionsort  Mögliche Ursache
 Atemwege
Asthma bronchiale, Bronchialfehlbildungen, bronchopulmonale Dysplasie (BPD; chronische Lungenkrankheit, die vor allem bei frühgeborenen Kindern mit geringem Geburtsgewicht auftritt, wenn diese Kinder über längere Zeit künstlich beatmet werden), Fremdkörperaspiration, ösophagotracheale Fistel, Ziliendyskinesiesyndrom, Cystitische Fibrose (Mukoviszidose)
 Harnwege  Fehlbildungen, Reflux
 Haut  Ekzem, Verbrennungen
 Meningen  Liquorfistel, Neuroporus
 Ohren  Adenoide


Unterschiede zwischen der physiologischen und pathologischen Infektanfälligkeit:   

 Infektionseigenschaft Physiologische Infektanfälligkeit  Pathologische Infektanfälligkeit
 Häufigkeit  Maximal 8 Minor-Infektionen* pro Jahr bis zum Kleinkindesalter, danach seltener  ≥ 8 Minor-Infektionen* pro Jahr bis zum Kleinkindesalter und darüber hinaus
 Schwere  Leicht, Minor-Infektionen*  Teilweise schwer, Major-Infektionen**
 Verlauf  Akut  Chronisch, rezidivierend
 Rezidiv mit demselben Erreger  Nein  Ja
 Opportunistische Infektion (Keime, die Immungesunde niemals krank machen)  Nein  Ja
 Residuen  Nein  Ja

*Z. B. grippale Infekte, akute Infekte der oberen Atemwege, Tonsillitis (Mandelentzündung)
**Pneumonie (Lungenentzündung),  Meningitis (Hirnhautentzündung), Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung), Sepsis (Blutvergiftung), septische Arthritis, Empyem (Eiteransammlung in einer vorgeformten Körperhöhle), tiefe Viszeralabszesse

Das Akronym ELVIS (Erreger, Lokalisation, Verlauf, Intensität, Summe) beschreibt die charakteristischen Parameter für eine pathologische Infektionsanfälligkeit.

Bei polytopen oder atypischen Lokalisationen einer Infektion sollte ein Immundefekt abgeklärt werden.

Warnzeichen (red flags) für primäre Immundefekte (PID) [modifiziert nach 1]

  • Familienanamnese: z. B. Konsanguinität (biologische oder genetische Verwandtschaft), primärer Immundefekt, pathologische Infektionsanfälligkeit (s. o.)
  • Immundysregulation: "GARFIELD" (Akronym für: Granulome (entzündungsbedingte, knotenartige Gewebeneubildung), Autoimmunität, rezidivierendes Fieber, Ekzeme, Lymphoproliferation, chronische Darmentzündung)
  • Gedeihstörung, Gewichtsverlust, meist mit Diarrhoe (Durchfall)
  • Labordiagnostik: Differentialblutbild (Lymphopenie (Mangel an Lymphozyten), Neutropenie (Mangel an neutrophilen Granulozyten)); Hypogammaglobulinämie (Mangel an Immunglobulinen)

Literatur

  1. Farmand S et al.: Interdisciplinary AWMF guideline for the diagnostics of primary immunodeficiency. Klin Padiatr 2011 Nov;223(6):378-85. doi: 10.1055/s-0031-1287835. Epub 2011 Nov 3.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Diagnostik auf Vorliegen eines primären Immundefektes (PID). (AWMF-Registernummer: 112 - 001), Oktober 2017 Kurzfassung Langfassung